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    Tatort: Dunkelfeld
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Tatort: Dunkelfeld
    Von Lars-Christian Daniels

    Aller guten Dinge sind vier! Bei den ersten drei „Tatort“-Einsätzen der Berliner Hauptkommissare Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) wurde parallel zum jeweiligen Mordfall stets auch eine fortlaufende zweite Geschichte erzählt: Karow versuchte hinter dem Rücken seiner Kollegin den Mörder seines Ex-Partners Gregor Maihack aufzuspüren – doch konnte sich das Publikum dabei nie ganz sicher sein, ob der erste bisexuelle Ermittler der „Tatort“-Geschichte, der einst eine Affäre mit Maihacks Frau hatte, nicht selbst in den Mord verwickelt war. Beim vierten gemeinsamen Fall von Rubin und Karow wird das Geheimnis um den Tod des Ex-Partners nun endlich gelüftet: In Christian von Castelbergs „Tatort: Dunkelfeld“, der mit einem klassischen Sonntagskrimi nur wenig gemeinsam hat, kommt es zum Showdown. Die folgenübergreifende Geschichte findet ihr vorläufiges Ende, doch der große Aha-Effekt bleibt dabei aus: „Dunkelfeld“ ist zwar ein wendungsreicher und stellenweise brutaler Großstadtthriller, leidet aber unter deutlichen Drehbuchschwächen, die den Gesamteindruck erheblich schmälern.

    Wer hat Gregor Maihack (Roberto Thoenelt), den Ex-Partner von Hauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke), im Berliner Plänterwald erschossen? Kronzeuge Andi Berger (Robert Gallinowski) ist den Ermittlern ins Netz gegangen und will die entscheidende Aussage machen, um anschließend in ein Zeugenschutzprogramm überführt zu werden. Doch dazu kommt es nicht: Auf dem Weg zu Staatsanwalt Harald Hemrich (Holger Handtke) geraten Karow und Berger in einen Hinterhalt. Der wichtige Zeuge wird vor Karows Augen erschossen – und das Geheimnis um ein Handyvideo, das Maihacks Tod dokumentiert, nimmt er mit ins Grab. Als Maihacks Witwe Christine (Ursina Lardi) ebenfalls von der Bildfläche verschwindet, schalten sich auch Karows Kolleginnen Nina Rubin (Meret Becker) und Anna Feil (Carolyn Genzkow) in die Ermittlungen ein, trotzdem gerät schließlich auch Karow selbst in die Hände von Kriminellen, die Interesse an dem Video zeigen. Für Rubin wird die Suche nach ihrem verschwundenen Partner zu einem Wettlauf gegen die Zeit – und das nicht nur, weil es um Leben und Tod geht, sondern auch weil sie an ihrem freien Tag die Bar Mitzwa ihres Sohnes Kaleb (Louie Betton) zu verpassen droht…

    Wer die ersten drei Berliner „Tatort“-Folgen versäumt hat oder sich nicht mehr im Detail an die Zusammenhänge erinnern kann, wird von den Filmemachern weich aufgefangen: Drehbuchautor Stefan Kolditz („Nackt unter Wölfen“), der in seinem Skript zum „Tatort: Das Muli“ 2015 den Grundstein für den horizontalen Erzählansatz im Krimi aus der Hauptstadt legte, platziert zu Beginn einen ausführlichen in Schwarz-Weiß-Bildern gehaltenen Rückblick, in dem die wichtigsten Ereignisse noch einmal zusammengefasst werden. Anders als in den vorangegangenen Berliner Folgen ist das hier auch zwingend notwendig, denn diesmal dreht sich alles ausschließlich um den Mord an Karows Ex-Partner und den tödlichen Anschlag auf den Kronzeugen. Engte der parallel laufende Handlungsstrang den zu lösenden Mordfall im überfrachteten „Tatort: Ätzend“ noch spürbar ein, stehen den Filmemachern für den großen Showdown nun die vollen 88 Filmminuten zur Verfügung. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer: Unter dem Strich erweist sich des Rätsels Lösung als etwas dünn für einen ganzen „Tatort“ – spätestens nach einer guten Stunde schleicht sich der Verdacht ein, dass man das alles auch deutlich gestraffter hätte erzählen können.

    Das zeigt sich vor allem an zwei Dingen: Zum einen wird die Bar Mitzwa von Rubins Sohn in langatmiger Ausführlichkeit dokumentiert, wobei die Filmemacher das Ritual auch noch parallel zu einigen Krimi-Sequenzen montieren, denen sie damit die Spannung rauben. Zum anderen fällt auf, wie wenig die zwischen Beruf und Familie hin- und hergerissene Rubin und die eifrige Hospitantin Feil auf Dauer zum Geschehen beitragen - einen großen Teil ihrer Zeit verbringen die Damen plaudernd im Wagen, während Karow um sein Leben kämpft. Das echtzeitähnliche Szenario und die dynamische Inszenierung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte oft künstlich in die Länge gezogen wird: Ein Krimineller nimmt sich irgendwann sogar die Zeit, ein Buch zu lesen, während Rubin gedankenverloren Handybilder ihres Sohnes betrachtet. Auch Kommissar Zufall darf fleißig mitermitteln: Insbesondere der Fund des Videos, dessen Versteck der Zuschauer schon früh kennt, wirkt extrem konstruiert und findet natürlich genau in jenem Moment statt, der dramaturgisch am besten ins Konzept passt.

    Wer über diese Drehbuchschwächen hinwegsehen kann, darf sich aber an einem kurzweiligen und knallharten Großstadtthriller erfreuen, der mit einem „Tatort“ im klassischen Sinne nur wenig gemeinsam hat: Durch den hohen Action- und Gewaltanteil werden Erinnerungen an den Hamburger „Tatort“ mit Til Schweiger und Fahri Yardim wach, der es beim Publikum zuletzt schwer hatte. Anders als den Beiträgen aus dem hohen Norden fehlt es dem „Tatort“ aus Berlin aber nicht an Tiefgang: Die beiden Hauptfiguren werden vor allem dank des engagierten Spiels von Meret Becker („Lügen und andere Wahrheiten“) und Mark Waschke („Habermann“) wirklich lebendig mit Leben gefüllt, sodass ihr vierter gemeinsamer Fall zumindest stellenweise mitreißt. Für zartbesaitete Zuschauer ist der Film allerdings nichts: Die 1003. Ausgabe der beliebten Krimireihe fällt ungewöhnlich blutig aus, keine einzige Handlungsminute findet im Präsidium statt, sondern das Geschehen spielt sich fast ausschließlich auf den Straßen und Großbaustellen Berlins ab. Ortskundige Zuschauer dürften dabei viele Schauplätze wiedererkennen – ein erfreuliches neues Markenzeichen der Berliner „Tatort“-Folgen, denen es zu Zeiten der Vorgänger Till Ritter (Dominic Raacke) und Felix Stark (Boris Aljinovic) meist an Lokalkolorit mangelte.

    Fazit: Christian von Castelbergs „Tatort: Dunkelfeld“ ist ein unterhaltsamer Großstadtthriller mit einigen Drehbuchschwächen und ordentlich Action.

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