Lasse Hallström ist nicht nur überdurchschnittlich talentiert, sondern auch ausgesprochen fleißig. Mit dem rau-herzlichen Drama „Schiffsmeldungen“ bringt der Schwede nun im dritten Jahr in Folge eine gediegene Literaturverfilmung an den Start. Nach seinen künstlerischen („Gottes Werk und Teufels Beitrag“) und kommerziellen („Chocolat“) Triumphen verpasst Hallström mit „Schiffsmeldungen“ zwar den dritten Hit in Serie. Das heißt aber nicht, dass die Verfilmung von E. Annie Proulxs Roman kein guter Film ist, aber bei der einzigartigen Ansammlung von Talent wäre noch mehr drin gewesen.
Quoyle (Kevin Spacey) ist ein Mann ohne einen Funken Selbstbewusstsein. Seine schlampige Frau Petal (Cate Blanchett) betrügt ihn vor seiner Nase und selbst seine kleine Tochter Bunny (Alyssa, Kaitlyn und Lauren Gainer) hält ihn für einen Loser. Als dann zunächst Quoyles Eltern sterben und wenig später seine Frau bei einem Autounfall ums Leben kommt, nimmt er die Chance auf Veränderung zögernd war. Seine Tante Agnis (Judi Dench) überredet Quoyle, mit an den Ort ihrer Vorfahren zu ziehen - nach Neufundland vor der Ostküste Kanadas. Die Menschen dort sind so rau wie die Landschaft, aber unter der derben Schale steckt zumeist ein weicher Kern. Schnell findet Quoyle einen Job als Reporter beim Lokalblatt, wo er für die Schiffsmeldungen zuständig ist. Dass er Drucker ist, spielt keine Rolle, er ist ein Quoyle und die haben auf Neufundland einen gewissen Ruf. Was es damit auf sich hat, muss er aber erst noch rausfinden. Überhaupt lauern unter der Oberfläche noch einige Geheimnisse, die er nach und nach enträtseln wird. Bei Kindergärtnerin Wavey (Julianne Moore) gibt sich Quoyle besondere Mühe, schon bei ihrer ersten Begegnung hat er sich in sie verliebt...
Nachdem Lasse Hallström seine Fertigkeit im Genre der Literaturverfilmung hinlänglich unter Beweis gestellt hat, durfte er für „Schiffsmeldungen“ aus dem Vollen schöpfen. Mit einer 1a-Besetzung und einem guten Drehbuch (von Robert Nelson Jacobs) im Rücken konnte nicht viel schief gehen. Geht es auch nicht. „Schiffsmeldungen“ ist exakt gespielt, witzig und dramatisch, tragisch und komisch zugleich. Das einzige Manko: Der letzte Funke will einfach nicht zum Publikum überspringen. Die Probleme, die von menschlicher Selbstfindung und Vater-Sohn-Konflikten bis zum Inzest reichen, bieten genügend dramatisches Potenzial, das aber nicht voll ausgenutzt wird. Hallströms Inszenierung bleibt immer knapp unter der Oberfläche, interessiert sich vielmehr für Quoyles Wandlung. Die Konflikte bleiben stets im Hintergrund verborgen, werden nur am Rande angerissen, bis sie kurz vor Ende dann doch noch ausbrechen. Das reicht dann aber nicht mehr, um „Schiffsmeldungen“ in die meisterhaften Sphären seiner Vorgänger zu hieven.
Die erlesene Darstellerriege kann mit grundsoliden, sympathischen Leistungen aufwarten. Dabei wird es dem zweifachen Oscar-Preisträger Kevin Spacey („Die üblichen Verdächtigen“, American Beauty“) besonders schwer gemacht. Er muss sich sehr zurücknehmen, darf nur mit minimalen, sparsamen Gesten agieren, um seinen Quoyle adäquat vom Roman auf die Leinwand zu bringen. Natürlich meistert der Charakter-Titan, wahrscheinlich der beste Schauspieler seiner Generation, die Aufgaben mit Bravour. Cate Blanchett fügt ihren schier unerschöpflichen Facetten eine weitere hinzu, Judi Dench und Julianne Moore sind gut wie immer und auch die Akteure in den Nebenrollen - von Scott Glenn und Jason Behr bis Rhys Ifans und Pete Postlethwaite - überzeugen, sodass „Schiffsmeldungen“ formal nichts vorzuwerfen ist.
Die schon kritisierte überschaubar gehaltene Emotionalität hat aber wenigstens den Vorteil, dass der Film gänzlich auf Pathos verzichtet. Das ist doch auch schon etwas. Einen Trumpf hat „Schiffsmeldungen“ noch im Ärmel - den heimlichen Hauptdarsteller des Films: die schroffe, nur scheinbar unwirtliche Landschaft Neufundlands. Von Kameramann Oliver Stapleton („Gottes Werk und Teufels Beitrag“) in wunderschöne Bilder gefangen ist diese Kulisse einfach eine Augenweide.