Sequels, Prequels und Remakes gelten nicht erst seit diesem Jahr als Garant für gute Einspielergebnisse. Ist ein Streifen erfolgreich gewesen, stellt sich fast schon reflexartig die Frage, ob man ihn zu einem Franchise ausbauen kann. Das hatte man schon in den 1970er Jahren drauf. Damals definierte „Shaft“ ein neues Genre, den sogenannten Blaxploitation-Film. Die afro-amerikanische Bevölkerungsschicht (damals durfte man noch von Farbigen, Schwarzen oder Negern reden, ohne geteert und gefedert zu werden) war von den Filmstudios als zahlungskräftige Kinokundschaft entdeckt worden. Der Film zeigte einen schwarzen, unangepassten Privatdetektiv, der sich von niemandem die Butter vom Brot nehmen ließ, sei es von seinen Brüdern, der Polizei oder von Mobstern. Schon gar nicht von Weißen. Black and proud, yessir. Das wollte man damals sehen (und zwar nicht nur die Schwarzen). Der Originalfilm wurde zu einer Goldgrube und zog mehrere Fortsetzungen nach sich („Shaft – Liebesgrüße aus Pistolen“ und „Shaft in Afrika“) sowie eine halbgare und kurzlebige TV-Serie. Dann war die Originalidee ausgepresst wie eine alte Zitrone. „Shaft“ wanderte zu den Akten. Nur der oscarprämierte Titelsong von Isaac Hayes hielt sich hartnäckig in den Ohren vieler. Ende der 1990er hatte sich aber ein ganz besonderer Schauspieler einen Namen gemacht. Er wirkte in seinen Rollen wie ein legitimer Nachfahre des Detektivs: cool, durchsetzungsstark und unangepasst. Und er war schwarz. Mit dem schauspielerischen Erfolg Samuel L. Jacksons (Pulp Fiction) kam dann fast zwangsläufig die Idee auf, ihn in der legendären Rolle Shafts auftreten zu lassen. Also: Who is the private dick, that´s a sex machine to all the chicks?
John Shaft (Samuel L. Jackson) ist Beamter der New Yorker Polizei mit einer Vorliebe für extravagante Kleidung. Sein neuester Fall hat es in sich. Auf offener Straße wurde ein Schwarzer aus offenbar rassistischen Motiven zu Tode geprügelt. Ein Verdächtiger ist schnell ausgemacht: der junge (selbstverständlich weiße) Schnösel Walter Wade Jr. (Christian Bale). Der Fall scheint schnell geklärt, doch das liberale Rechtssystem ermöglicht dem Tunichtgut, sich mit Daddys Geld aus dem Gefängnis freizukaufen und in die Schweiz abzuhauen. Shaft findet das natürlich alles andere als akzeptabel. Aber so sind die Regeln nun mal. Außerdem ist die einzige Zeugin des Mordes verschwunden, ohne Zweifel aus Angst um ihr Leben. In der Zeit der Abwesenheit des Mörders legt sich Shaft mit dem lokalen Drogenbaron Peoples (Jeffrey Wright) an. Gerade als er diesen unter einer fadenscheinigen Begründung eingebuchtet hat, kehrt auch Wade Jr. aus seinem Exil zurück. Von Shaft noch auf dem Flughaften festgenommen, treffen Peoples und Wade im Polizeiarrest aufeinander. Beide erkennen, dass sie sich auf die eine oder andere Weise helfen können. Eine unheilige Allianz findet ihren Anfang. Als Wade dann abermals auf Kaution frei gelassen wird, platzt Shaft der Kragen. Wütend wirft er dem Richter seine Polizeimarke um die Ohren. Dann eben nach anderen Regeln. Seinen Regeln. Noch Fragen?
Dass man Samuel L. Jackson als Shaft zeigen wollte, war den Verantwortlichen sonnenklar, nur wie, das war die Frage. Sollten die Originalfilme ignoriert werden und man die Figur völlig neu aufbauen? Oder sollte man Shaft als Sohn des Original-Shaft auftreten lassen? Letzteres wurde favorisiert. Kontinuität ist eben besser als Originalität. Und Richard Roundtree stand für ein (ganz sicher gut bezahltes) Cameo zur Verfügung. Bald zeigte sich allerdings ein Problem: Jackson war zu alt, um als Roundtrees Sohn durchzugehen. Also machte man daraus eine Onkel-Neffe-Beziehung, was zwar nicht schadet, aber keinen Sonderpreis für originelles Denken wert ist. Und ob die Gastauftritte Roundtrees dem Film wirklich helfen, muss auch bezweifelt werden. Denn wenn der alte Kerl sein Ding durchzieht, zeigt er mehr Coolness als Jackson in seinen besten Zeiten, auch ohne Knarrengefuchtel und Knockouts.
Der Film ist im Großen und Ganzen okay und passable Unterhaltung, aber der neue „Shaft“ vergibt trotzdem zu viele Chancen, um ein echter Hit zu sein, denn die Kritikliste ist recht ergiebig. Aber diese Mängel sind im Vergleich zu den Stärken im Bereich des Entertainments nicht über zu bewerten – sie verhindern lediglich, dass „Shaft“ auf allen Ebenen überzeugt. Der Originalfilm bezog seine Faszination aus dem Charakter des Shaft. Dieser stand außerhalb des Systems, konnte ebenso gut austeilen wie einstecken und war für die Ladies unwiderstehlich (wenn auch ein reinrassiger Macho, schon klar). Das gilt für seinen Neffen nicht. Der steckt für einen Großteil des Films im Korsett des Staatsdienstes, auch wenn er zuweilen die Regeln biegt. Jacksons Shaft ist kein einsamer Wolf, sondern ein Herdentier, das seinen Platz noch nicht gefunden hat. Und als es dann endlich so weit ist, dass er den Job hinschmeißt, macht er eigentlich genauso weiter wie vorher. Statt nun direkt auf die Gegner loszugehen und die Sache unter Männern auszumachen, wird weiter nach der verschwundenen Zeugin gesucht, um den Ausgangsmord zu beweisen. Sogar seine ehemaligen Kollegen halten zu ihm (bis auf die korrupten natürlich). Der Austritt aus dem Staatsdienst verkommt damit zur Pose ohne Auswirkungen auf die Geschichte.
Ein weiterer Schwachpunkt ist die viel zu konventionelle Story des Films. Es handelt sich um eine normale Kriminalgeschichte, die schwach konzipiert ist und nicht mit guten Schurken aufwartet. Christian Bale (Batman Begins, Todeszug nach Yuma, Rescue Dawn) ist als junger Choleriker viel zu alt und zurückgenommen, um glaubwürdig zu sein. Und Jeffrey Wright (Casino Royale) kommt als Drogenzar auch nicht gerade zwingend rüber, wird er über weite Strecken der Handlung als zu kurz geratener Lächerling mit Minderwertigkeitskomplex präsentiert. Wenn sich am Ende Shaft und Peoples gegenüber stehen („mano-a-mano“, wie es Shaft vollmundig verkündet), hat man mit Peoples fast schon Mitleid. Was hätte der alte Shaft mit den beiden Fieslingen wohl gemacht? Der Film wäre nach einer Viertelstunde zu Ende gewesen, klare Sache.
Das Original bezog seinen Reiz unter anderem daraus, dass Shaft den anderen überlegen war - insbesondere den Weißen -, ohne überheblich zu wirken. Dort gab es eine kleine, für den Film eigentlich ganz unwichtige Szene, in der Shaft einen Kaffee trinken geht. Nicht genug, dass er von einer Weißen bedient wird, die ist noch dazu entweder zu debil oder bekifft, um ihren Job richtig zu machen. Hier der schwarze Profi, dort das Gegenteil. Solche Szenen müssen damals Balsam auf die schwarze Seele gewesen sein. Derlei ironische Kommentare sind im Update nicht enthalten. Der neue Film vergibt die Chance zu zeigen, was die Brüder besser können. Selbst unten rum passiert nicht viel, von einem anzüglichen Dialog in einer Bar mal abgesehen. Stattdessen stellt man dem Titelhelden die ehemalige Miss America, Vanessa Williams, zur Seite, ohne dass etwas passieren darf (genau wie in Eraser). Da war „Onkel John“ von einem ganz anderen Kaliber. Die schnuckelige Kollegin wäre von ihm zwischen zwei Leichen vernascht worden. Und irgendwie ist der alte Shaft zum Glück derselbe geblieben: In der Neufassung darf der Kerl trotz fortgeschrittenen Alters und Zigarre (!) sogar mit zwei Frauen abziehen, noch dazu mit einem zynischen Spruch auf dem Lippen. Da kann sein Neffe nur staunen.
Als Comic-Relief ohne weitere Funktion für die Story muss Busta Rhymes als Fahrer Rasaan herhalten. Dessen Wortakrobatik ist aus diversen (irgendwie immer gleich klingenden) Hip-Hop-Tracks sattsam bekannt und wird notgedrungen von der Synchro plattgebügelt. Macht aber auch nichts aus, schon im Original kann er nichts reißen.
Regisseur John Singleton (2 Fast 2 Furious) liefert einen wohlgeföhnten Mainstream-Action-Thriller ab, dem Ecken und Kanten abhanden gekommen sind. Bloß nirgendwo anecken, bloß alle zufriedenstellen. Und genau das ist das Problem. Gute Filme sind auf ihre Weise kompromisslos. Das kann man von diesem „Shaft“ nicht gerade behaupten, sogar das neu eingespielte Titellied klingt genau wie die Originalversion. Das bedeutet aber nicht, dass der Film missraten ist. Für einen launigen Fernsehabend mit Bier und Chips ist er aber trotz aller Kritik unbedingt gut. Wer es dagegen etwas ursprünglicher mag, dem seien der Originalfilm oder seine Nachfolger ans Herz gelegt. Da gibt es nämlich vielleicht noch etwas zu entdecken.