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    Prélude
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Prélude

    Lebloses Drama

    Von Lucas Barwenczik

    Schon viele Helden sind auf der Leinwand verglüht. Regisseure, die in ihren Filmen die ganze Welt neu anordnen, begeistern sich oft für obsessive Figuren. Denn die wollen meist das Gleiche. Auch „Prélude“ von Sabrina Sarabi erzählt von der schmerzlichen Sehnsucht, über sich selbst hinauszuwachsen. Und von der Frage, was passiert, wenn man an seinen eigenen Ansprüchen scheitert. Als erster Langfilm der deutsch-ungarisch-iranischen Regisseurin ist das Drama wohl auch selbst Ausdruck von großen Ambitionen. Denn auf ein Präludium folgen in der Regel weitere, bedeutsamere Kompositionen.

    Der junge Pianist David Berger (Louis Hofmann) ist zielstrebig und begabt. Das Studium an einem anspruchsvollen Musikkonservatorium soll ihm den Weg in die großen Konzertsäle der Welt ebenen. Als wichtiges Sprungbrett bietet sich die berühmte Juilliard School in New York an. Es wird sogar ein Stipendium angeboten, doch dafür muss er seine strenge Klavierlehrerin Dr. Matussek (Ursina Lardi) von sich überzeugen – indem er besser wird als jeder andere, also auch besser als der begabte, aber impulsive Walter (Johannes Nussbaum). Der Österreicher wird auch in Liebesdingen sein Konkurrent: Johannes ist in einer Beziehung mit der Gesangsschülerin Marie (Liv Lisa Fries), an der auch David Gefallen findet. Die Wettstreite fallen zusammen und David steigert sich immer mehr in beide hinein. Dabei verliert er zunehmend die Kontrolle.

    Walter und Marie.

    Auch wenn man es bei dieser Konstellation erwarten würde, ist „Prélude“ kein Film über eine Dreiecksbeziehung. In den Kreisen, die der Film schildert, sind Beziehungen und Liebe nie mehr als Mittel zum Zweck. Man verführt, findet vielleicht eine Muse, aber man empfindet nicht wirklich füreinander. Marie spielt eine überraschend kleine Rolle und bleibt eine flüchtige Gestalt, fast am Rande der Wahrnehmung. Nebenbuhler Walter ist ungleich wichtiger und präsenter, denn er muss schließlich bekämpft werden. Hinter der Fassade aus Höflichkeit und Distanz wartet dabei die Gewalt.

    Davids überbordender Ehrgeiz wird vom Film dadurch gezeigt, dass es fast keine Außenwelt mehr zu geben scheint. Sein Fokus beschränkt sein Leben, auch räumlich. Da sind nur noch sein spartanisch eingerichtetes Zimmer, winzige Proberäume und eben der titanische Saal, in dem er von und mit Dr. Matussek lernt. Dort ist die Zimmerdecke nur noch zu erahnen. Allein durch die Dimensionen wird den Studenten deutlich, wie klein und unbedeutend sie im Vergleich mit der Institution sind.

    Die Banalität einer Elite

    Die Musikakademie erscheint als geschlossenes System. Das Gebäude wird selten von außen oder gar in der Totalen gezeigt, sondern erscheint immer als Summe von einzelnen Räumen. Wer hier lebt, muss sich einfügen. Die Musik übernimmt alles. In jedes Zimmer dringen Melodien aus der Ferne. Selbst der Rhythmus von Walters Tischtischtennistraining auf dem Hof erinnert an die Schläge eines Metronoms.

    Im ersten Drittel des Films gelingt so eine sich sehr glaubwürdig anfühlende Beschreibung dieses Milieus: die Banalität einer Elite, die nur durch Bildungsbürger-Klischees kommunizieren kann. Man erforscht einander mit Max Frischs berühmtem „Fragebogen“, singt die richtigen Lieder und diskutiert über die Bedeutung von Heimat und Musik. Intimität bedeutet, einander Texte von Kurt Tucholsky vorzulesen. Marie trägt ihren Nachnamen – von Lilienthal – wie einen Adelstitel. Selbst ihre schäbige Studentenküche strahlt Eleganz aus.

    David unter dem wachsamen Auge seiner strengen Klavierlehrerin.

    Allerdings werden die meisten Entwicklungen des Films nicht wirklich dargestellt, sondern der Fähigkeit zur Mustererkennung des Zuschauers überlassen. Man begreift natürlich immer, was die Bilder meinen sollten, denn sie zielen auf Klischees ab: Die Konkurrenz zweier Männer um eine Frau, der Druck der elitären Einrichtung, der Terror der Leistungsgesellschaft. Doch die Szenen, die all diese Themen zum Leben erwecken, drücken wenig aus. „Prélude“ will scheinbar leere Herzen in leeren Räumen zeigen, wirkt aber lediglich selbst leer. Kein Bild, das nicht frisch desinfiziert scheint.

    Auch die Darsteller hauchen dem Film kein Leben ein. Louis Hofmann („Dark“) ist zweifelsohne einer der aufstrebenden jungen Schauspieler hierzulande, aber in „Prélude“ kann er nur selten glänzen. Als David Berger wirkt er verschlossen bis hin zur Tumbheit. Der Musiker bleibt ein Mann ohne Eigenschaften, ein menschliches Ikea-Regal. Selbst, wenn wir ihn später zu Hause erleben, mit seiner Mutter und alten Freunden, bleibt er immer eine konstruierte Filmfigur. Am spannendsten ist noch, wie er beim Training seine Finger verformt. Zuletzt humpeln sie als verkrüppelte Spinnen über die Tasten.

    Repetitive Biederkeit

    Doch bis auf solche Andeutungen findet der Film keine Sprache für den Schmerz seines glühenden Ehrgeizes. Kein Funke kreativen Wahnsinns dringt in seinen Kosmos. In einer Sequenz hadert David mit einer kurzen, aber schnellen Tonfolge. Für eine Weile ordnet sie den Film und wird endlos wiederholt. Noch vor dem Schlafengehen verhöhnt sie David. So fühlt sich leider auch der Film in seiner letzten Hälfte an: gleichförmig, repetitiv und aufdringlich. So entweicht auch spätestens nach der Hälfte der Laufzeit langsam alle Luft aus „Prélude“. Irgendwann ist die immer gleiche Akkordfolge einmal zu oft gespielt worden. Der Schockeffekt der erwartbar tragischen Entwicklungen verpufft, weil man durch die ewig gleichen Abläufe längst zum teilnahmslosen Beobachter geworden ist. 

    Die Erzählweise ist hier so auch zunehmend fragmentarisch und sprunghaft. Ein Prélude meint manchmal auch eine „Fantasie“, ein Musikstück ohne klare Form. Wut und Verzweiflung tragen David in eine Traumwelt, in der Wahrheit und Realität schwer zu trennen sind. Diese Unsicherheit bleibt kein Gefühl, sondern wird explizit gemacht. „Bist du echt?“, fragt David eine andere Figur. Man traut dem Publikum eher wenig zu. Der sonst so zurückhaltende Protagonist lässt seine Hemmungen fallen. Die Darstellung dieser Ausbrüche wirkt so bieder und deutsch, als hätte man vorher ein langes Formular für sie ausgefüllt, in doppelter Ausführung. David tanzt ein wenig ruckartig und ungelenk, er trinkt und zieht sich aus. Sein Penis schlenkert müde zum Takt. Ein merkwürdig sanfter, gehemmter Exzess. Die Hauptlast trägt das Sounddesign, das mit Dissonanz und Gerumpel die innere Zerrissenheit nach Außen kehrt. Doch auch in einem Film über die Musik reicht das nicht. Manche Szenen sind laut, andere leise, trotzdem fehlt es an Dynamik.

    Fazit: Auch wenn „Prélude“ gerade anfänglich interessante Ansätze hat, verliert das Drama sich bald in Klischees und bekannten Inszenierungs-Strategien. Die Notenblätter des Drehbuchs quellen über vor nutzlosen Wiederholungszeichen. „Prélude“ ist zu träge und leblos, um wirklich zu fesseln.

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