"Stirb langsam" im Parkhaus
Von Lutz GranertParkhäuser sind in den allermeisten Fällen architektonisch öde Bauwerke, die mit ihrem grauen, dazu noch in künstlicher Neonröhrenlicht getauchten Beton optisch mal so gar nichts hergeben. Umso mehr beeindruckte vor einigen Jahren „Death Sentence – Todesurteil“ mit einer aufwändig choreographierten und gefilmten Plansequenz, die ausgerechnet in einem solch schmucklosen Funktionsbau angesiedelt war. In dem Rache-Reißer von „Aquaman“-Regisseur James Wan folgt die Kamera dem Filmhelden Kevin Bacon mehr als zwei Minuten lang ohne Schnitt auf seiner Flucht vor brutalen Gangstern über mehrere Parkdecks hinweg, sie kriecht mit ihm durch Absperrungen und Leitplanken, fährt schließlich zurück über das Geländer und über einen Kran einige Etagen nach unten, um nun plötzlich seine Verfolger weiter zu begleiten.
„The Courier – Tödlicher Auftrag“ spielt nun sogar den größten Teil seiner Laufzeit in einem grauen Londoner Parkhaus, aber filmtechnisch aufwändige Set Pieces á la „Death Sentence“ sucht man hier trotz eines ohnehin nur mehr oder wenig stringent durchgezogenen Echtzeit-Ansatzes vergebens. Dabei ist der triste Schauplatz noch das geringste Problem, mit dem der bereits von Kritikern zum US-Start in der Luft zerrissene Actionthriller von Regisseur und Co-Autor Zackary Adler („The Rise Of The Krays“) zu kämpfen hat. Neben einem logikbefreiten Plot enttäuscht bei dem an 18 Drehtagen schnell heruntergekurbelten Streifen vor allem ein genervt wirkender Gary Oldman („Die dunkelste Stunde“) in einer Nebenrolle.
Gary Oldman scheint wenig Lust zu haben.
Der Gangsterboss Ezekiel Mannings (Gary Oldman) ist wegen Mordes angeklagt. Zum Prozessauftakt wird der bedeutende Augenzeuge Nick Murch (Amit Shah) von einem Polizei-Team unter Leitung von Interpol-Agentin Simmonds (Alicia Agneson) in ein Hotelzimmer gebracht, wo er aus einer sicheren Umgebung zur Gerichtsverhandlung zugeschaltet und seine Aussage machen soll. Doch daraus wird nichts: Eine ahnungslose Kurierfahrerin (Olga Kurylenko) liefert einen merkwürdigen Koffer, aus dem bald Gas ausströmt und die Beamten außer Gefecht setzt. Als die wehrhafte Botin bemerkt, dass Simmonds ein doppeltes Spiel spielt, will sie mit Nick auf ihrem Motorrad fliehen. Doch Simmonds' Kollege Agent Bryant (William Mosley) und einige Handlanger verriegeln alle Ausgänge des Parkhauses…
Olga Kurylenko („James Bond 007 – Ein Quantum Trost“) fühlt sich sichtbar wohl, wenn sie mit einigen kessen Sprüchen auf den Lippen die Action-Heroin geben kann. Die blutigen Shoot-Outs und die schnell geschnittenen, brutalen Kampfszenen heben sich nicht durch ihre simple Choreographie, sondern vor allem durch das rohe Charisma des Ex-Bondgirls (die etwa den Scheibenwischer eines parkenden Fahrzeugs als Stichinstrument zweckentfremdet) von sonstiger Action-Massenware ab. Allerdings sollte man über die Hintergründe von Kurylenkos namenlos bleibender Figur am besten nicht allzu lange nachdenken. In einem ruhigen Moment offenbart sie Nick gegenüber in einer Schwarz-Weiß-Rückblende ihre Vergangenheit als Soldatin, die bei einem Einsatz im Syrienkrieg ihren Bruder verlor. Warum und wieso sie jetzt in London für einen dubiosen Auftraggeber Päckchen mit ihr unbekanntem Inhalt ausliefert, der einen nahezu haarsträubend zusammengeschusterten Plan zur Zeugenbeseitigung entworfen hat, wird damit aber auch nicht klarer.
Auch sonst strotzt das Drehbuch von „The Courier – Tödlicher Auftrag“, an dem neben Regisseur Zackary Adler noch drei weitere Autoren mitwerkelten, nur so vor Ungereimtheiten. Da droht ein gewaltiger, scheinbar nur für einen (!) Prozesstag angesetzter Mordprozess sofort eingestellt zu werden, weil der Zeuge nicht rechtzeitig zugeschaltet werden kann (schon mal was von Vertagung gehört?) und ansonsten offenbar ohnehin keinerlei Beweise vorliegen. Auch dass eine Handvoll körperlich robuster Bösewichte im Parkhaus trotz Kontrolle der Videoüberwachung die Kurierfahrerin und Nick nicht zu fassen kriegen und im Zweifel von der zierlichen Frau verprügelt werden, ist einfach nicht geschickt genug konstruiert und mutet deshalb schnell reichlich absurd an.
Olga Kurylenko in Action...
Unter diesen Voraussetzungen ist es auch nicht verwunderlich, dass Gary Oldman mit Augenklappe, Kratzer im Gesicht und einer Vorliebe für leidenschaftliche Opernarien wie die Karikatur eines Superschurken daherkommt, der sich in weiten Teilen seiner ohnehin geringen Screentime nach verordnetem Hausarrest in seiner Luxusbude langweilt. Der für seine Darstellung als Winston Churchill in „Die dunkelste Stunde“ oscarprämierte Charaktermime hadert spürbar mit der unfreiwillig komischen campyness seiner Figur – und liefert geradeheraus Schmierentheater ab. Entweder murmelt er distinguiert und unverständlich in seinen Bart, guckt die ihn bewachenden FBI-Agenten mit verächtlicher Miene grimmig an oder flucht ob des Unvermögens seiner Schergen cholerisch am Telefon, wozu er eine Philosophie vom ehemaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden zum Thema Jagd frei wiedergibt.
In seiner bemüht auf Tempo getrimmten Inszenierung ist Adler spürbar darum bemüht, trotz aller kugeldurchsiebter Autos so etwas wie inszenatorische Schadensbegrenzung zu betreiben. Er spielt mit dem Einsatz von Farbblenden, setzt auf wohldosierte Gore-Einlagen und gerade eine dem Film vorangestellte, ausweglos erscheinende Situation, auf die sich die Handlung dann zubewegt, sorgt für etwas Spannung – bevor eine finale absurde Wendung noch einmal die ganze Dümmlichkeit des Skripts nachdrücklich unterstreicht.
Fazit: Olga Kurylenko hinterlässt als Parkhaus-John-McClane einen starken Eindruck, während Gary Oldman eine der schlechtesten Performances seiner Karriere abliefert. Wer über das stumpfsinnige Skript von „The Courier“ hinwegsehen kann, bekommt zumindest ansehnliche Kampfszenen mit einigen blutigen Gewaltspitzen zu sehen.