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    Nerve
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Nerve
    Von Christoph Petersen

    Die Autorin Jeanne Ryan sagt über ihre eigenen Geschichten, dass sie „nächste Woche Realität werden könnten, es aber hoffentlich nicht tun“. Und tatsächlich: Das titelgebende Online-Spiel in ihrem Buch „Nerve“ wirkt tatsächlich gar nicht so weit hergeholt in diesen Zeiten, in denen jeden Tag Millionen von Menschen auf die Straßen gehen, um Jagd auf virtuelle Taschenmonster zu machen, und in denen YouTuber und Twitch Gamer wie Superstars gefeiert werden, wie es früher nur bei Sportlern und Schauspielern der Fall war. Die Regisseure Henry Joost und Ariel Schulman („Catfish“, „Paranormal Activity 3“) haben sich den zeitgeistigen Roman nun vorgenommen und daraus einen Film gemacht, der sich vor allem dank seines atemlosen Tempos und seiner zwei charismatischen Hauptdarsteller als knackig-kurzweilige Thriller-Unterhaltung mit einigen bissigen satirischen Untertönen erweist.

    Wenn man das exklusive Online-Game „Nerve“ das erste Mal öffnet, muss man sich entscheiden: Will man als Watcher einfach nur einen gewissen Betrag zahlen und zusehen, oder will man als Player die Herausforderungen der glotzenden Community absolvieren und so immer größere Summen gewinnen. Als die eigentlich ebenso schüchterne wie verantwortungsbewusste Highschool-Schülerin Vee (Emma Roberts) das Spiel startet, drückt sie aus einer bockigen Laune heraus den „Player“-Button – und stürzt sich so direkt in die aufregendste Nacht ihres bisherigen Lebens: Aber wo die ersten Herausforderungen noch harmlos anmuten, Vee muss etwa einen völlig Fremden namens Ian (Dave Franco) für fünf Sekunden küssen und mit ihm auf seinem Motorrad nach New York fahren, werden die Aufgabenstellungen schnell immer extremer, bis es nicht länger nur darum geht, seine Ängste zu überwinden, sondern tatsächlich darum, in dieser wilden Nacht nicht sein Leben zu verlieren…

    „Nerve“ ist neben dem einnehmenden Charisma von Emma Roberts („Scream 4“) und Dave Franco („Die Unfassbaren 2“) vor allem deshalb so mitreißend, weil die Zukunftsvision so vollkommen glaubhaft beginnt: YouTuber stellen sich ja schon jetzt den Herausforderungen ihrer Abonnenten (Zimt-Challenge & Co.), um sich so neben den Werbeeinnahmen auch etwas Internet-Instant-Ruhm zu sichern – und warum sollte man dieses (Spiel-)Prinzip nicht einfach in eine App verpacken? Auch dass die Community sofort alles über die Player herausbekommt, indem sie deren Social-Media-Profile durchforstet (wenn jemand auf Facebook angegeben hat, dass er Höhenangst hat, wird er von den Zuschauern besonders hoch hinausgeschickt), wäre bereits heutzutage genauso möglich. Wenn sich ein paar talentierte (und sadistische) Jungprogrammierer zusammenhocken würden, wäre ein reales „Nerve“ wohl tatsächlich in maximal einer Woche betriebsbereit.

    Aber die Herausforderungen sind nicht nur für einen Sci-Fi-Thriller angenehm bodenständig, sondern auch extrem spannend inszeniert. Nachdem das Regieduo schon beim dritten und vierten Teil der „Paranormal Activity“-Reihe sehr viel mit verschiedenen Kameras herumprobiert hat (unser absoluter Favorit: eine Kamera auf einem schwenkenden Stehventilator), kennen sie auch diesmal keine falsche Zurückhaltung, wenn es um den dynamischen Einsatz von GoPros & Co. geht. So rast Ian etwa blind auf seinem Motorrad durch die Straßen Manhattans, während die hinter ihm sitzende Vee versucht, ihn durch den engen Verkehr zu lotsen. Aber am spannendsten ist überraschenderweise eine Szene, die einen der anderen Player zeigt. Dieser muss sich zwischen die Bahngleise legen, während ein Zug über ihn hinwegrast – und die Kamera ist immer ganz nah dran, während man sich als Zuschauer fragt, ob da nicht gleich doch noch irgendwas von einem der Waggons herunterragt und ihn in Stücke reißt. Eine der nervenaufreibendsten Nägelkau-Sequenzen des Kinojahres.

    Bis hierhin macht „Nerve“ einfach nur Spaß – und trifft dazu noch einen guten Mix aus Elementen, die das Internet rühmen (Vee kommt endlich mal aus sich heraus), und solchen, die das Internet verdammen (lebensgefährliche Mutproben). Erst im letzten Drittel streckt sich der moralische Zeigefinger immer mehr heraus, während die Glaubwürdigkeit des Geschehens immer mehr nachlässt (die ganze Episode um Darknets und Spambots ist völliger Unfug). Aber wer zuvor auf „Nerve“ so eingestiegen ist wie wir, der befindet sich eh längst gemeinsam mit Vee und Ian in einem Adrenalinrausch, der einen auch über die eine oder andere Logiklücke auf der Zielgeraden großzügiger als sonst hinwegsehen lässt.

    Fazit: Selbst wenn „Nerve“ seine Idee am Ende etwas zu weit treibt, bietet der Film 96 Minuten spannende Hochgeschwindigkeits-Genreunterhaltung.

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