Es ist sicher der Bondfilm mit dem ulkigsten Titel. Aber über „Octopussy“ gibt es noch weitere Kuriositäten und Besonderheiten zu berichten. Regisseur John Glen, der beim vorangegangenen Bond „For Your Eyes Only“ schon Regie führte, begibt sich mit diesem Steifen auf neues Terrain und entdeckt den Klamauk.
Wir schreiben das Jahr 1983. Unser James Bond heißt mit bürgerlichem Namen Roger Moore und ist wieder einmal im Dienste seiner Majestät unterwegs. Ein ermordeter Kollege in Berlin, in dessen Besitz ein echtes Fabergé-Ei im Inneren einer billigen Fälschung gefunden wurde, bringt den Superagenten 007 auf die Spur der schönen Händlerin Octopussy (Maud Adams) und ihres indischen Geschäftspartners Kamal Khan (Louis Jourdan). Als sich der mysteriöse Inder mit dem russischen General Orlov (Steven Berkoff) trifft, der für seine radikale Politik gegen die westlichen Mächte und die NATO gefürchtet ist, läuten bei James Bond und seinen Vorgesetzen endgültig die Alarmglocken. Der Agent tourt den Globus zwischen Berlin und Indien hoch und runter, um die Hinweise auf die dunklen Machenschaften der Russen und ihrer willigen Zulieferer zu finden. In Octopussys reisendem Zirkus, der zufälligerweise voller athletischer Frauen ist, stößt Bond auf die letzten Puzzlestücke…
„Octopussy“ ist kein typischer Bondfilm. Das liegt zunächst daran, dass zur gleichen Zeit und in direkter Konkurrenz zu diesem Titel ein weiterer Bondstreifen („Sag niemals nie“) entstand, in dem der Original-007 Sean Connery wieder den Helden mimte. Ausgangspunkt war ein heftiger Streit um die Drehbuchrechte an Ian Flemings Goldgrube des Agentenfilms. So entstand „Octopussy“ nicht ohne Erfolgsdruck gegenüber dem als Nachahmung verschrienen „Sag niemals nie“ von Irvin Kershner. Vielleicht geht der verstärkte Einsatz von Humor und Klamauk in John Glens Bond auch auf diese Konkurrenzsituation zurück. Anders lässt es sich nicht erklären, dass Roger Moore als Top-Agent an einer Liane zum Original-Tarzanschrei durch den indischen Dschungel schwingt. Was immer auch die Ursache für derartige Ausflüchte ist, sie kommt bei Bondfans sicher nicht gut an. Bond muss einem deutschen Ehepaar im Wagen beim unangenehmen Streiten zuhören und kann sich auch in anderen Situationen nicht mehr seriös und mit gewohntem Stil aus der Affäre ziehen. Dadurch entsteht eine peinliche Grundtendenz, welche auch die satte Action nicht mehr auffangen kann.
Aber in Sachen Action steht dieser Bond den Vorgängern wenigstens in nichts nach. Vom Kampf auf einem Flieger in mehreren tausend Metern Höhe, bis zum Gerangel auf einem fahrenden Zug fährt das Team um Regisseur John Glen alles auf, was das Action-Segment hergibt. Bei dem Stunt auf dem Zug verletzte sich das Bonddouble so schwer, dass der Stuntman mehrere Monate lang ausfiel und schließlich ersetzt werden musste. In den Zeiten ohne digitale Special Effects mussten Stuntmen und Crew noch größere Risiken eingehen. Dafür hat dieser Bond auch noch den bewährten „handmade“ Look, der seit der Ära Pierce Brosnan eindeutig verloren gegangen ist und durch übelste digitale Neuerfindungen wie den unsichtbaren Aston Martin nicht ersetzt werden konnte. Stattdessen sieht man bei „Octopussy“ in der großen Eröffnungssequenz die Metallstange, auf der Bonds Leichtflugzeug durch eine Scheune „geflogen“ wird. Hier ist eben alles noch selbst gemacht und mit Liebe zum Stoff umgesetzt. Nach „Octopussy“ inszenierte John Glen übrigens noch die Bondfilme „Im Angesicht des Todes“, „Der Hauch des Todes“ und „Lizenz zum Töten“. Den in „Octopussy” eingeschlagenen Weg setzte er fort, allerdings ohne den Humor derartig überzustrapazieren.
Festzuhalten bleibt, dass die Schwedin Maud Adams bislang die einzige Frau ist, die zweimal in die Rolle des Bondgirls steigen durfte. Denn vor der Titelrolle in „Octopussy“ trat sie bereits in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ in Erscheinung. Hingegen ist es der vorletzte Film mit der Miss Moneypenny, die seit Bonds erstem Einsatz 1962 in „James Bond 007 jagt Dr. No“ die charmante Sekretärin spielte und ihm über 20 Jahre lang treu zur Seite stand: Lois Maxwell. Wie auch Routinier Roger Moore in seinem vorletzten Auftritt als 007 machen die Damen ihre Sache wieder perfekt und lassen echtes Bondfeeling aufkommen. Auch das Publikum lässt sich dankbar von den Darstellern becircen. Trotz der Einschränkungen durch den platten, klamaukigen Humor ist „Octopussy“ einer der letzten echt klassisch inszenierten Bonds. Vor der Verjüngungskur des Geheimagenten am Ende der 80er Jahre durch Timothy Dalton darf Roger Moore hier noch einmal alles geben und seinen Charme spielen lassen. For queen and country...