Nach dem Erfolg seines lange als einer der Oscar-Favoriten für den Besten fremdsprachigen Film gehandelten „La Nana – Die Perle“ hat der chilenische Regisseur und Drehbuchautor Sebastián Silva in die US-amerikanische Independent-Szene übergesiedelt und dort mit den abgefahrenen Michael-Cera-Filmen „Crystal Fairy“ und „Magic, Magic“ für Aufsehen gesorgt. Im Mittelpunkt seiner angetäuschten Künstliche-Befruchtung-Komödie „Nasty Baby“, die im Panorama der Berlinale 2015 ihre internationale Premiere feiert, steht der New Yorker Bohémien Freddy (der Regisseur selbst), der mit seinem Liebhaber Mo (Tunde Adebimpe) zusammenlebt und sich in seiner neuen Video-Installation selbst als Neugeborener stilisiert. Eigentlich will Freddy gemeinsam mit seiner besten Freundin Polly (Kristen Wiig) per Samen-Injektion ein Kind zeugen, doch die Qualität seiner Spermien reicht nicht aus – also muss Mo ran. In den legeren Alltag der Freunde, der hauptsächlich aus Nichtstun und Müßiggang besteht, platzt regelmäßig der geistig gestörte Nachbar Bishop (Reg E. Cathey), der Freddy mit seinem Laubbläser allmorgendlich aus dem Schlaf reißt…
Die essayistische Erzählweise von „Nasty Baby“ wirkt nie zerstückelt oder beliebig, sondern entwickelt sofort einen organischen Fluss. Mit einer flotten Schnittfrequenz und einer immer nah am Geschehen klebenden Handkamera hält Silva sein Publikum bei der Stange, obwohl sich Freddys ehrlicherweise nicht allzu spannendes Leben vornehmlich in der Küche, im Bett oder im Park abspielt. Sebastián Silva verkörpert sich über weite Strecken der sichtlich improvisierten Szenen offensichtlich selbst, während Tunde Adebimpe als sicherheitsspendender Ruhepol überzeugt und Kristen Wiig („Brautalarm“) eine famose Leistung als alleinstehende selbstbewusste Frau mit Kinderwunsch abliefert. Das alles hätte schon gereicht, um zu sagen, Silva ist ein richtig guter, wenn auch nicht außergewöhnlicher Independent-Film gelungen. Aber Pustekuchen! „Nasty Baby“ ist alles, aber sicher nicht gewöhnlich: Denn im letzten Drittel nimmt die bisher so entspannte Story plötzlich eine haarsträubende Wendung und die Katze tigert in einer der genialsten Szenen des Kinojahres mit blutverschmierten Pfoten in der Wohnung herum.
Fazit: „Nasty Baby“ treibt stilsicher und voller Atmosphäre durch den Alltag eines New Yorker Künstler-Taugenichts – bis ein abgefahrener Twist alles auf den Kopf stellt!
Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2015. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 65. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.