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    Euphoria
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Euphoria
    Von Sascha Westphal

    2010 haben die schwedische Filmemacherin Lisa Langseth und der „Tomb Raider“-Star Alicia Vikander zum ersten Mal zusammengearbeitet. Das recht zynische Psychodrama „Die innere Schönheit des Universums“ war damals nicht nur Langseths erster Spielfilm, sondern auch Vikanders Kinodebüt. Seither hat die junge Schauspielerin eine große internationale Karriere gemacht, aber auch noch zwei weitere Filme mit Langseth realisiert: „Hotell“ und nun „Euphoria“ stehen dabei ganz in der Tradition ihres gemeinsamen Debüts. In diesen Filmen kann Vikander konsequent gegen ihr Image anspielen, das fest mit großen europäischen und amerikanischen Kostümfilmen verknüpft ist. Ihre Figuren in Langseths Werk sind innerlich beschädigte, wenn nicht gar schon zerbrochene Frauen, die ihren Schmerz durch Aggressivität betäuben wollen. Und es ist tatsächlich vor allem ihr Spiel, das die wie am Reißbrett entworfenen Dramen davor bewahrt, reines Kalkül zu bleiben. Vikander ist der menschliche Faktor in Langseths Planspielen von Liebe und Verrat, Schmerz und Hoffnung. In dem düsteren, den Betrachter lange im Dunkeln lassenden Schwesterndrama „Euphoria“ hat sie mit Eva Green nun erstmals ein ihr ebenbürtiges Gegenüber, das noch eine andere, eine viel wildere und unstetere Emotionalität ins Spiel bringt.

    Die beiden Schwestern Emilie (Eva Green) und Ines (Alicia Vikander) haben sich seit Jahren nicht mehr gesehen. Emilie, die ältere der beiden, ist in Europa geblieben und hat sich seit ihrer Jugend um die Mutter gekümmert. Ines ist, als sich ihr die Chance bot, nach New York geflohen und hat dort als Künstlerin Karriere gemacht. Doch ihre letzte Ausstellung wurde verrissen. Also nutzt sie Emilies Einladung zu einem gemeinsamen Urlaub zu einer erneuten Flucht. Aber schon in München, wo sich die beiden treffen, brechen die alten Wunden wieder auf. Jedes Gespräch mündet in Vorwürfen und Verletzungen. Emilie greift an, und Ines weicht einfach immer weiter zurück. Es ist fast schon ein Wunder, dass die beiden doch noch gemeinsam in die Schweiz aufbrechen. Dabei ist es offensichtlich, dass mit Emilie etwas nicht in Ordnung ist. Aber das will Ines nicht wahrhaben. Wie schon in ihrer Kindheit verschließt sie die Augen. Erst als sie in dem weit abgelegenen Resort, in dem Emilie sie eingemietet hat, ankommen, bleibt Ines keine andere Wahl: Sie muss der Realität ins Auge sehen...

    Was in dem Resort tatsächlich vor sich geht, soll hier nicht verraten werden, denn Lisa Langseth baut im ersten Drittel eine faszinierende Ambivalenz auf. Anders als Ines erkennt der Betrachter sehr schnell, was mit Emilie los ist. Aber das ist nur eins von zwei zentralen Mysterien. Das andere umgibt die riesige, idyllisch im Wald gelegene Villa. Eine Zeit lang ist ganz und gar ungewiss, wohin sich „Euphoria“ entwickelt. Natürlich legen Langseths frühere Filme nahe, dass auch ihre dritte Regiearbeit wieder ins Fahrwasser psychologischer Dramen finden wird. Aber zunächst spielt die Filmemacherin geschickt mit Genreandeutungen. Das Resort samt seiner Angestellten und Gäste, zu denen die rätselhafte Marina (Charlotte Rampling) und der extrem reiche Mr. Daren (Charles Dance) gehören, verströmt eine nur schwer greifbare Atmosphäre. Dem äußeren Schein ist auf jeden Fall nicht zu trauen, und so könnte sich die Geschichte durchaus auch zu einem düsteren Psychothriller oder gar zu einem okkulten Horrorfilm entwickeln. Genau darin hätte eine große Chance gelegen. Aber Lisa Langseth wagt sich letzten Endes doch nicht in David-Lynch-Gefilde vor. Sie wählt das erzählerische Sicherheitsnetz, das ein familiäres Drama bietet.

    Aber zumindest Eva Green und Alicia Vikander spielen ganz ohne Netz. Vikander variiert ihre Performances aus Filmen wie „Die innere Schönheit des Universums“, „Jason Bourne“ und „Ex Machina“. Wieder strahlt sie eine enorme Kälte aus. Alles an ihr wirkt kontrolliert und kalkuliert, aber unter der Oberfläche brodeln kaum zu kontrollierende Emotionen. Die Kälte, die Ines ausstrahlt, ist ein Schutzschild. Nur so kann sie überleben. Das ist natürlich ein psychologisches Klischee. Aber dank Vikanders Spiel gewinnt es eine große Wahrhaftigkeit. Eva Green legt Emilie genau entgegengesetzt an. Sie veräußert jede noch so kleine Emotion. Alles liegt ganz offen da und bekommt dadurch etwas Explosives. Ihre Ausbrüche stehen nicht nur in einem faszinierenden Kontrast zu Vikanders kontrolliertem Auftreten. Sie erinnern einen auch daran, was Ines alles unterdrückt.

    Fazit: Letztlich gleicht Lisa Langseths dritter Spielfilm einer Chance, die nicht genutzt wurde. Statt aus den Konventionen des europäischen Arthouse-Kinos auszubrechen, bedient die schwedische Regisseurin sie nur. Aber zumindest hat sie mit Alicia Vikander und Eva Green zwei brillante Hauptdarstellerinnen, die über das klischeebeladene Drehbuch hinauswachsen.

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