Die Thriller-Variante von "Wo ist Walter?"
Von Christoph PetersenVor etwas mehr als zehn Jahren hat David Loughery das Drehbuch zu Neil LaButes „Lakeview Terrace“ verfasst. Basierend auf einem wahren Fall, handelt das Thriller-Drama von einem rassistischen schwarzen Cop (Samuel L. Jackson), der alles tut, um das gemischtrassige Ehepaar (Patrick Wilson, Kerry Washington) aus dem Haus nebenan zu vertreiben - ein ebenso provokantes wie vielschichtiges, wenn auch nicht rundherum gelungenes Update eines ansonsten doch eher ausgelutschten Filmplots.
Nun hat Loughery mit dem von „Traffik“-Regisseur Deon Taylor inszenierten „The Intruder“ noch einmal einen ähnlichen Film geschrieben – allerdings ohne all die Zutaten, die „Lakeview Terrace“ damals zu etwas Besonderem gemacht haben. Das Ergebnis ist ein Psycho-Thriller, wie er generischer kaum sein könnte. Zudem gleitet „The Intruder“ nach einem zumindest soliden Auftakt und trotz eines spielfreudigen Dennis Quaid bis zum enttäuschenden Finale immer mehr ins Lächerliche ab.
Wo ist Charlie?
Der erfolgreiche Marketing-Manager Scott (Michael Ealy) und seine Ehefrau Annie (Meagan Good) kaufen sich für 3,3 Millionen Dollar ein kleines Anwesen mit einem wunderschönen alten Haus im kalifornischen Napa Valley. Weit weg vom Trubel der Großstadt wollen sie hier eine Familie gründen. Der bisherige Besitzer Charlie Peck (Dennis Quaid), der sein gesamtes Leben in dem Haus verbracht hat, kommt ihnen allerdings von Anfang an ein bisschen merkwürdig vor.
Aber weil der Witwer nach dem Verkauf des Hauses eh zu seiner Tochter nach Florida ziehen will, kann das Scott und Annie ja eigentlich herzlich egal sein. Doch dann verschwindet Charlie einfach nicht. Er mäht ohne Erlaubnis den Rasen und taucht auch ansonsten immer wieder unangemeldet auf. Während Annie Mitleid hat, weil sie schon verstehen kann, dass Charlie eben noch immer ein Stück weit an dem Haus hängt, stellt Scott weitere Ermittlungen über den Ex-Besitzer an – mit fatalen Folgen ...
Man könnte in „The Intruder“ eine Menge hineininterpretieren: Ein alter weißer Mann, der Waffen sammelt und seine Brötchen im Baugewerbe verdient hat, wird von den jüngeren, schwarzen, mit Marketing und Journalismus zu Reichtum gekommenen Städtern aus seinem Haus „vertrieben“ – zeitgemäßer geht es ja kaum noch. Aber die Macher von „The Intruder“ scheint der nahe liegende Subtext nicht zu interessieren – stattdessen kann man ihnen vor allem zugutehalten, dass die Hautfarbe der Protagonisten nicht ein einziges Mal zur Sprache kommt. Charlie ist ein totaler Psycho, aber er ist definitiv kein Rassist – da werden die niedrighängenden Früchte einfach mal hängengelassen. Trotzdem ist „The Intruder“ nur so lange zumindest ein bisschen spannend, wie der Film noch Leerstellen zulässt: Bereut Charlie tatsächlich nur den Verkauf des Hauses? Oder steckt doch noch mehr dahinter?
Nun ist es nicht so, dass der insgesamt nicht gerade subtil (oder auch nur wirkungsvoll) inszenierte Thriller tatsächlich Ambivalenzen in Bezug auf seinen Antagonisten zulassen würde: Während Neu-Eigentümer Scott dem Vorbesitzer von seinen Umbauplänen berichtet, setzt der Ton aus und man hört nur noch das verstörende Grollen in Charlies Kopf. Auch die Weise, wie immer wieder wie „Halloween“-Bösewicht“ Michael Myers oder Walter aus den „Wo ist Walter?“-Wimmelbildern im Szenenhintergrund auftaucht (siehe das Bild oben), lässt keinen Zweifel an seinem Status als Psychopath. Und trotzdem: Wenn die Situation schon spürbar ungemütlich wird, nur weil Charlie etwas zu freundlich und mit einem etwas zu breiten Lächeln fragt, ob er nicht bei der Hausarbeit helfen könnte, erweist sich zumindest die Performance von Dennis Quaid („Frequency“) noch als erstaunlich effektiv.
Dennis Quaid macht einen auf Jack Nicholson – und kann den Vergleich natürlich nur verlieren.
Aber wo das doch eigentlich vollkommen ausgereicht hätte, um von hier aus einen geradlinigen Terror-Thriller zu inszenieren, kommen im Verlauf der zweiten Hälfte immer mehr Tatsachen über Charlie ans Licht – und die reichen von vollkommen überflüssig bis völlig bescheuert (amüsant nur, dass ein Steuerbetrug in der Eskalationsspirale offenbar höher angesiedelt ist als der mögliche Mord an seiner Frau). Nun gehört es zum Genre dazu, dass einer der Protagonisten die Gefahr früh erkennt, während der andere weiter darauf pocht, dass es doch überhaupt keine große Sache sei. Doch so lange, wie Annie hier darauf besteht, dass Charlie nur ein netter alter Mann sei, das ist schon jenseits von grenzdebil. Eine gewisse Arglosigkeit gehört im Horrorgenre nun mal dazu, aber Annies Verhalten in „The Intruder“ ist tatsächlich nur schwer zu ertragen.
Ab und zu gibt es dabei mal einen Jump Scare (meist, weil einer den anderen von hinten umarmt), die jedoch derart müde vorgetragen werden, dass man das Gefühl bekommt, dass selbst die Macher nie ernsthaft an die Schockwirkung ihrer Szenen geglaubt haben. Und so schleppt sich „The Intruder“ mit dem Fokus auf meist unnötige Nebenkriegsschauplätze sowie sich seltendämlich benehmende Protagonisten hin bis zu einem Finale, das nicht nur völlig unverdient die „Hier ist Johnny!“-Szene aus Stanley Kubricks „Shining“ zitiert, sondern einem dann noch nicht einmal die erwartete Katharsis bietet: Weil „The Intruder“ offensichtlich auf eine US-Freigabe ab 13 Jahren ausgerichtet ist, fehlen im Abspannsong nicht nur die dort eigentlich vorgesehenen „Fucks“, auch das Zurückschlagen der Terrorisierten fällt enttäuschend zahm und antiklimaktisch aus.
Fazit: Regisseur Deon Taylor verschwendet die zumindest am Anfang noch angenehm unangenehme Psychopathen-Performance von Dennis Quaid an einen nicht nur vollkommen generischen und vorhersehbaren, sondern auch zunehmend immer bescheuerteren Thriller-Plot. So macht „The Intruder“ nicht mal als unfreiwillig komischer Trash richtig Laune.