Ein schöner Ausflug, bei dem zu viel gequakt wird
Von Sidney ScheringIn „Raus aus dem Teich“ wagt eine vierköpfige Stockenten-Familie erstmals den Flug aus den ihnen heimische USA ins paradiesisch-warme Jamaika. Aber nicht nur die tierischen Protagonist*innen, auch Regisseur Benjamin Renner und Drehbuchautor Mike White wagen sich mit der Animations-Komödie in neue Gefilde: Während sich Renner bislang mit stilistisch reduzierten, herzlich-hintersinnigen Zeichentrickfilmen wie „Ernest & Célestine“ einen Namen machte, hat White („School Of Rock“) zuletzt mit der von ihm erschaffenen, schwarzhumorigen Serie „The White Lotus“ einen vieldiskutierten Volltreffer gelandet. Allerdings ist der kreative Tapetenwechsel in „Raus aus dem Teich“ nur halb gelungen: Zwar führt Renners erster Regie-Ausflug in die Welt der Computeranimation zu herausragenden Bildern, zugleich ist das gesprächige Drehbuch aber nicht frei von Turbulenzen.
Der Entenpapa Mack Mallard (Stimme im Original: Kumail Nanjiani / im Deutschen: Elyas M’Barek) liebt seinen Alltagstrott und hat überwältigende Angst um das Wohl seiner Kinder. Seine Panik ist dermaßen groß, dass er brutale Gute-Nacht-Geschichten über die Gefahren außerhalb des Mallard-Heimatteichs erzählt. Das nervt nicht nur Mutter Pam (Elizabeth Banks / Nazan Eckes), auch Teenie-Sohn Dax (Caspar Jennings / Julius Weckauf) muckt allmählich auf. Als eines Tages ein Schwarm Zugvogel-Enten vorbeischaut, der Dax und seiner hibbeligen Schwester Gwen (Tresi Gazal) vom Globetrotter-Leben vorschwärmt, reicht es den Kindern: Sie verlangen, endlich den Teich zu verlassen! Aus Angst, er könnte seine Familie sonst ganz verlieren, willigt Mack ein. Doch so ein Flug in den Süden ist ganz schön stressig – und das nicht nur, weil sich auch noch der ebenso verschrobene wie tollpatschige Onkel Dan (Danny DeVito) anschließt...
Die Figuren aus Renners bisherigen Filmen sind trotz eines reduzierten Zeichenstils äußerst ausdrucksstark und bestechen mit einem liebenswürdigen Design irgendwo zwischen den üblichen Kindchenschema-Reizen und einer aufmüpfigen Kauzigkeit. Diese Stärken rettet der Franzose nun auch in sein erstes Hollywood-Projekt hinüber: Familie Mallard ist zwar zuckersüß, hat aber auch charmant-exzentrische Macken (speziell in Sachen Mimik), die diesen Enten eine ganz eigene Persönlichkeit verleihen. Das wandelnde Comedy-Higlight ist der bräsige, dauernd motzende und grobmotorische Onkel Dan, der tatsächlich einige Parallelen zu seinem englischen Sprecher Danny DeVito aufweist.
Auch die tierischen Nebenfiguren sind knuffig-gewitzt gestaltet, während der menschliche Schurke, ein exzentrischer Star-Koch, ein wenig aussieht, als wäre U2-Sänger Bono unter die Bodybuilder gegangen. Die Welt, in der sich diese ausdrucksstarken Charaktere tummeln, ist ebenfalls ausgesprochen hübsch geraten: Felder, Wälder und Wiesen haben eine warme, malerische Qualität, die an die gemalten Hintergründe alter Disney-Cartoons erinnert. Das sausende, brausende New York City wiederum besticht mit einem enormen Detailreichtum sowie einer herausragenden, dramatischen Lichtsetzung.
Überhaupt hat „Raus aus dem Teich“ die beeindruckendste Animation von Licht und Lichtreflexionen, die es in einem Film der Trickfilmschmiede Illumination Entertainment („Ich – Einfach unverbesserlich“, „Minions“, „Pets“) bisher zu sehen gab. Bei solchen Bildern springt das Reisefieber schnell von der Leinwand in den Kinosaal über! Doch so hübsch das alles auch anzuschauen sein mag, fällt es mitunter doch recht schwer, sich ganz auf die visuellen Qualitäten des Films zu fokussieren. Denn Familie Mallard und ihre Zufallsbekanntschaften hören partout nicht auf, zu quasseln und zu quasseln – und zerreden dabei sowohl einige Gags als auch manche der ernsteren Momente.
So rasselt die Entenfamilie beispielsweise mit einer Reiher-Dame zusammen, was zunächst Spannung und morbiden Humor verspricht: Die glupschäugige Vogelfrau schleicht raubtiergleich um die Enten herum, macht abrupte, gewaltige Bewegungen und seiert sonderbare Sätze, die nicht klar einzuordnen sind. Ist sie extrem einsam und daher im verzweifelten Maße freundlich? Oder ist sie eine sadistische Killerin, die lieber erst mal mit ihrem zukünftigen Mahl spielt? Die Antworten bleiben lange vage, was einen ebenso komischen wie nervenaufreibenden Effekt hat – doch dann geht das doppeldeutige Gerede weiter und weiter und weiter, bis Witz und Suspense irgendwann völlig verflogen sind.
Ähnlich verhält es sich mit der aufmüpfigen Mini-Taube Chump (Awkwafina / Nina Chuba): Zunächst gerät sie mit Familie Mallard aneinander, weil sie den Enten respektloses Verhalten und das Übertreten von Reviermarkierungen anlastet. Ein schwer lädiertes Häuflein von Taube zu sehen, das dazu noch genug Wumms für zwei Kampfhunde mitbringt, ist spaßig. Nicht zuletzt, weil ihr großkotziges Ego-Poliere mit Verve vermittelt wird. Jedoch wird praktisch jeder Gedanke Chumps ausgesprochen, erklärt und wiederholt, was nicht nur aufgrund der schieren Masse irgendwann lästig wird, sondern auch ihren hastigen Charakterwandel unglaubwürdig macht.
Chump wird gar kein Raum gegeben, um sich zu entfalten und ihre aufkommende (dezent-)freundlichere Seite nachvollziehbar zu machen. Sie plaudert sich mit nachlassender Pointen-Trefferquote in nahezu einer Tour von A nach B und der erfolgreiche Sinneswandel bleibt bloße Behauptung. Wenn die Mallards nach diesen beiden Dampfplaudertaschen auch noch den unter Heimweh krankenden Papageien Delroy (Keegan-Michael Key / Jorge González) kennenlernen, macht der vermeintliche Witz, dass sich dieser als Dauerplapperer erweist, einen mächtigen Bauchplatscher: In diesem Film ist es schließlich nichts Besonderes, dass eine Figur ohne Punkt und Komma labert – ganz gleich, wie sympathisch Delroys in Pathos getränktes Latino-Temperament auch ist.
Wäre die Trefferquote der Dialogwitze höher, ließe sich das womöglich einfacher verschmerzen. Aber der „Viel hilft viel“-Ansatz halst dem Film zu viel Ballast auf, als dass er sich in die ganz hohen Lüfte emporschwingen könnte. Da gehen die Slapstick-Momente schon häufiger auf, nicht zuletzt dank der bereits gelobten Charakteranimation sowie einer effektiven Musikuntermalung von „Drachenzähmen leicht gemacht“-Komponist John Powell. Schade, dass man diesen Stärken nicht mehr vertraut hat: Die grandiosen Animation in „Raus aus dem Teich“ hätte so viel mehr aussagen können als es das zugestopfte Dialogbuch vermag.
Fazit: Super niedliche Enten, schön animierte Landschaften und eine Geschichte, deren Lacher, Thrills und Emotionen zerredet werden: „Raus aus dem Teich“ ist vor allem sehenswert – während man an den zu vielen und zu langen Dialogen ruhig noch hätte etwas schrauben sollen.