Frühstück bei Monsieur Henri ist eine eher leichte französische Komödie, die mit ihrer einfachen Erzählstruktur nicht sehr überraschend wirkt, aber durchaus ihre Stärken in den Figuren hat. Diese sind zwar teilweise etwas klischeebehaftet, aber dennoch sehr vielschichtig gezeichnet. Es gibt keine Figur, die wirklich eindimensional wirkt. Jedem Protagonisten nimmt man ab, dass sie hinter dem ersten Eindruck, den sie hinterlassen, noch eine weitere unentdeckte Facette haben. Und diese möchte man im Laufe des Films weiter entdecken. Hier liegt die große Stärke dieses Films: Auch wenn die Geschichte an manchen Stellen vorhersehbar ist, bleibt es aufgrund der Charaktere und deren Entwicklung sehr kurzweilig.
Dies wird sehr deutlich in den beiden Hauptcharakteren, deren Besetzung sinnbildlich mit den Figuren selbst sind, wenn man sich den Generationenkonflikt ansieht. Auf der einen Seite Henri, der als Witwer, Rentner und ehemaliger Selbstständiger fast alles schon gesehen hat, gespielt von Claude Brasseur, einem Darsteller, der zu den ganz großen des französischen Films gehört und eine bewegte Karriere hinter sich hat. Auf der anderen Seite spielt die Newcomerin Noémie Schmidt die junge Constance, die wie sie am Anfang ihrer Laufbahn und dem Start ins reale Leben steht.
Constance wirkt trotz ihrer jungen Jahre recht gefestigt und weiß, was sie will, ist aber in vielen Situation dann doch wieder überrannt.
Diese Ambivalenz zeigt sich eigentlich durch den ganzen Film hinweg, sei es im Vorstellungsgespräch um das Zimmer mit Monsieur Henri oder in der Tatsache, wie sie scheinbar souverän mit Paul flirtet und ihn um den Finger wickelt, aber selber dann ihr eigenes Liebesleben nicht ganz im Griff hat. Sie hat zwischendurch eine kurze Romanze mit einem DJ, die sich allerdings als nur kurz und sehr oberflächlich darstellt und daher schnell wieder im Sande verläuft, da dieser nach kurzer Zeit schon die nächste junge Dame hat.
Auch will sie sich von ihrem Vater aus dem kleinen Dorf lösen, vor dem sie am Anfang des Films ausbricht, der aber immer wieder kurz in ihr Leben in Paris eintritt, und symbolisch für ihre Vergangenheit ihr immer wieder bewusst macht, was sie nicht möchte. Zum Ende der Geschichte kann sie sich aber auch hiervon lossagen und untermauert damit noch einmal nicht nur ihr eigenes Erwachsen-Werden, sondern auch ihr Wunsch nach einer Karriere als Musikerin.
Auch wenn so manche Entwicklung vorhersehbar wirkt, so ist schön zu sehen, dass jede Figur eine eigene Geschichte durchläuft und eine Wandlung durchmacht. Dadurch sind sie am Ende des Films nicht mehr dies selben, wie am Anfang. Constance emanzipiert sich vom Elternhaus und ihrem jungen Ich, Henri bringt seine verloren geglaubte weiche und empathische Seite hervor, und Paul löst sich emotional von seinem Vater und festigt seinen Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben. Selbst Valerie, die hier noch die noch kleinste Entwicklung durchmacht, zeigt zum Ende hin, dass sie nicht nur spießig und langweilig ist, sondern auch klar Stellung beziehen kann. Dadurch gelingt auch die Aussprache mit Paul.
Frühstück bei Monsieur Henri ist eine erfrischende Komödie mit charmanten Unterton. Ivan Calbarec zeigt eine leichtgängige Geschichte aufgepeppt mit subtilen Andeutungen von zwischenmenschlichen Befindlichkeiten.
Dabei lebt der Film von seinen beiden Hauptdarstellern, Altmeister Claude Brasseur und der jungen Noemie Schmidt, die wunderbar harmonieren, und denen man die Spielfreude hier ansieht.
Es ist ein Film, der eine sehr einfache Geschichte ohne große Wendungen oder Überraschungen erzählt und der in seiner Einfachheit auch seine einzige Schwäche hat. Es fehlt etwas am französischen Charme anderer Filme sowie dem fehlenden Nutzen der tollen Kulisse von Paris, der das französische Kino ausmacht. Man könnte dies natürlich auch als Pluspunkt werten, wenn man sagt, man wolle sich auf die Personen und eben die Charakterbildung der jungen Constance konzentrieren. Jedoch liegt gerade in der Figur des Monsieur Henri mehr Potential, als der Film hier hergibt und trotz einiger Weisheiten, die er Constance mit auf den Weg ins Erwachsen-Werden gibt, bleibt seine eigene Geschichte bis auf eine Ausnahme etwas auf der Strecke. Man hat jedoch das Gefühl, der Film möchte dies gar nicht erreichen. Er möchte keine Charakterstudie eines Mannes zeichnen, der fast alles schon gesehen hat und dessen kalte Härte nur das Ergebnis mehrerer Schicksalschläge ist, sondern sich auf den Generationenkonflikt konzentrieren und dem damit verbundenen emotionalen Aufweichen eines stur wirkenden alten Mannes.
All das ist in einer herzlichen, aber einfachen Kömodie zusammengepackt, die zwar zum Ende hin unter die Haut geht, aber sonst sehr einfach bleibt, aber nie wirklich langweilig wird.