Geiselnahmen eignen sich für packende Erzählungen, die mit wehenden Fahnen Spannung versprechen. Wird sie bei einem glücklichen Ende zukunftsweisend Hoffnung verkünden oder schwebt sie auf Halbmast gehisst über den Köpfen der vom tragischen Ende erschütterten Zuschauerschaft? Jene bekannten Pfade einer Story für das gebotene Setting möchte Paul Weitz mit seinem ersten Film seit drei Jahren nicht entlangwandern. Das Drehbuch, an dem er selbst mitschrieb, hat für Julianne Moore, Ken Watanabe sowie deren Mitgefangenen eher eine romantische Auslegung des Stockholmsyndroms im Sinn. In der natürlichen Auslegung ihrer Einzelbestandteile verspricht diese Kombination für den Heimmarkt auf den ersten Blick, sofern Weitz seinen Dirigierstab bissig durch die Luft sausen lässt, durchaus Terrain für einen unterhaltsamen Abend. Im besten Fall diskutiert man nach Filmende noch über die auf die Spitze getriebene Verbindung von antagonistisch angelegten Handlungsbausteinen. Für eine Beurteilung der Qualität genügt letzten Endes ein Blick auf die Gesangsimitation des größten Verkaufsarguments Julianne Moore.
Äußerst unmotiviert porträtiert diese die Opernsängerin Roxanne Coss. Die Diva trifft während dem erpresserischen Befreiungsversuch einer kommunistischen Widerstandsorganisation auf den reichen Industriellen Hosokawa. Ken Watanabe darf in dieser Rolle schmachtend alles Erdenkliche an den Tag legen, um das Herz der Opernsängerin zu erobern. Eine Lösung, die zur schnellstmöglichen Freilassung der Geiseln führt, soll unterdessen der Experte Messner im Dialog mit den Geiselnehmern finden.
Der Film präsentiert die Handlungswelt und deren Umgang mit einer gewaltsamen Beraubung von Freiheit einer elitären Gruppe sehr dünn ausgestattet. Über die Verhältnisse in der südamerikanischen Nation werden keine Informationen übermittelt. Das minimalisierte Worldbuilding dient dazu persönliche die Beziehung zwischen Geiseln- und Geiselnehmern in den Fokus zu nehmen. Szene für Szene baut Weitz eine Utopie innerhalb einer unruhigen Welt, die es für ihn nicht wert ist zu erzählen. Sebastian Kochs Messner sorgt für unfreiwillige Komik, wenn er mit deutlich hervortretendem deutschem Akzent sein Erstaunen über den sich bietenden Ablauf zum Ausdruck bringt. Etappenweise wird er dementsprechend als Fremdkörper aus dem paradiesischen Ort, an dem Gesangsunterricht als Eskapismus zur Flucht vor den logischen Konsequenzen dient, verbannt. Sprachunterricht ist ein Aphrodisiakum sondergleichen und tödliche Begleiterscheinungen einer Bedrohung durch Sturmgewehre, die in ungeübte Hände gelangt sind, kann man in der romantischen Seifenblase mit kurzer Lebensdauer schnell vergessen.
Strahlt der Film anfangs noch die Klasse seiner sozialen Dimension aus, stellt man ernüchternd fest, das die reduzierte Optik im Mittelteil wohl nicht als Stilmittel eingesetzt wurde, um die Gleichheit während der unfreiwilligen Verlängerung eines Galaabends zu verdeutlichen. Der Vorhang fällt an einer strahlenden Säule des Operngesangs. Namensrechte sind die Solisten von Bel Canto.
Es ist beinahe tragisch, dass man einzig durch die logische Coda dieser Oper emotional ungerührt seinen Blick vom Abspann abwendent. Wartet man doch über alle Sätze hinweg voller Verzweiflung, dass die zuckersüße Interpretation eines bekannten Stoffes irgendeine Rührung hervorruft. Bitte zurück zum Klassischen! Zumindest bei dieser gescheiterten Interpretation.
Marco Busselmaier