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    The Trouble With Being Born
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    The Trouble With Being Born

    Der abgründigere "A.I."

    Von Lucas Barwenczik

    Auch Jahrzehnte von Science-Fiction-Literatur und -Kino konnten nicht die Frage beantworten, ob Androiden nun von elektrischen Schafen träumen oder nicht. Aber Sandra WollnersThe Trouble With Being Born” verschafft uns nun zumindest eine Vorstellung davon, wie es in ihren Alpträumen aussehen könnte. Das düstere Drama, angereichert mit Versatzstücken aus Horror und Sci-Fi, wirkt wie eine warnende Botschaft aus einer falsch programmierten Simulationswelt, wie eine weitergedachte und deshalb abgründigere Version von Steven Spielbergs „A.I. – Künstliche Intelligenz“. Flackernd, elektrisch, verstörend. Ein Streusignal, nicht ganz einfach zu entschlüsseln. Mit ihrem zweiten Spielfilm findet die österreichische Regisseurin einen neuen Rahmen für Themen, die schon in ihrem starken Debüt „Das unmögliche Bild“ anklangen: Das Sehen und das Sichtbarmachen. Geheimnisse und Erinnerungen, Verdrängtes und Verlorenes, schwierige Familiengeschichten.

    Elli (Lena Watson) nennt Georg (Dominik Warta) ihren Vater, doch eigentlich ist sie nur ein Sexroboter mit den Erinnerungen seiner Tochter. Sie durchleben warme Sommertage, sie schwimmen und sonnen sich. Er schläft mit ihr. Ob er das auch schon mit seiner Tochter getan hat, oder ob erst die Abstraktion des Androiden das erlaubt, ist nicht klar. Die alte, echte Elli ist verschwunden, womöglich tot. Und auch die neue Tochter ziehen unsichtbare Kräfte und Stimmen fort von Georg, in die Dunkelheit des Waldes. Sie wird bald mehr darüber erfahren, wer sie ist - und wer sie sein könnte…

    Elli ist Tochterersatz und Sexroboter in einem.

    Man erkennt schon an Ellis Gesicht, dass etwas nicht stimmt. Es ist einfach zu glatt, wie von einer menschengroßen Puppe. Befreit von den kleinen Unreinheiten und Imperfektionen, mit denen das Leben den Menschen zeichnet. Die Bilder um sie herum sind nicht anders. Der Film beginnt mit einem traumhaften Sommertag von unwirklicher Schönheit, der man instinktiv misstraut. Wie Ellis makelloses Antlitz provoziert diese Idylle prüfende Blicke. Das Drama beginnt an der Oberfläche der Wahrnehmung – und gräbt sich dann in schwarze Abgründe hinab.

    Schnell wird deutlich, dass Georg nicht nur über Ellis Gegenwart verfügt. Selbst ihre Vergangenheit kann er bestimmen, indem er ihr Momente eines angeblichen früheren Lebens einflüstert. Der Film passt sich dieser Vorstellung von Erinnerung an: Auch er wirkt verformt und verfremdet, als hätte jemand im Nachhinein seine Struktur verändert. Kein Ereignis wird wie ein Film in uns gespeichert, wir erinnern uns vielmehr an unsere letzte Erinnerung. Eine Partie stille Post in unserem Kopf. Es entsteht nie eine klassisch schlüssige und klare Erzählung. Die Ereignisse wabern durcheinander, Handlungsstränge wiederholen sich oder verlaufen im Nichts. Ein widerspenstiger Film. Offensichtlich meint „The Trouble With Being Born“ mit seiner Geschichte nie nur Androiden, sondern immer auch Menschen. Nicht nur Maschinen werden Erinnerungen eingeimpft, nicht nur bei ihnen ist die Vergangenheit oftmals eine Konstruktion. Man denke nur an die Kriegsgeneration – konnte man den Berichten von Großeltern und Urgroßeltern wirklich glauben? Konnten sie es selbst?

    "Black Mirror" aus der Alpenrepublik

    Identitäten werden gebrochen und miteinander vermengt. Weil Elli neue Erinnerungen erhalten kann, ist sie auch in der Lage, eine andere Person zu werden. Ungefähr nach der Hälfte der Handlung wird sie zu dem kleinen Jungen Emil. Das neue Gesicht gibt es im Supermarkt. Genau wie Elli ist er nur die annähernde Reproduktion eines bestehenden Menschen. Doch der tatsächliche Emil starb vor Jahrzehnten im Krieg. Jetzt tröstet die Androiden-Version seine Schwester, die längst im Rentenalter ist.

    Natürlich stehen hier genretypische Fragen im Raum. Was trennt Mensch und Maschine, was verbindet sie, wie viel davon ist Prägung und Erfahrung? Ist der Mensch nur eine Sammlung von angeborenen Mustern, ist er also selbst biochemisch programmiert? Oder ist da mehr, eine Seele, ein humaner Überschuss? „Blade Runner“ klingt an, Philip K. Dick im Allgemeinen. Man denkt an „Black Mirror“ mit österreichischem Akzent. Nur mit einem größeren Willen zu verwirren und zu verstören. Eine Irritation, die vor allem der verschrobenen Form entspringt. Diese Struktur, die den Zuschauer immer wieder vom einfachen Aufnehmen des Plots wegstößt, verbunden mit dezenten Schocks und Ekel.

    Trügerische Sommerromantik.

    Regisseurin Sandra Wollner erklärte im Vorfeld, es handele sich bei dem Film um eine Art „Anti-Pinocchio“. Und tatsächlich kann man sich vorstellen, dass dieses denkende, fühlende Wesen lieber eine reine Maschine wäre. Befreit von aller Empathie und vor allem von der Fähigkeit, Schmerz und Trauer zu empfinden. Gerade in der Darstellung der Übergriffigkeit gegenüber dem kindlichen Körper bekommt der Film etwas Unerträgliches. Er ist dabei dezent genug, um sich gegen Vorwürfe wie stumpfe Provokation oder Voyeurismus zu schützen, aber explizit genug, um wirklich unangenehm zu werden. Erschreckend ist, wie das Menschliche dabei mechanisch wird. Einmal hockt Elli da, in ihrem Schritt fehlt ein Stück der äußeren Hülle. Im Hintergrund hören und sehen wir Georg etwas abspülen. Etwas Menschenartiges wird zerlegt, wird auf seine mechanischen Genitalien reduziert. Körperhorror.

    Im Moment des Sehens ist Wollners Film ein wenig verworren und gleitet etwas zu glatt an unseren aufmerksamen Augen vorbei. Es wird zu viel gesucht und zu wenig gefunden. Selbstverliebt arthousig starrt man ins Nichts, stellt Fragen aber gibt keine Antworten. Halb, weil man zum Denken animieren will. Halb, weil man die Antworten eben nicht kennt. Oder sich nicht festlegen will. Das Ergebnis ist ein großes Erinnerungs-Puzzle, das nie ganz zusammenpassen will. Erst mit etwas Abstand setzt es sich wirklich zusammen, wenn „The Trouble With Being Born“ schon ein wenig zurück liegt. Man denkt wieder an seine Bilder, an die bedrückende Stimmung und diese fremde, ferne Welt, in der wir aber irgendwie auch leben. Ein Film, wie programmiert, der auch seinen Zuschauer programmiert. So muss es sein, eine Erinnerung eingepflanzt zu bekommen, die nicht zu uns gehört, aber sich bald so anfühlt. So wie dieser Film.

    Fazit: Nachdenkliches und melancholisches Arthouse-Sci-Fi-Kino. Ein eindrucksvolles Zweitwerk, dem stellenweise noch der letzte Schliff und das letzte Quäntchen Entschlossenheit abgeht.

    Wir haben „The Trouble With Being Born“ im Rahmen der Berlinale gesehen, wo er in der Sektion Encounters gezeigt wurde.

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