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Anonymer User
3,0
Veröffentlicht am 7. Mai 2024
Ein typischer Helmer. Der kann aus einer Idee einem ganzen abendfüllenden Film machen. Und hier jetzt auch noch ohne Worte. Viele nette Ideen eignen sich zum chillen nach einem harten Arbeitstag, wenn man sich auf den Film einlassen kann. Der Lokführer Nurlan (Miki Manojlovic) fährt mit seinem Zug durch einen Ort in Georgien, in dem die Häuser ganz dicht an den Gleisen stehen. Der kleine Aziz (Ismail Quluzade) läuft als Warnung mit einer Trillerpfeife vor dem einfahrenden Zug her. Die Anwohner machen dann für einen Moment die Gleise frei, räumen Teegläser und Brettspiele weg. Nurlan reißt mit seiner Lok einen BH von der Leine. Er glaubt er gehört seiner großen Liebe und macht sich auf die Suche nach ihr. Zwischen Anproben, inklusive Ablehnungen, weil keiner passt, wird er von Ehemännern verfolgt. Er macht sich sogar in einer mobilen Mammographie Station heimisch. Manche Frauen versuchen über den BH an Nurlan näher heranzukommen. Nicht einmal die ebenfalls einsame Stellwerk Leiterin hat Erfolg. Bleibt ihm nur der kleine Aziz, der in einer Hundehütte am Gleis wohnt. Die fehlenden Dialoge erschrecken etwas und beweisen, wie sehr der Mensch von der Sprache abhängig ist. Zum entspannenden Schmunzeln entführt uns der Film in eine andere Welt.
Irgendwo in Georgien – oder in Aserbaidschan? Das ist für Veit Helmers aktuellen Film nicht wirklich relevant. Relevant ist das Anderswo, das Irgendwo, ohne näher definiert zu sein. Relevant ist die andere, entrückte Welt, die einem aufstrebenden Westen so konträr zu sein scheint, sich so entschleunigt und fremdartig gibt, als wäre man auf einem anderen Stern. Was die seltsam isolierte, aber andererseits auch wieder in weitläufigen Graslandschaften eingefangene Freiheit gleichzeitig billigt und bändigt, ist die grüne E-Lok, ein Relikt aus vergangenen Zeiten, sorgsam gehegt und gepflegt, da kann sich Lukas, der Lokomotivführer sogar noch ein Stückchen abschneiden. Lokführer Nurlan pendelt hier täglich von A nach B, nächtigt entweder in der Remise oder in seinem Heimatdorf in den Bergen, in einem schmucklosen Steinziegelwürfel mit abblätternder Holztür. Das Leben könnte idyllischer und bescheidener ja fast schon nicht mehr sein, ganz so wie in Michael Endes Lummerland, dieser entrückten Insel mit den wenigen, schlafwandlerischen Figuren, die einem Uhrwerk ähnlich tagtäglich das Gleiche tun. Lokführer Nurlan könnte da gut ins Gesellschaftsbild passen. Andererseits aber ist er auch ein Störenfried, aber was soll er denn sonst tun, wenn die Lok quer durch das namenlose Städtchen führt, und auf dessen Gleisen sich das Volk tagsüber breit macht, Tee trinkt, Brettspiele spielt oder Wäscheleinen spannt. Ein Glück, dass der kleine Waisenjunge, der in einer Hundehütte wohnt und im einzigen Hotel der Stadt aushilft, stets weiß, wann der Zug anrollt, und trillerpfeifend die Gleise entlangläuft. Manchmal aber ist der Zug schneller als die im Alltagstrott versponnenen Bürger, und so manches Wäschestück bleibt wie eine textile Opfergabe zwischen dem Zugdreieck hängen. So wie der blaue Spitzen-BH einer unbekannten Dame, deren Identität Lokführer Nurlan unbedingt herausfinden will, aus Liebe zu einem ungreifbaren, magischen Moment flüchtiger Begegnung.
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