Mein Konto
    Bibi & Tina 4 - Tohuwabohu Total
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Bibi & Tina 4 - Tohuwabohu Total
    Von Christoph Petersen

    Es gibt nur wenige (deutsche) Produktionen, die sich so frei und „aus dem Bauch heraus“ anfühlen wie die „Bibi & Tina“-Kinofilme: Irgendwo zwischen augenzwinkernder Fantasy-Komödie, ausgelassenem Pop-Musical und einem Jugenddrama auf Augenhöhe mit dem Zielpublikum entfacht Detlev Buck regelmäßig ein kunterbunt-kreatives Chaos, das einfach unglaublich viel Spaß macht. Dabei holt der „Rubbeldiekatz“-Regisseur seine jungen Zuschauer trotz aller „Hex-hex“-Zauberei immer in ihrer eigenen Lebensrealität ab und verhandelt alltägliche Teenager-Probleme auf eine ebenso ehrliche wie direkte Weise – seien es Zukunftsängste („Bibi & Tina – Der Film“), Kinderarmut (wie in „Bibi & Tina 2 - Voll verhext“) oder das andere Geschlecht („Bibi & Tina 3 - Mädchen gegen Jungs“). Im großen Finale der Reihe ist das nun nicht anders, denn in „Bibi & Tina 4 - Tohuwabohu Total“ steht ein Thema im Zentrum, das inzwischen seit fast zwei Jahren die Schlagzeilen dominiert und so auch Kinder und Jugendliche zunehmend berührt: die Flüchtlingskrise.

    Als Bibi (Lina Larissa Strahl) und Tina (Lisa Marie Koroll) bei einem Ausritt an den Fluss ihre über dem Lagerfeuer köchelnde Suppe geklaut wird, ist der jugendliche Langfinger zwar schnell gestellt, doch damit fängt das eigentliche Abenteuer erst an: Der Suppendieb stellt sich als Aladin (Lea van Acken) vor und gibt an, aus Syrien nach Deutschland geflohen zu sein. In der folgenden Nacht trifft das Trio in einer Scheune auf die Brüder Sinan (Altamasch Noor) und Karim (Ilyes Moutaoukkil), die ebenfalls aus Syrien stammen. So kommt dann auch schnell heraus, dass „Aladin“ (nicht nur) über seine Herkunft gelogen hat – in Wahrheit ist „er“ nämlich ein Mädchen, das Adea heißt und vor seiner Familie aus Nordalbanien abgehauen ist, weil es dort nicht mehr zur Schule gehen durfte und zwangsverheiratet werden sollte. Zudem sind ihr Onkel Igor (Albert Kitz) sowie ihre Cousins Ardonis (Oktay Inanc Özdemir) und Luan (Salah Massoud) Adea bereits dicht auf den Fersen…

    Aus gegebenem Anlass in der Welt machen wir weiter. Bibi und Tina sind und bleiben offen und unbestechlich.“ – Detlev Buck

    Es ist schon erstaunlich, wie scheinbar spielend leicht es Detlev Buck gelingt, die sommerliche Unbeschwertheit der Vorgängerfilme beizubehalten und zugleich die Flüchtlingsthematik – inklusive des Popsongs „Was würdest du tun?“ - auf eine ambivalentere und ehrlichere Weise zu behandeln als die allermeisten „ernsthaften Erwachsenenfilme“ (und als jede öffentlich-rechtliche Talkrunde sowieso): Ohne Probleme wie Zwangsehen, Familienhörigkeit oder Macho-Frauenbilder auszusparen, werden in „Tohuwabohu Total“ immer wieder die gängigen Flüchtlingsklischees geschickt unterlaufen, etwa wenn sich die syrischen Brüder nicht als hilflose Opfer, sondern als zuvor gutsituierte Privatschüler entpuppen, von denen einer jetzt in Berlin Architektur studieren möchte. An anderer Stelle verrät Sinan sogar Adea an ihren Onkel, weil hier nicht nur die Deutschen darüber verhandeln, welche Gründe für eine Flucht valide sind und welche nicht, sondern auch die Flüchtlinge selbst. Buck zelebriert eine herzliche, ehrlich empfundene Willkommenskultur – aber naiv ist er dabei nie (selbst wenn sich etwaige Sprachbarrieren hier mit einem simplen „Hex-hex“ aus dem Weg räumen lassen).

    Zugleich ist „Tohuwabohu Total“ auch der spannendste Teil der Reihe – vor allem eine spektakuläre Verfolgungsjagd, bei der Bibi und Tina auf ihren Pferden Amadeus und Sabrina von zwei Autos kreuz und quer über ein frisch gemähtes Kornfeld getrieben werden, gerät ganz besonders dramatisch. Zudem macht sich bei den Heldinnen echte Hilflosigkeit breit, als es ihnen einfach nicht gelingt, Adeas Familienangehörige aus ihren festgefahrenen (Macho-)Kulturvorstellungen herauszureißen – denn es gibt eben auch Dinge, die sich nicht einmal lösen lassen, indem man sein stures Gegenüber in einen störrischen Ziegenbock verwandelt. Für den humorigen Ausgleich sorgt im vierten Teil vor allem Burgtheater-Star Joachim Meyerhoff als betrügerischer Bauunternehmer Dirk Trumpf, der um Schloss Falkenstein eine extrem hohe (und extrem teure) Mauer errichten will: eine treffende, „Saturday Night Live“-artige Karikatur, über die es wohl noch viel leichter zu lachen fallen würde, wenn Donald Trump die Wahl nicht gewonnen hätte. Wobei: Vielleicht brauchen wir gerade jetzt noch mehr „Bibi & Tina“ und womöglich findet Detlev Buck - obwohl eigentlich alle Zeichen auf Abschied stehen - ja noch einmal einen „gegebenen Anlass in der Welt“, um doch noch einen fünften Teil nachzulegen. Wir würden uns freuen.

    Fazit: Ein mehr als würdiger Abschluss für eine tolle Kinderfilmreihe.

    PS: Nachdem die Frage unter unserem YouTube-Video vom Besuch am Set zu „Bibi & Tina 4“ sooooo oft gestellt wurde, hier noch einmal die Antwort für all die Fangirls da draußen: JA, Emilio Moutaoukkil als Tarik ist auch wieder mit dabei!

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top