„Wenn man sich A Chinese Ghost Story‘ anschaut, dann vor allem,
um ein verloren geglaubtes Gefühl wieder zu entdecken;
wie jenes, das man hatte, als man das erste Mal ins Kino ging.“
(Cahiers du Cinema)
Mitten im Hongkong-Kino der Achtzigerjahre, zwischen den bleihaltigen Balletten eines John Woo und den Stunts von Jackie Chan, tat sich 1987 ein neues Genre auf, eine Fusion von Schwertkampf- und Märchen-, Grusel- und Liebesfilm. Der umtriebige Regisseur, Produzent und Gelegenheits-Schauspieler Tsui Hark, vielleicht der Mann, der das Kino Hongkongs am nachhaltigsten prägte, schlug seinem Freund Ching Siu-Tung die Verfilmung einer traditionellen chinesischen Geistergeschichte vor. Heraus gekommen ist mit „A Chinese Ghost Story“ ein Film von magischer Kraft, der heute als einer der größten Klassiker des asiatischen Films gilt und noch immer einen Charme versprüht, der zeitgenössischen Fantasyfilmen oftmals abgeht.
Die Geschichte ist klassisch und einfach gestrickt. Ein in höchstem Maße naiver Steuereintreiber (Leslie Cheung, A Better Tomorrow, Happy Together) sucht vor einem Gewitter Unterschlupf in einem verlassenen, von Spukgestalten bevölkerten Tempel. Ein einsiedlerischer, taoistischer Mönch (Wu Ma, Hard Boiled 2 - Just Heroes) beschützt ihn mit seinen Kampfkünsten und warnt ihn vor der betörenden Kraft der Geister. Trotzdem gerät der Steuereintreiber in den Bann der hübschen Geisterfrau Nie (Joey Wang), die ihre Verführungskünste zunächst mit dem Ziel einsetzt, den jungen Mann ihrer Herrin, der bösartigen Hexe Lau Lau (Lau Siu Ming), zu opfern. Doch auch die hübsche Geisterfrau verliebt sich in den jungen Tollpatsch und versucht mit Hilfe ihrer Liebe und der tatkräftigen Unterstützung des Mönches aus den Fängen ihrer Herrin zu entkommen. Die drei unterschiedlichen Figuren lassen sich mit der Geisterwelt ein und müssen letztlich einen erbitterten Kampf in der Unterwelt bestreiten.
Was „A Chinese Ghost Story“ so fesselnd und unterhaltsam macht, ist vor allem seine dichte Atmosphäre. Hier passt einfach alles zusammen: Die Elemente aus Märchen- und Kampfkunstfilm, versetzt mit Humor, Erotik und einer großen Portion Romantik harmonieren bestens. Ein schönes Beispiel für die Atmosphäre sind die Wölfe, die im Geisterwald, den der Film nie verlässt, ihr Unwesen treiben. Der Steuereintreiber wird vor diesen gewarnt und auch wenn die Wölfe nie im Bild auftauchen, sind sie zu jeder Zeit präsent. Die stimmige Musik der Hongkonger Star-Komponisten James Wong und Romeo Diaz trägt ebenso ihren Teil bei, wie die gekonnte Bildgestaltung in düsteren Blautönen und die aufregend choreographierten Kampfszenen. Diese wurden natürlich von Ching Siu-Tung persönlich in Szene gesetzt, der später mit seinen furiosen Kampfchoreografien für Matrix und Tiger und Dragon allgemeine Anerkennung erntete. In „A Chinese Ghost Story“ sind die Kämpfe immer auch mit Erotik und Phallussymbolen (etwa in Form einer riesigen Zunge, die unsere Helden umschlingen will) aufgeladen; wie es im Kino Hongkongs üblich ist, wird auch hier mit Sex nicht gerade schamhaft umgegangen und obwohl es keine Sexszenen im klassischen Sinn zu sehen gibt, ist der ganze Film erotisch aufgeladen.
Es sind die flatternden Kostüme und Schleier, die grazil durch die Luft wirbelnden Geister, die im Gedächtnis bleiben und von denen man nicht genug bekommen kann. Und diese Romantik! Denn mehr als alles andere ist „A Chinese Ghost Story“ ein zutiefst romantischer Film, eine Liebesgeschichte im Gewand eines Märchenfilms. Hierzu Tsui Hark in einem Interview der „Cahiers du Cinema“: „Die Spezialeffekte sollten sorgfältig dosiert und abgestimmt sein, in Beziehung stehen zur romantischen Grundhaltung. Die lebenden Toten auf dem Speicher etwa wirken weniger schrecklich, als sie hätten sein können. Wenn die Horrorelemente im Film ein Übergewicht bekommen hätten, wären wir am Thema unseres Film vorbeigegangen.“ Und so bildet „A Chinese Ghost Story“ aus den verschiedensten Genre-Elementen etwas ganz Eigenes, einen ungewöhnlichen, magischen Bilderrausch; ein Ereignis, das Hitchcocks stetige Forderung nach „purem Kino“, Film in Reinform, vorbildlich einlösen kann.
Seinerzeit wurde der Film mit etlichen Preisen ausgezeichnet und vor allem in Europa, am meisten selbstverständlich im cinephilen Frankreich, gefeiert. So wundert es nicht, dass die unglaublich schnell arbeitende Filmindustrie Hongkongs, die Trends innerhalb weniger Wochen umsetzt, Ende der Achtziger bis in die Neunziger hinein einen wahren Boom des Fantasy-Genres herbeiführte. Es gab nicht nur zwei (deutlich schwächere) Fortsetzungen, sondern unzählige andere Filme, die „A Chinese Ghost Story“ nacheifern wollten – das Studio „Golden Harvest“ startete sogar eine Reihe mit dem vielsagenden Titel „Erotic Ghost Story“. Allerdings konnte, wie so oft, keiner der Nachzügler den zeitlosen Charme von Ching Siu-Tungs Publikums- und Kritikerliebling entfalten (den man – nebenbei bemerkt – nach Möglichkeit im Original sehen sollte, um der traurigen deutschen Synchronisation zu entgehen). Wer das Kino liebt und „A Chinese Ghost Story“ noch nicht gesehen hat, sollte das schleunigst nachholen. Sicher gibt es Elemente, die den westlichen Betrachter irritieren können. Aber wer sich auf den eigentümlichen Sog des Films einlässt, wird mit ziemlicher Sicherheit nachhaltig beeindruckt sein.