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    Pitch Black
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Pitch Black
    Von Andreas R. Becker

    Dass Vin Diesel nicht nur als Haudegen mit schockgefrierschrankartiger Coolness agieren kann, hat der gebürtige New Yorker unlängst als charakterdarstellender Lichtblick in Sidney Lumets mittelmäßigem Gerichtsstreifen Find Me Guilty unter Beweis gestellt. Nichtsdestotrotz steht ihm erstgenannter Rollentypus doch einfach verdammt gut. Dessen archetypische Vorlage für seine späteren Figuren mimt er auch in seiner ersten international bekannteren Hauptrolle als Richard B. Riddick in „Pitch Black“ - unter Regie von David Twohy - auf gewinnende Art Weise. Keine Frage, obwohl wir es in hundertfacher Gestalt schon woanders gesehen haben – das Prinzip „charismatisches Arschloch mit Restmoral“ funktioniert, wenn es richtig (gecastet) verkörpert wird. Diesels Performance ist aber nicht der einzige Faktor, der „Pitch Black“ ins obere Viertel der Sci-Fi-Rangliste befördert, die mehr als die unabhängigeren Hollywood-Produktionen der jüngsten Vergangenheit benennt.

    Es beginnt mit der obligatorischen Unendliche-Weiten-Eröffnungssequenz. Über den Sternenhintergrund gleitet lautlos ein breiter Weltraumfrachter, der an einen von Adipositas befallenen X-Wing erinnert. Durchlöchert werden plötzlich Stille, Hülle und Captain des Frachters von einem Meteoritenhagel, der eine Bruchlandung auf dem nächstgelegenen ungastlichen Planeten zur Folge hat. Auf der Passagierliste steht auch der eiskalte und verurteilte Killer Riddick (Vin Diesel), der sich nach dem Aufprall aus dem zerfetzten Raumgleiter befreien und fliehen kann. Bald müssen die Gestrandeten jedoch mit Gewalt zur Kenntnis nehmen, dass Riddick nicht das gefährlichste Lebewesen ist, mit dem sie sich den staubigen, von drei Sonnen erhellten Felsbrocken zu teilen haben. Auf der prekären Suche nach Fluchtmöglichkeiten gehen dem bunt zusammengewürfelten Haufen Überlebender so letztlich die Alternativen aus. Man arrangiert sich mit dem unberechenbaren Mörder und unterwirft sich dem unbequemen Los einer Zweckgemeinschaft. Als die toughe Anführerin Carolyn (Radha Mitchell, Silent Hill, Nicht auflegen!), in einem scheinbar verlassenen Forschercamp eine verhängnisvolle Entdeckung macht, entwickelt sich die sichere Flucht zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Eine Niederlage hätte fatale Konsequenzen...

    Was an „Pitch Black“ als Erstes ins Auge sticht, ist seine Lichtregie, die den Zuschauer mit ihrer kontrastreichen Ästhetik packt (und Kameramann David Eggby auch einen australischen Kamerapreis einbrachte). Die Überforderung der Augen durch die extreme Helligkeit und Hitze, welche die Feuerbälle in Dreieinigkeit verbreiten, wird mit einer vor allem zu Beginn extremen Überbelichtung des Filmmaterials simuliert, die den Zuschauer in die Mitte der Überlebenden in die Wüste schleudert. Mit dem Gefühl von Staub auf der Zunge wandelt man mit ihnen über die in rote und blaue Töne getauchte Oberfläche, wie das Auge gewöhnt sich scheinbar auch die Kamera erst nach und nach und nur teilweise an das grelle Licht. Ein ständiges Hitzeflirren am Horizont und vereinzelt aufblitzende weiße Frames erhöhen die Schnittgeschwindigkeit und mit ihr das Gefühl von Desorientierung. Ihren Zweck verfehlen auch die Subjektiven aus der (operativ geschaffenen) Nachtsicht Riddicks bzw. der Aliens nicht, die eine verrauschte und silhouettenhafte Umgebung zeichnen.

    Letztere wurde in der Ungastlichkeit australischer Wüsten abgedreht, die schon „Mad Max“ als eindrucksvoll schlichte Kulisse dienten. Obwohl der Trupp durch diese menschenleere Landschaft wandelt, gelingt es Regisseur Twohy auch ohne effektheischende Spannungsmusik von Beginn an mit gut platzierten, realen und synthetischen Geräuschen eine unheilvolle und unsichtbare Bedrohung zu schüren. Ein paar kurze Close-Ups von Unansehnlichem tun ihr Übriges.

    Von den Charakteren, die sich mit dieser Bedrohung herumschlagen, ist nicht allzu viel Tiefe zu erwarten, bei den meisten bleiben die Einblicke actiongenregerecht eher oberflächlich. Nichtsdestoweniger bildet das ungleiche Team nicht zuletzt durch einige lakonische Schlagabtausche, in denen entweder ein abgebrühter Riddick oder der intellektuelle Antiquariat Paris Ogilvie (Lewis Fitz-Gerald) das Wort haben, eine völlig ausreichende Grundlage, um die Handlung zu tragen. Diese Party beinhaltet neben den bereits genannten unter anderem auch noch den Weltraumcop William (Cole Hauser, 2 Fast 2 Furious, Paparazzi), dessen Ego sich im Kampf um den Status des Alphatiers immer wieder bissige Gefechte mit Riddick liefert, und einen arabischen Imam (Vorbeter) und seine jungen Schüler. Diese wissen klischeegerecht in ausweglosen Situationen leider oft nicht viel mehr anzufangen, als Allah anzuflehen, stehen aber immerhin der kopflosen Aggressivität der sich zerfleischenden Stupid White Men mit orientalischer Weisheit gegenüber. Während nicht gerade unerwartet kommt, dass sich auch „Pitch Black“ an die 10-kleine-Negerlein-Regel hält, haben ein oder zwei der statischen Charaktere aber durchaus noch ein paar kleinere Überraschungen in petto und die eine oder andere Gut-Böse-Zuordnung beginnt, sich zu verschieben. Neben dem Zyniker Riddick ist es aber vor allem die attraktive Radha Mitchell, die als Carolyn Fry eine eher selten gesehene, aber glaubwürdige und faszinierende Tugendenmischung aus Durchsetzungsvermögen, aber auch Sensibilität und Solidarität entwickelt. Natürlich ohne dabei auf das entscheidende Maß an Wet’n’Dirty-Erotik verzichten zu müssen...

    „Pitch Black“ ist nicht „Star Trek“ und versucht deswegen auch gar nicht erst, mit (pseudo-)tiefsinnigen Dialogen aufzutrumpfen. Das wenige, was gesprochen wird, sind die knappen Kunstdialoge mit lakonischen Pointen, die man eben vorrangig in Actionfilmen findet. Zwar ist mit dem Sparbudget von 23 Millionen Independent-Dollar natürlich nicht der große Reißer an Effekten zu erwarten. Das macht aber nichts, denn „Pitch Black“ begeht nicht den Fehler, sich an zu Großem zu überheben und damit auf die Nase zu fallen. Die fiesen (dem Alien-Design nicht ganz unähnlichen) Raptoren bleiben meist zu großen Teilen im Schutz der Dunkelheit verborgen und laufen daher auch nicht Gefahr, zu billig auszusehen. Statt verfehlt zu klotzen, wird eine kontrastreiche Ästhetik und mit ihr atmosphärische Dichte aufgebaut, garniert durch einige eindrucksvolle und bizarre Kalenderbilder aus einer fremden Welt. Zwar gibt es auf dem Fußmarsch in der zweiten Hälfte ein oder zwei Längen, im Großen und Ganzen aber saugt einen „Pitch Black“ über die volle Länge auf und bleibt vor allem aufgrund seiner eigenwilligen Licht- und Farbgestaltung in der ersten Hälfte eindeutig hängen im Gedächtnis.

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