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Anonymer User
3,5
Veröffentlicht am 16. November 2020
Geträumtes Glück. Ein ungewöhnlicher Film, der die Perspektiven wechselt wie andere Leute die Hemden. Will sagen: die Handlung beginnt in der Realität, in dem kleinen Dorf Inviolata. Die Leute leben noch fast wie Leibeigene auf der Tabakplantage der Marchesa de Luna (Nicoletta-Benigni-Braschi). Hier ist Lazzaro (Adriano Tardiolo), ein von allen geachteter junger Mann: lieb, fleißig aber etwas schlicht. Er freundet sich mit Tancredi (Luca Chikovani) an, dem Sohn der Marchesa und versteckt ihn an einem geheimen Ort, den nur er kennt. Kurz darauf stürzt Lazzaro in eine tiefe Schlucht – und überlebt… (das Lazarus – Phänomen!) Jetzt geht es in einen Zwischenbereich, also mit einem Bein in der Realität und mit dem anderen im Märchen: ein Wolf findet Lazzaro. Die Dorfbevölkerung samt Marchesa wird umgesiedelt, Lazzaro trifft in der leeren Villa auf Einbrecher. Die bringen ihn zu seinen Leuten und die glauben an ein Wunder, als sie ihn lebend sehen. Auch Tancredi taucht wieder auf und lädt alle ein. Ein Fake! Die Gemeinschaft will jetzt nach Inviolata zurück, Lazzaro geht allein in eine Bank, um Tancredi sein Geld zu beschaffen. Jetzt geht es wieder ins Märchenland. Sphärische Klänge erklingen aus einer Kirche, Lazzaro wird von den Bankkunden verprügelt, ein Hauch von Gesellschaftskritik umweht den Plot. Der Feudalismus scheint überwunden zu sein. Aber ist der Kapitalismus besser? Vielleicht hat ja auch David Bennent recht, der bei seinem Cameo Lazzaro und Tancredi als ‘Parodie‘ bezeichnet, wenn Lazzaro zum Geheul der Wölfe Dudelsack spielt. Von der Dorfgemeinschaft sieht man nichts mehr, nur der Wolf läuft am Verkehrsstau entlang auf Land…Bleibt die Frage, ob Lazzaro wirklich glücklich ist? Typischer Festival Film, in dem der Charme der Akteure und das authentische Ambiente den Zuschauer von der Realität ins Land der Träume und wieder zurück entführen.
Da steht er und lächelt, umgeben von Bäumen, im Hintergrund die Stadt, und ein Wolf zu seinen Füßen. Das Plakat zu Alice Rohrwachers Film ist ein Gemälde, naiver oder phantastischer Realismus, doch für letzteres wäre es zu real, einzig der Wolf sollte hier nicht sein. Und auch Lazzaro, der abgebildet ist, sollte nicht hier sein, denn er scheint wie eine Gestalt aus längst vergangenen Zeiten. Wie eine Ikone, ein Heiligenbild, etwas völlig entrücktes. Lazzaro existiert gar nicht wirklich, er ist ein Mythos, ein Mysterium – oder doch nicht? Das zu ergründen ist ein Versuch, der sich letzten Endes lohnt, denn Glücklich wie Lazzaro zählt zu den außergewöhnlichsten Werken der letzten Zeit, ein humanistisches Märchen von den Hierarchien unserer Gesellschaft.
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