So faszinierend die Charaktere auch sein mögen, ''Phantom Thread'' wirkt zu keiner Zeit sonderlich filmisch, sondern eher wie eine Theateradaption. Vermutlich ambitioniert, ein möglichst ausdrucksstarkes Skript zu verfassen, sind die von Anderson geschriebenen Dialoge entweder banal oder konfrontativ. Im ersten Fall sind sie vermutlich darauf ausgerichtet, den Schauspielern allerhand Raum zur Interpretation zu geben, wobei die Schauspieler diesen Raum dann so sehr ausnutzen wollen, dass es theatralisch wird. Im zweiten Fall sind sie so konfrontativ, dass es eigentlich gar keiner Schauspieler, keiner Gesichtsausdrücke, keiner Gesten. etc. mehr bedürfte. Allein das in der Hand gehaltene Skript würde ausreichen, und es wäre genug dramatisches Material vorhanden. Glücklicherweise spielt Day-Lewis seinen Part überzeugend, aber gelegentlich forciert er die Zeilen derart, dass alles unerträglich bedeutungsschwanger wird. Wie auch immer man Daniel Day-Lewis' Leistung einschätzt: das zentrale Problem des Films ist, dass das Skript von Anderson alles diktiert. Zudem ist es vermutlich auch etwas zu vorhersehbar geschrieben und wirkt letzten Endes wie eine Aaron-Sorkinsche Übung darin, innerhalb eines festgesteckten, und daher auch vorhersehbaren und schnell langweiligen dramaturgischen Rahmens (Fall einer egozentrischen Hauptfigur) die Personen des Dramas so radikal und wortgewaltig wie nur möglich gegeneinander aufzuhetzen und durch eine unangenehme Situation nach der anderen zu jagen. Insbesondere da man diese Strategie aus vorangegangenen Anderson-Filmen kennt, wird man daher schnell frustriert: welche Gesprächspause, welcher plötzliche Gefühlsausbruch kommt als nächstes, mit welcher eigentümlichen Phrasierung kommt Daniel Day-Lewis als nächstes um die Ecke (sogar die Bestellung eines Frühstücks wird zum Flirt)? Auf diese Weise erstickt ''Phantom Thread'' schnell an seiner Sucht, alles aufzubauschen. Interesse an den Gefühlen der Figuren entwickelt man indes leider überhaupt nicht, weil alles künstlich wirkt. Weder Day-Lewis' noch Krieps' Charakter wirken auch nur annähernd menschlich, sondern wie zwei Platzhalter, die nur dazu da sind, Andersons Projekt zu vervollständigen und die völlig banale Tatsache, dass Beziehungen zerstörerisch sein können, zu illustrieren. Erfolgreich wäre - denke ich - ein Film, der die Figuren nachvollziehbar macht, der zumindest Hinweise gibt, wieso diese Menschen, die so offensichtlich nichts miteinander gemein haben, dennoch aufeinanderhocken wollen; ein Film, der dem Zuschauer verdeutlicht, warum die Figuren sowohl voneinander angezogen, als auch voneinander abgestoßen sind. Von der Ablehnung erfährt man als Zuschauer allerhand. Das ist inszenatorisch natürlich auch die einfachere Aufgabe. Eine halbe Stunde grelles Licht und dissonanter Soundtrack sorgen sofort für ein Gefühl der Entfremdung. Von der Zuneigung der Figuren spürt man jedoch nicht das Geringste. Vermutlich ist Anderson aber auch nicht darauf erpicht, dem Zuschauer die Figuren begreiflich zu machen. Eher will er in einer Art dramaturgischer Geisterbahn dem Zuschauer allerhand spontane Reaktionen entlocken. So wird man irgendwann müde, das Spiel mitzuspielen, indem Anderson einem die nächste Szene vorsetzt und die awkwardness auf das nächste Level hebt, da man den Regisseur regelrecht vor sich sieht, wie er einem ein 'Oh, wie anstrengend' oder 'Genauso kenn ich das auch!' oder was auch immer entlocken will. Auf diese Weise wirkt ''Phantom Thread'' sogar richtig altmodisch. Jedes Stilmittel, jede Kamerabewegung, jeder Lichteinsatz, jede Dialogzeile, jeder Gesichtsausdruck scheint eine bestimmte Emotion hervorrufen zu wollen. Alles wirkt abgekartet.