Wenn ein Buch erfolgreich ist, dann ist es in der Regel nur eine Frage der Zeit, bis jemand daherkommt und es verfilmt. „Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums“ ist ein lustiges, mal nachdenkliches, mal ironisches, und insgesamt gerade richtig verdrehtes Kinderbuch des Autors Salah Naoura, das zu Recht mit dem Peter-Härtling-Preis ausgezeichnet wurde. Es geht darin um kleine und große Lügen, um einen großen und einen kleinen Bruder und darum, dass Erwachsene jede Menge Fehler und Probleme und rein gar nichts im Griff haben. Jetzt hat Regisseur Stefan Westerwelle („Lose Your Head“) auf der Grundlage des genau richtig verdrehten Buchs einen gleichnamigen Film gedreht, der trotz erkennbarer guter Absicht vom Esprit der Vorlage fast so weit entfernt ist wie Deutschland von Finnland. Das Land der tausend Seen wiederum wird immerhin mit etlichen schönen Naturaufnahmen ins rechte Licht gerückt.
Der zwölfjährige Matti (Mikke Rasch) und sein kleiner Bruder Sami (Nick Holaschke) sind schwer enttäuscht und richtig sauer: In der Zeitung hatte gestanden, dass der Delphin aus dem Zoo in den Ententeich im Park umziehen soll. Aber dann war das ein blöder Aprilscherz gewesen, nichts weiter als ein ganz gemeiner Schwindel! Und es kommt noch schlimmer: Als Onkel Jussi aus Finnland zu Besuch kommt, prahlt der Vater (Tommi Korpela) vor seinem Bruder mit einem angeblichen neuen Job in der Schweiz und einem Haus am See, in das sie alle umziehen werden. Als Matti erfährt, dass auch das nur eine dumme Schwindelei gewesen ist, hat er es schon überall herumerzählt. Total peinlich! Aber da Matti sich sehnlichst wünscht, endlich einmal nach Finnland zu fahren, wo der Vater nämlich herkommt, beschließt er, selbst dafür zu sorgen, dass die Familie doch noch ein Haus am See bekommt. Mit aus der Haushaltskasse geborgtem Geld nimmt er an einer Lotterie teil. Außerdem besorgt er dem Vater in aller Heimlichkeit eine Hausmeisterstelle in Finnland und tut gleichzeitig so, als hätte er das Haus gewonnen. Beschwingt macht die Familie sich auf ins Land der Finnen…
Schon in der Handlung ist so viel Unwahrscheinliches enthalten, dass von vornherein klar sein muss, dass die Geschichte von Matti und Sami mit den Mitteln des herkömmlichen Alltagsrealismus nicht zu erzählen ist. Und so ist man denn auch in der Verfilmung nach Kräften bemüht, das Quäntchen Verdrehtsein, das im Buch enthalten ist, mit cineastischen Mitteln einzufangen. Während die Kindern ganz normal agieren dürfen, sind deshalb alle Erwachsenen leicht neben der Spur angelegt: die Mutter ein verhärmtes, gestresstes Weibchen, der Vater ein wortkarger, leicht aufbrausender Dickkopf, die finnischen Verwandten ein Pärchen von lachlustigen, überlauten Wonneproppen. Auch weitere Nebenfiguren sind komödienkonform ausstaffiert und ausgesteuert, wirken dabei aber merkwürdig aus der Zeit gefallen, so als habe man Personal aus einer Heinz-Rühmann-Komödie der 50er Jahre versehentlich in einem aktuellen deutschen Kinderfilm ausgesetzt.
So könnte etwa die buntgefederte Transe, die Mattis Onkel in einer Szene im Taxi kutschiert, direkt dem Schwank „Charleys Tante“ entsprungen sein. Die Klassenlehrerin wiederum gibt derart vorgestrig die gestrenge Paukerin, dass man sich fast in die „Feuerzangenbowle“ zurückversetzt meint. Aber die sicheren Lacher von vorgestern sind heute halt keine mehr. Und eine komödiantische Absicht steht ihrer Erfüllung selbst im Weg, wenn sie sich allzu sehr in den Vordergrund schiebt: Alles wirkt hier enorm gewollt, irgendjemand scheint die ganze Zeit nach Leibeskräften an der großen Komödienmaschine zu kurbeln; aber gerade weil dafür so viel Kraftaufwendung nötig ist, bleibt die Leichtigkeit auf der Strecke. Es ist so, als liefe die Maschine die ganze Zeit im falschen Gang, sodass man den Motor im Hintergrund mühsam knattern hört. Und das mag man nicht hören.
Fazit: "Matti und Sami und die drei größten Fehler des Universums" ist die durchschnittliche Verfilmung eines überdurchschnittlich guten Kinderbuchs.