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    Trolls 2 - Trolls World Tour
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Trolls 2 - Trolls World Tour

    Der Infinity War der Musikrichtungen!

    Von Sidney Schering

    Vier Jahre nach dem sehr bunten, sehr musikalischen, aber auch substanzlosen Animations-Musical „Trolls“ bringt DreamWorks Animation die kleinen, in Popsongs vernarrten Wesen für ein weiteres abendfüllendes Abenteuer zurück – wenn auch nicht so, wie anfangs geplant: Aufgrund der Corona-Pandemie blieb „Trolls 2: Trolls World Tour“ in den meisten Ländern der Welt ein Kinostart verwahrt, stattdessen gab es direkt einen VoD-Release. Ein echter Jammer! Denn der von Walt Dohrn (Co-Regisseur des Erstlings) inszenierte zweite Teil gehört zu den raren Animations-Fortsetzungen, die sich gegenüber ihrem Vorläufer gehörig verbessern: Das Drehbuch-Quintett Jonathan Aibel, Glenn Berger, Elizabeth Tippet, Maya Forbes & Wallace Wolodarsky lässt sämtlichen Ballast des Vorgängers fallen, um ein schräges, vor Ideenreichtum fast platzendes, lebensfrohes Musikfest zu veranstalten, in dem kaum eine Minute ohne Lacher vergeht!

    Für die Trolls ist das Leben eine einzige Party – doch was Königin Poppy (Originalstimme: Anna Kendrick / Synchronstimme: Lena Meyer-Landrut) bislang nicht wusste: Ihr Volk ist nicht allein, sondern stellt mit seiner unbändigen Liebe zu schmissigen, leichten Popmelodien nur einen von vielen Stämmen dar. Sie sind die Poptrolls – und neben ihnen existieren auch noch weitere friedliebende Trolls, deren Leben allein aus Funk, Techno, Country oder Klassik besteht. Und dann gibt es da noch die Rock-Trolls, die sich immer mehr zu einem riesigen Problem für die restliche Tollheit mausern: Denn Rocktroll-Königin Barb (Rachel Bloom / Lo Rivera) hat sich vorgenommen, sämtliche sechs magische Saiten der Musikwelt an sich zu reißen. Denn wenn sie alle sechs Saiten gleichzeitig spielt, um einen Power-Akkord erklingen zu lassen, kann sie alle anderen Musikrichtungen auslöschen und so sämtliche Trolls unter den harten Sounds des Rocks vereinen. Poppy versucht, dies mit ihrem sarkastischen Freund Branch (Justin Timberlake / Mark Forster) zu verhindern…

    Barb will die sechs magischen Saiten unter ihre Kontrolle bringen!

    Was für Thanos im Zwei-Milliarden-Dollar-Megaerfolg „Avengers: Infinity War“ die sechs Infinity-Steine sind, um mit einem Schnipsen die Hälfte allen Lebens im Universum auszulöschen, sind für Barb in „Trolls 2“ die sechs verschiedenfarbigen Saiten, um sämtliche Trolls zu Rockern zu machen. Deshalb ist der neuste Streich aus dem Hause DreamWorks Animation aber noch lange keine musikbepackte Marvel-Parodie. Generell hält sich Walt Dohrns Regiearbeit mit filmischen Referenzen sogar ziemlich zurück – selbst zum eigenen Vorläufer nimmt „Trolls World Tour“ Abstand: Die Handlung und Schurken aus Teil eins werden mit einem beiläufigen Witz abgegolten, was der Fortsetzung richtig gut tut – schließlich war die Story der ärgste Schwachpunkt beim Vorgänger.

    Stattdessen setzt „Trolls 2“ volles Rohr darauf, die Stärken des Erstlings massiv auszubauen: Bezirzte der Vorgänger schon mit einer sehr kreativen Optik, ist die Fortsetzung auf visueller Ebene geradezu zum Niederknien! Die etwa 100 Millionen Dollar teure Produktion lässt den typischen, gelegentlich etwas sterilen und kühlen CG-Familienfilm-Look meilenweit hinter sich – und entwirft stattdessen eine farbenfrohe Bastellandschaft-Welt mit extrem detaillierten, warm beleuchteten Texturen. Zudem setzen Dohrn, Visual-Development-Chefin Amelie Flechais („Die Melodie des Meeres“) und ihr Team auf immensen Findungsreichtum: Die Troll-Welten sind aus höchst unterschiedlichen, aber stets verrückten Glitzer-, Filz-, Woll-, Jeans- und Baumwoll-Gebilden geformt. Wo bei den Pop-Trollen nicht nur die Outfits glitzern und glänzen, sieht das ganze Rock-Königreich aus wie eine Jeans-Jacke mit Aufnähern, während das Country-Gebiet wie eine Steppdecke anmutet

    Volle Kanne Spaß

    Mit diesem hohen Maß an optischer Kreativität gehen auch eine satte Schlagzahl an visuellen Gags und ein rasantes Erzähltempo einher – wobei die Geschichte statt durch ungelenke Dialoge dieses Mal ohnehin primär auf non-verbaler ebene vorangetragen wird: Zwar kann „Trolls 2“ die rauschhafte Geschwindigkeit seiner Auftaktviertelstunde, wenn bei einem Fantasiewesen-Technofestival unter Wasser (!) die komödiantischen visuellen Details im Mikrosekundentakt auf einen einprasseln, nicht ganz aufrechthalten. Aber selbst in den ruhigeren Phasen reihen sich gewitzte Designs, skurrile Anblicke und schreiend-komische optische Albernheiten in enger Folge aneinander. Dohrn operiert hier oftmals auf einer irren, assoziativen Logik, die „Trolls World Tour“ unentwegt in Bewegung hält. Gleichwohl ist sein Film nicht etwa flattrig und fahrig, sondern tief in einer neckischen Liebe für das zentrale Motiv des Films verankert – immer geht es um die Vielfalt der Musik.

    Die verschiedenen Musikrichtungen und die dahinterstehenden (Fan-)Kulturen werden ebenso konsequent wue liebevoll auf die Schippe genommen: Zunächst bettelt auf einem Rave der „Drop“-Button darum, dass er endlich den Bass droppen darf – aber der DJ will das Publikum noch weiter zappeln lassen. Später motzt Rockerin Barb, dass Pop-Königin Poppy total oberflächlich sei, da sie in seichtester Chartmusik-Logik denkt, dass alle Trolls ohne größere Mühen beste Freunde werden könnten. An anderer Stelle grummeln und raunzen Country-Trolle nach einem Liter Moonshine, als wären sie Jeff Bridges. Und was Poppy für die wichtigsten Songs der Weltgeschichte hält, ist einfach ungeheuerlich komisch…

    Diesmal wird Poppy mit ihrer offensiven (und auch mal nervigen) Gute-Laune-Attitüde allein sicher nicht ans Ziel kommen...

    Aufgelockert werden diese Persiflagen, augenzwinkernden Hommagen (natürlich spricht Ozzy Osbourne im Original den Rock-Ältesten) und skurrilen Einfälle durch zügige Situationskomik und peppigen Dialogwitz. Das verleiht dem bewusst-kindlichen Zuckerschockspaß auch so manche schärfere Komponente, etwa wenn Poppy in Branchs Ausrüstung einen Schlagring findet und davon schwärmt, wie hübsch er ja sei. Natürlich ist bei einem Film mit einer fast schon absurd hohen Schlagzahl an Gags wie „Trolls World Tour“ nicht jeder Schuss ein Treffer. Aber aufgrund der rasanten Erzählweise, mit der Dohrn nicht nur die Comedy-Einlagen, sondern auch die schmissig produzierten Song-Coverversionen, die turbulenten Medleys sowie den „Haltet Barb auf!“-Plot abwickelt, sind gelegentliche Rohrkrepierer stets schnell überwunden. (Und anders als im Erstling hat sich das deutsche Synchro-Team dieses Mal für eine innere Logik dahinter entschieden, welche Lieder im Original belassen werden: Wenn allein die Stimmung von Bedeutung ist, bleiben sie Englisch, sind die Texte handlungsrelevant, werden sie übersetzt.)

    Was „Trolls World Tour“ zudem äußerst positiv von seinem Vorgänger abhebt, ist seine Kernaussage: Der Erstling wechselte noch zwischen grinsend guter Laune und schalen Pseudo-Spannungsmomenten, um daraus eine verlogene „Wir alle können miteinander auskommen, solange jeder ununterbrochen froh und munter ist!“-Moral zu spinnen. In „Trolls World Tour“ hingegen dient der flott erzählte Alibi-Plot als Nährboden für ein deutlich ausgewogeneres Weltbild und eine wesentlich ergiebigere Lektion. Denn die Autoren feiern in ihrem Skript nicht nur Glückseligkeit, sondern vor allem Vielfältigkeit und erörtern, weshalb zu einer wundervollen Harmonie auch Differenzen gehören.

    Auf den Spuren von "Alles steht Kopf"

    Als knallbunte, ruhelose und seichte Trick-Musicalkomödie macht „Trolls World Tour“ die Bedeutsamkeit dessen, mal den Country-Blues zu spüren, dann so forsch wie Rock oder so froh wie Pop zu sein, selbstredend nicht derart ausdifferenziert klar wie Pixars „Alles steht Kopf“ die Wichtigkeit verschiedener Gefühle. Dennoch ist „Zu einem harmonischen Leben gehört es auch, Unterschiede zu zelebrieren“ eine löblich feingliedrige Moral für einen leichtfüßigen Familienfilm – und noch dazu eine, die das Autoren-Team sehr überzeugend und dramaturgisch ausgeklügelt ausbreitet. Nach und nach zeigt sich in „Trolls World Tour“ nämlich, dass sich Barb und Poppy zwar sehr unterschiedlich geben, aber überaus ähnlich-ignorante Dickschädel haben, weshalb sie vergleichbare Lektionen aus diesem Abenteuer ziehen müssen.

    Da Poppy in „Trolls World Tour“ nachvollziehbare Fehler macht und auf plausible Weise damit konfrontiert wird, lässt es sich deutlich besser mit ihr mitfiebern als noch im ersten Teil, wo sie als makellose Gute-Laune-Maus noch alles und jeden mit ihrer Attitüde infiziert hat. In der Fortsetzung hingegen ergibt sich ein nicht so leicht vorherzusagendes Für und Wider mit ihrem sarkastischen Weggefährten Branch. Und auch der Bedrohung durch Barb kann Poppy nur durch Findigkeit standhalten – statt etwa durch unbeirrbare Dauerfröhlichkeit. Daher ist „Trolls World Tour“ trotz einer knalligeren, flotteren Story ungleich packender und smarter erzählt als der gleichermaßen platte wie erzählerisch konventionelle Vorgänger. Somit fiebert man prompt viel stärker mit Poppy, Branch und Co. mit, was das große Finale umso mitreißender und schöner macht – und das, obwohl der Finalsong eine Spur zu glattgebügelt ist, um seiner erstaunlich komplexen Botschaft wirklich gerecht zu werden.

    Fazit: Eine irre, vor Ideen nur so sprudelnde Optik, schmissige Cover-Songs, peppige Medleys und eine sehr hohe Gagdichte, verwoben zu einem spaßigen Lobgesang auf Vielfalt – „Trolls 2: Trolls World Tour“ dreht die Stärken des Vorgängers voll auf und rockt dessen Schwächen einfach weg.

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