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Michael S.
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3,5
Veröffentlicht am 1. Mai 2017
Schon der Vorspann verdeutlicht, was der Zuschauer hier vorgesetzt bekommt: Eine Familiengeschichte im Kontext deutscher Zeitgeschichte, die mit dem gebotenen Ernst der Sache ein differenziertes Porträt aller Beteiligten zeigen will. Ein anderer Ansatz als beim Mitbewerber RTL, dessen Film zum selben Thema mehr auf kurzweilige Unterhaltung setzte als es dieser Zweiteiler tut. So verschieden beide Projekte auch sein mögen, den Vergleich müssen sie aushalten. An hochkarätigen Hauptdarstellern mangelt es jedenfalls auf keiner Seite. Christian Friedel tut was er kann, seine Verkörperung des stillen Grüblers Adi ist vielschichtig und erinnert in manchlerlei Hinsicht an seine Rolle in "Das weiße Band". Hanno Koffler hingegen spielt den Lebemann und Draufgänger Rudi Dassler so einseitig überheblich, dass man schon von Anfang an weiß, wem hier die Sympathien gehören sollen.
Die Konkurrenz der Dassler-Brüder zieht sich als Grundmotiv durch den ganzen Film. Anders als Ken Duken und Torben Liebrecht, die seinerzeit noch besser miteinander harmonierten und wenigstens am Anfang überzeugend gemeiname Sache machten, lässt das Regieduo Boss und Stennert die beiden Helden gleich zu Beginn Wettrennen austragen und so manchen anderen brüderlichen Konflikt ausfechten. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass die Personen aus dem Umfeld der beiden Dasslers in der ARD-Produktion deutlich mehr Bildschirmzeit erhalten. So erfahren wir nicht nur, inwiefern die Eltern der Gebrüder Dassler von den Plänen ihrer Söhne betroffen sind, sondern auch, wie sich der krankhafte Ehrgeiz von Rudi und Adi auf deren Nachwuchs auswirkt. Selbst als die Figuren mit Alterserscheinungen und ihre Darsteller mit den leblosen Latexmasken dieses Handlungsabschnitts zu kämpfen haben, führt kein Weg zur Versöhnung.
Durch die früh beginnenden Konflikte wirkt die Entzweiung der Brüder dann schon fast zwangsläufig. Das Thema Nationalsozialismus wird pflichtschuldig abgehandelt, der Krieg selbst sorgt jedoch nicht nur für wirtschaftliche Verluste und seelische Wunden, Rudi wittert fortan überall Verrat, deshalb spalten sich Familien und Firmen kurz darauf. Hier droht der Zweiteiler beinahe in Richtung öffentlich-rechtliches Familiensozialdrama abzudriften, man kriegt jedoch rechtzeitig die Kurve, verweist zusätzlich auf die Sportgroßereignisse der Zeit und bindet die ikonischen Designs von Adidas und Puma in die Handlung ein. Ob das schon Werbung ist oder noch GEZ-finanzierte künstlerische Freiheit - der Grat ist schmal.
Letztendlich ist es schwer zu sagen, welche Verfilmung denn nun die bessere ist. "Die Dasslers" gibt sich ernsthafter und ausführlicher als "Duell der Brüder", kann deshalb aber auch schwerer zugänglich sein. Auch die Anwesenheit von Christoph Maria Herbst, der sich hier seit längerer Zeit wieder einmal in einer ernsten Rolle versucht, trägt kaum zur Auflockerung bei. Seine Szenen wirken vielmehr unfreiwillig komisch, da man nicht umhin kommt, bei seiner Frisur und Schnauzbart an die "Stromberg"-Parodie "Obersalzberg" zu denken. Wer das und einige andere Ungereimtheiten wegstecken kann, dürfte drei Stunden lang niveauvoll unterhalten werden. Ob darüber hinaus viel von diesem TV-Event zurückbleiben wird ist allerdings fraglich.