Der womöglich letzte Film von Kevin Spacey
Von Oliver KubeAls „Wonderland“-Regisseur James Cox im Dezember 2015 damit begann, das True-Crime-Drama „Billionaire Boys Club“ zu drehen, gingen er und seine Produzenten wohl davon aus, einen nahezu sicheren Award-Kandidaten und potenziellen Box-Office-Erfolg in der Mache zu haben. Schließlich hatten sie eine sexy Story im Fahrwasser von Martin Scorseses „The Wolf Of Wall Street“. Und dazu mit Ansel Elgort („Baby Driver“) und Taron Egerton („Rocketman“) zwei brandheiße Nachwuchsstars, denen sie dann auch noch einen zu den populärsten Charakterdarstellern seiner Generation zählenden Doppel-Oscargewinner zur Seite stellen konnten. Dummerweise handelte es sich dabei aber ausgerechnet um Kevin Spacey …
Im Oktober 2017 befand sich der Film gerade am Ende seiner durch Nachdrehs (längst nicht immer ein schlechtes Zeichen, sowas gab es auch schon bei vielen sehr guten und erfolgreichen Filmen) leicht verzögerten Produktionsphase. Da tauchten plötzlich die viel publizierten Vorwürfen wegen sexueller Belästigung gegen Spacey auf. An eine reguläre Veröffentlichung war wegen des gewaltigen Shitstorms anschließend kaum noch zu denken, von Oscarnominierungen mal ganz zu schweigen. Und so debütierte das zuvor noch hoffnungsvoll erwartete Werk erst im Sommer 2018 lediglich in einer Handvoll US-Kinos parallel zum Video-on-Demand-Start. Dabei machte „Billionaire Boys Club“ seinem Titel absolut keine Ehre, sondern spielte am Starttag gerade einmal lächerliche 126 Dollar ein.
Flop-Garant statt Superstar: Die Wirkung von Kevin Spacey hatten sich die Macher sicher anders vorgestellt.
Beverly Hills in den 1980ern: Der aus einfachen Verhältnissen stammende, extrem intelligente Joe (Ansel Elgort) und sein mit einer großen Portion Charme ausgestatteter College-Kumpel Dean (Taran Egerton) sind Anfang 20 und haben keine Lust mehr, von ihren reichen Ex-Kommilitonen von oben herab behandelt zu werden. Mit der finanziellen Unterstützung des gerissenen Geschäftsmannes Ron Levin (Kevin Spacey) gründen sie eine Finanzfirma, die sie kryptisch nur BBC nennen. Joe und Dean behaupten, in der Lage zu sein, ihren Investoren innerhalb kürzester Zeit gigantische Gewinne ausschütten zu können. Wie von dem Duo vorausgesagt, beißen die reichen Schnösel aus ihrem Umkreis sofort an. Schließlich wollen diese ihren Vätern unbedingt beweisen, dass sie auf eigenen Beinen stehen können. Zunächst läuft auch alles wie am Schnürchen – die Jungs machen mächtig Kohle, haben plötzlich Erfolg bei den schönsten Frauen (Emma Roberts, Suki Waterhouse) und werden endlich von den anderen akzeptiert, ja geradezu bewundert. Aber es dauert nicht lange, bis die Seifenblase zu platzen droht …
Um es vorwegzunehmen: „Billionaire Boys Club“ ist kein wirklich guter Film. Er ist nicht einmal ansatzweise so interessant und spannend, wie es allein schon seine Besetzung verspricht. Zugleich ist er aber auch längst nicht so übel, wie man es anhand des lachhaften Einspielergebnisses und nach dem Gewinn einer Goldenen Himbeere erwarten würde. Es handelt sich offensichtlich nicht um ein Big-Budget-Projekt, doch die Ausstattung ist absolut angemessen. Es fühlt sich sogar durchaus angenehm an, dass die Achtziger hier nicht wie so oft schrill und bis zur Karikatur überzeichnet präsentiert werden. Klamotten, Frisuren, Musik, Kulissen sind durch die Bank sympathisch zurückhaltend gestaltet. Auch der Schnitt von Glen Scantlebury („Con Air“) und die Kameraarbeit von James M. Muro („L.A. Crash“) versuchen sich nicht krampfhaft an damals stilbildenden und heute kultig anmutenden TV-Serien wie „Miami Vice“ oder „Der Denver-Clan“ zu orientieren, sondern begnügen sich stattdessen mit subtilen Referenzen.
Die Handlung basiert auf einer wahren Geschichte von 1983, die schon vier Jahre später für den US-Sender NBC als Fernseh-Zweiteiler realisiert wurde. Damals spielte Judd Nelson die Hauptrolle des Joe Hunt. In der neuen Version gibt der „Breakfast Club“-Veteran den Nebenpart des Vaters seiner alten Figur; nun gespielt von Ansel Elgort. Das Drehbuch des TV-Dreistünders orientierte sich damals fast komplett an den aus heutiger Sicht eher zweifelhaften Aussagen von Hunts Kompagnon Dean Karny und geriet so zu einem entsprechend einseitigen Gerichtsdrama mit Rückblenden. Das Skript von James Cox und seinem Schreibpartner Captain Mauzner („Factory Girl“) zieht hingegen auch andere Quellen wie unabhängig recherchierte Artikel von Journalisten heran und nimmt sich dazu einige kreative Freiheiten. Was auch absolut legitim ist – schließlich handelt es sich nicht um eine Dokumentation.
Trotzdem kommen die beiden Protagonisten im Endprodukt nie wie echte Menschen, sondern wie leere Hülsen daher. Speziell Hunts Motivation wirkt aufgepfropft und fake. Klar, er ist kein in Saus und Braus aufgewachsenes Millionärssöhnchen wie seine Kumpels, aber wirklich dreckig geht es im Film weder ihm noch seinem Dad. Soll er ein psychisch gestörter Soziopath sein? Oder ist er ein simpler Gernegroß? Keine Ahnung, denn das wird nicht einmal angedeutet und man kann es sich aufgrund der viel zu dünnen Figurenzeichnung auch nicht selbst zusammenreimen. Über Karny und seinen gedanklichen Hintergrund erfahren wir sogar noch weniger. Insofern fällt es dem Zuschauer schwer, sich in das Duo hineinzuversetzen oder mit ihnen zu fühlen, wenn ihr Lügengerüst einstürzt. Auch weil jemand anderes – nämlich Ron Levin – noch viel schlauer betrügt und hochstapelt als sie.
Joe und Dean tun alles, um mit ihren superrreichen College-Kumpels zukünftig in derselben Liga spielen zu können.
Womit wir dann auch wieder bei Kevin Spacey wären. Der ist etwa die Hälfte der Laufzeit von 108 Minuten dabei und spielt in jeder seiner Szenen sämtliche Leinwandpartner locker an die Wand. Selbst die klischeehaften und/oder schwach formulierten Segmente seiner Dialoge bringt er glaubhaft an den Zuschauer. Spacey weiß augenblicklich und jederzeit als schmieriger Hochglanz-Bauernfänger zu überzeugen. Der „House Of Cards“-, „Die üblichen Verdächtigen“- und „Sieben“-Star dominiert auf die für ihn typisch souveräne Weise das Geschehen, wann immer sein Charakter zu sehen ist. Unabhängig davon, welche Sauereien er hinter den Kulissen seiner Karriere verübt haben mag: Für Fans expressiver Leinwanddarstellungen ist es mehr als traurig, dass ausgerechnet ein nur halbgar realisiertes Werk wie dieses der womöglich letzte Film sein dürfte, in dem der begnadete Schauspieler zu sehen sein wird.
Fazit: Kevin Spaceys möglicherweise letzter Film krankt zwar an einem schwachen Drehbuch, ist aber auch längst nicht so katastrophal, wie er von der US-Presse gemacht wurde.