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    Rocca verändert die Welt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Rocca verändert die Welt

    Die Hamburger Pippi Langstrumpf

    Von Christoph Petersen

    Gleich in der allerersten Szene landet eine Elfjährige – etwas wacklig, aber am Ende sicher – einen A-380 auf dem Hamburger Flughafen. Nach diesem wunderbar launigen Auftakt sollte es eigentlich nur zwei Möglichkeiten geben, wie es von hier aus weitergeht: Entweder wacht das Mädchen im nächsten Moment aus einem Traum auf oder es geht im weiteren Film nur noch steil bergab – denn wie zum Teufel soll man die Landung der größten Passagiermaschine des Planeten durch eine Schülerin anschließend noch toppen?

    Aber Pustekuchen! Die für ihren Kurzfilm „Watu Wote: All Of Us“ oscarnominierte Regisseurin Katja Benrath tritt mit ihrem Langfilmdebüt „Rocca verändert das Leben“ nämlich den eindrucksvollen Gegenbeweis an: Nicht nur landet die ebenso selbstbewusste wie patente Titelheldin tatsächlich einen A-380, nachdem die gesamte Crew mit einer Fischvergiftung ausgefallen ist. Das erfrischend-freche wie ehrlich-berührende Familien-Abenteuer sinkt auch in den folgenden eineinhalb Stunden nie ab, sondern rührt mit seinem mutmachenden Optimismus zu Tränen, wenn man sich nicht gerade über Roccas unverblümt-direkte Art im Umgang mit den vermeintlichen Autoritäten um sie herum schlapplacht.

    Nicht nur das Einparken ist für Rocca ein Kinderspiel.

    Weil ihre Mutter schon bei ihrer Geburt gestorben und ihr Astronauten-Vater (Volker Bruch) zu seinem mehrmonatigen Dienst auf der Internationalen Raumstation ISS ins All aufgebrochen ist, fliegt die auf einer Raketenbasis in der kasachischen Wüste aufgewachsene Rocca (Luna Maxeiner) nach Hamburg, um dort eine Zeitlang bei ihrer Großmutter Dodo (Barbara Sukowa) zu leben. Aber nach einem Eichhörnchen-Zwischenfall landet diese im Krankenhaus – und Rocca mischt mit ihrer unbedarft-zupackenden Art nicht nur ihre neue Schule, sondern auch das Leben des obdachlosen Flaschensammlers Caspar (Fahri Yardım) ganz gewaltig auf...

    Selbst wenn sie kein Pferd über ihren Kopf heben kann, liegen die Parallelen zu Astrid Lindgrens Kinderbuch-Kultfigur Pippi Langstrumpf doch auf der Hand - und damit meinen wir nicht nur die zwei Nachbarskinder, die zwar anders heißen, aber sofort an Tommy und Annika erinnern. Auch mit einem Astronauten statt einem Piratenkapitän als Vater hat Rocca in ihrem jungen Leben nämlich schon jede Menge wirklich nützliche Dinge gelernt, nur eben nicht die üblichen zivilisatorischen Regeln: Wenn sie nun mal ein Taxi besser einparken kann als alle anwesenden Erwachsenen, warum sollte sie es dann nicht einfach tun? Schließlich hat sie ja auch gerade erst 180 Menschen mit ihrer selbstbewussten Notlandung das Leben gerettet. Und dann kann man auch den Schuldirektor (Michael Maertens) ruhig duzen. Augenhöhe und so.

    Gar nicht abgehoben

    Auf Augenhöhe begegnet Rocca auch dem in ihrer Straße flaschensammelnden Caspar, wobei sie das Konzept „Obdachlosigkeit“ zunächst gar nicht durchschaut - ähnlich wie Pippi damals den Begriff „Einbrechen“ zunächst nicht begriffen hat, weil ihr die Idee eines Menschen, der einem anderen schaden will, einfach so fremd ist. Gerade da „Rocca verändert die Welt“ nicht auf dem märchenhaften schwedischen Land, sondern im ganz realen Hamburger Großstadttrubel spielt, hätte dieses Maß an herzensguter Naivität auch leicht platt und weltfremd wirken können. Zumal dann auch noch Schulmobbing und YouTube-Influencer ins Spiel kommen – zwei Themen, an denen sich schon etliche deutsche Kinderfilme verhoben haben.

    Aber das verhindert schon Newcomerin Luna Marie Maxeiner, die den unendlichen Optimismus ihrer Figur mit einer solch mitreißenden Selbstverständlichkeit (und einer gesunden Portion kecker Frechheit) porträtiert, dass er nie zuckrig rüberkommt. Ganz im Gegenteil: Es lässt sich kaum verhindern, sich von ihrer guten Laune und ihrer anpackenden Unkompliziertheit anstecken zu lassen. Und auch die erwachsenen Schauspieler haben mehr beizutragen als ihren Namen für das Plakat und einen Auftritt auf dem roten Teppich: Detlev Buck eröffnet den konsequent spaßmachenden Schauspielerreigen als taxifahrendes Muttersöhnchen und Fahri Yardım begeistert als Flaschensammler mit seiner ihm eigenen trockenen Bodenständigkeit. Selbst wenn es bei seiner Figur auf der Zielgeraden noch einen Twist gibt, der so nicht Not getan hätte, gerade weil er den inklusiven Geist des Films ein Stück weit untergräbt.

    Schluss mit klebrigem Honig

    Das Drehbuch stammt übrigens von Hilly Martinek, die neben einer Reihe von TV-Arbeiten bisher nur gemeinsam mit Til Schweiger das Skript zu dem Megaerfolg „Honig im Kopf“ verfasst hat. Aber zum Glück hat Martinek das Zuckrig-Berechnende ihres Kinodebüts inzwischen hinter sich gelassen und durch eine gesunde Portion Wahnsinn ersetzt – nur den Hang zum hemmungslosen Überladen der Story hat sie noch nicht gänzlich abgeschüttelt:

    Wir hätten nach dem Kinobesuch darauf gewettet, dass der Film auf einer Buchvorlage basiert, einfach weil es so unfassbar viele Nebenfiguren gibt, deren Existenz sich nur sinnvoll damit erklären lässt, dass sie eben aus einer Vorlage übernommen wurden. Aber dem ist nicht so, die Geschichte ist tatsächlich ein Leinwand-Original. Ein wenig mehr Kompaktheit hätte „Rocca verändert die Welt“ womöglich noch besser gemacht. Auf der anderen Seite passt so eine gewisse Unaufgeräumtheit aber auch wieder ganz gut zur ansteckenden Unangepasstheit der Titelheldin.

    Fazit: Zum Heulen schön – und verdammt spaßig noch dazu! Von Rocca lässt man sich nur allzu gern dazu ermuntern, einfach mal mit anzupacken und so vielleicht die Welt zum Besseren zu verändern.

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