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    Cobain: Montage Of Heck
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    3,5
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    Chris D. Troublegum
    Chris D. Troublegum

    9 Follower 45 Kritiken User folgen

    4,5
    Veröffentlicht am 21. Januar 2020
    Wirklich gute Musiker-Biopics sind dieser Tage rar. Von Ausnahmen wie dem Johnny Cash-Film „Walk The Line“ oder dem grenzgenialen „Control“, der in fiebrigem Schwarzweiß die viel zu kurze Lebensgeschichte des Joy Division-Kopfs Ian Curtis erzählt, einmal abgesehen, sind die meisten Versuche, ansprechende filmische Werke über Musiker zu erschaffen, eher im Durchschnitt anzusiedeln. Nicht selten wirkt es dann so, als würden bei aller Ambitioniertheit der Regisseure und Drehbuchautoren letzten Endes nur die vermeintlich wichtigen Stationen aus dem Leben des jeweiligen Künstlers abgeklappert, gleich einer To-do-Liste, ohne dass dabei aber wirklich unter die Oberfläche geblickt würde und ein scharfes Persönlichkeitsporträt entstünde, das näheres Verstehen und psychologische Erkenntnisse bringt, die das sture Chronologisieren einer Biografie eben nicht liefern kann. Todd Haynes tat 2007 gar gut daran, sich in seinem Film-Experiment „I`m not there“ die Freiheit rauszunehmen, sich anhand verschiedener Handlungsstränge und Geschichtsentwürfe dem Menschen Bob Dylan in einer Art Metaperspektive zu nähern, ohne dass der Name Bob Dylan dabei jemals konkret fiel.

    Eine große Persönlichkeit der Musikhistorie hat bisher nur unzureichende filmische Nachrufe erhalten: Nirvana-Frontmann Kurt Cobain. Zwar gab es schon die eine oder andere cineastische Fingerübung über die Grunge-Legende – man denke etwa an Gus van Sants fiktionalen „Last Days“ oder die Verschwörungs-Doku „Kurt &
    Courtney“ – wirklich gerecht wurde ihr aber keins der Werke. Das ändert sich nun: Brett Morgans zu großen Teilen aus bislang unveröffentlichtem Archivmaterial zusammengesetzte Dokumentation „Cobain: Montage of Heck“ ist eine enorm faszinierende, bewegende und detailverliebte Filmcollage geworden, die in jeder Faser zu pulsieren scheint, immer wieder den rebellischen Zeitgeist der frühen 90er atmet, und dabei dem Mythos Cobain so nahekommt wie bisher keine filmische Abhandlung zuvor, ohne seine Person aber in den Stand eines Halbgottes zu erheben. Im Gegenteil: Bei aller (fast surrealen) Faszination bleibt der Film stets zutiefst menschlich und setzt dem Godfather of Grunge damit ein mehr als würdiges Denkmal.

    „Montage of Heck“ erzählt die Lebens- und Leidensgeschichte Cobains, beginnend mit der Geburt und seiner frühen Kindheit im nordamerikanischen Holzfällerkaff Aberdeen, skizziert die schwierigen Familienverhältnisse, das Nomadendasein des jugendlichen Cobain, der irgendwann aus der alltäglichen Frustration über die Einöde der Kleinstadt und als Affront gegen die Hippie-Ideale seiner Eltern beginnt, sich gegen die bestehende Ordnung aufzulehnen. Der Film zeigt, wie das Wunderkind, das immer anders war und sein wollte und dessen Hass auf die Verlogenheit der Menschen früh wucherte, seine Liebe zu Punkrock entdeckte, wie er ein Mixtape nach dem anderen an Plattenfirmen schickte, bis ihm schließlich durch seine Beharrlichkeit der Weg geebnet wurde, langsam aber sicher in den Rock-Olymp aufzusteigen, weil seine Band Nirvana (der Name entstand nach einer Reihe von alten Bandnamen, die alle an Fäkalsprache angelehnt waren) zur richtigen Zeit an den Start ging, um die Rock-Revolution anzuzetteln. Cobain, Bassist Krist Novoselic, der auch in vielen zwischengeschnittenen Interviews zu Wort kommt, und Drummer Dave Grohl kreierten mit ihren drei Studioalben „Bleach“ (1989), dem Megaseller „Nevermind“ (1991) und der kreativen Rückbesinnung „In Utero“ (1993) einen Sound, der sowohl von Seventies-Bands wie Black Sabbath und Led Zeppelin, aber auch vom Punkrock und von Avantgarde-Exzentrikern wie den Melvins beeinflusst war, in seiner eklektischen Form aber dennoch völlig neuartig war und der die Illusionslosigkeit, Frustration, gleichzeitig aber auch eine neue Aufbruchstimmung am Scheideweg politischer Umwälzungen perfekt einzufangen wusste. Cobain zerbrach bekanntlich an den Folgen des Ruhms, die ihn immer tiefer in die Drogensucht trieb, bis er sich am 5. April 1994 in seiner Garage mit einer Schrotflinte das Leben nahm. Die Textzeile „I swear that I don`t have a gun..“ aus seinem Song „Come as you are“ wurde so im Nachhinein zu einem tragischen Paradoxon. Man ahnte die Zeichen, wollte sie aber nicht wahrhaben, wie von Novoselic und etlichen anderen Weggefährten Cobains, darunter seine erste Freundin Tracy Marander, seine Eltern oder enge Freunde, in Interviews mehrfach betonen.

    Auf Spielszenen und/oder fiktionale Ergänzung wird vollständig verzichtet. Brett Morgan inszenierte einen Mix aus Interviewschnipseln, Archivbildern, Super-8-Videos aus dem Privatbestand der Band und TV-Bildern vom Aufstieg der Band und verdichtet diese zu einer intensiven Collage aus Eindrücken, die wie aus einem Guss wirkt, und dabei niemals konstruiert oder prätentiös. „Montage of Heck“ spielt sich vor dem Zuschauer ab mit dem natürlichen Fluss einer nicht auf stringente Dramaturgie bedachten Erzählung. Zwar wird das Geschehen weitestgehend chronologisch inszeniert, aber dennoch hält sich Morgan dabei nicht sklavisch an die Regeln des klassischen Biopics. Manchmal gibt es minutenlange Montagen von Cobains Tagebucheinträgen mit „lebendigen“ Buchstaben, die auch öfters aus dem Off kommentiert werden. Zwischendrin wird die „Handlung“ mit Comicstrips unterfüttert, die die Ereignisse und teilweise auch die Gedankenwelt von Kurt visualisieren. Dazu lässt der Regisseur auch alte künstlerische Arbeiten von Cobain wie Malereien, Skulpturen und Skizzen zum Einsatz kommen, die er dann in Daumenkino-Manier präsentiert. Insgesamt wirkt das Ganze in sich schlüssig und strukturiert, stilistisch kann man Morgan keinen Vorwurf machen. „Montage of Heck“ ist gespickt mit allerlei Nirvana-Songs, wirkt wie ein gewaltiger Querschnitt durch das Schaffen der Band, von den frühen rohen Radio-Auftritten und Demos, als Kurt noch im Keller die Wand angesungen hat (zu sehen auch auf der Bonus-DVD der „With the Lights Out“-Box), über die ersten „Bleach“-Sessions, dann die Megahits aus der „Nevermind“-Ära, die ein ganzes Genre einer Generalüberholung unterzog, bis hin zu den „In Utero“-Stücken, die Kurt als introvertierten, langsam an seiner Wut und Frustration zu ersticken drohenden, aber ernsthaften Songwriter zeigen, der seinen künstlerischen Zenit erreicht hat. Der restliche Soundtrack ist garniert mit viel Punkrock, den Cobain selbst gehört und als Inspiration für seine eigene Musik gesehen hat.

    Alles in allem ist der längst überfällige Cobain-Film ein hochinteressanter, zutiefst ehrlicher und einfühlsamer, ungemein faszinierender Nachruf auf einen der einflussreichsten Musiker der Rockgeschichte geworden, der den charismatischen Nirvana-Fronter nicht als Kunstfigur, sondern als Menschen erscheinen lässt, dem seine Sensibilität in Verbindung mit den Folgen des Ruhms und dem Erwartungsdruck seiner Fans und Kritiker zum Verhängnis wurde. Der Film zeigt auch das manchmal fatale Missverhältnis zwischen Künstler und Medien auf, bzw. wie die mediale Maschinerie das Schaffen einer Band aushöhlt, indem sie deren Legendenbildung verfolgt und Dinge kolportiert, die der Sicht des Konsumenten auf den Künstler zuträglich sein sollen. „Montage of Heck“ erinnert daran, warum Nirvana mit ihrer Musik eine neue Ära eingeleitet haben, warum Kurt Cobain, Dave Grohl und Krist Novoselic weltweit als DAS musikalische Phänomen der 90er Jahre gefeiert wurden, blickt aber auch in die Seele einer innerlich zerrissenen Persönlichkeit, indem er ihr mithilfe vieler Verschriftlichungen Cobains, Äußerungen von Menschen aus seinem Dunstkreis, und nicht zuletzt der Musik selbst auf den Grund geht. Dabei schafft der Film immer wieder magische Momente. Dazu gehören das unbeschwerte Herumtollen von Kurt und Courtney mit ihrer kleinen Tochter Frances Bean, diverse Mini-Comics, die Kurt beim Basteln an seinen Songs zeigen, ein klassischer Chor, der „Smells Like Teen Spirit“ intoniert, während das legendäre Video dazu in Zeitlupe abläuft, und natürlich jede Menge Konzert-Mitschnitte. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, insbesondere der sehr eigene, mal tiefschwarze, mal erfrischend alberne Humor von Kurt. In einer Szene parodiert er Soundgarden-Sänger Chris Cornell mit aufgemalter Popelbremse und freiem Oberkörper und dessen Clip zu „Outshined“. Ganz wird man den Mythos rund um Cobains Tod niemals ergründen und erklären können, aber Brett Morgan kommt dem so nahe wie nur möglich. Daher ist es auch die richtige Entscheidung gewesen, dass der Film eine Woche vor dem Suizid Kurts den Abspann über die Leinwand flimmern lässt. Morgan wollte das differenzierte Portrait eines Künstlers entwerfen, und kein Requiem schreiben. Nicht nur, was das betrifft, ist das Unternehmen gelungen – und „Montage of Heck“ schon jetzt einer der stärksten Filme des Jahres.
    Dirk W.
    Dirk W.

    9 Follower 49 Kritiken User folgen

    4,0
    Veröffentlicht am 25. April 2015
    Der Film zieht einen mit seiner unglaublichen, fast unangenehmen, Nähe zu Cobains Leben in seinen Bann.
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