Selten ist es der Fall, dass man nach zwei grandiosen Einleitungssequenzen eines Films sicher sein kann, dass man die besten Szenen nun gesehen hat und es nur noch abwärts gehen kann - und selten bewahrheitet sich dies so bitter wie in „Nowhere To Hide“. In der Ouvertüre, in kunstvollem Schwarz-Weiß gehalten, bekommt man einen Hauptcharakter vorgestellt. Detective Woo (Joong-Hoon Park, „Die Wahrheit über Charlie“, „Tube“) scheint keine Situation zu riskant, kündigt er doch alleine einer bewaffneten Übermacht von Gangstern ihre Verhaftung an, um sich danach durch sie durchzuprügeln. Die erste Farbszene nutzt Regisseur Myung-se Lee („Duelist“), um die Story einzuleiten. Regen prasselt nieder und in Verbindung mit der Musik (dem melancholischen „Holiday“ von den Bee Gees) entsteht eine wundersame romantische Stimmung, die visuell für einen kurzen Moment jäh unterbrochen wird, als ein unbedarfter Geschäftsmann in die Augen seines Mörders (Sung-kee Ahn, Arahan, „Musa - The Warrior“) schaut und sich kurz darauf Blut und Regenwasser vermischen. Auditiv nimmt man weiter eine romantische Szenerie wahr.
Leider ist damit der Zauber von „Nowhere To hide“ vorbei, was folgt, ist ein sich ziehender, uninspirierter und in seine Bildsprache verliebter Action-Thriller, der nur noch wenige Highlights bietet. Die sich nun entwickelnde Geschichte wird schnell offenbart. Woo und sein Partner Kim (Dong-Kun Jang, Brotherhood, Wu Ji - Die Reiter der Winde), beide mehr prügelnde Punks mit Polizeimarke als richtige Cops, müssen den Mord aufklären.
In einigen Punkten wirkt „Nowhere To hide“ wie eine Krimiversion der sehenswerten und überdrehten Action-Satire Attack The Gas Station, doch ist dabei nicht annährend so gelungen. Wo dort das Mittel der Satire es schafft, sowohl für Unterhaltung zu sorgen, als auch eine Auseinandersetzung mit koreanischen Gesellschaftsproblemen im Subtext des Films zu liefern, verpufft es hier fast völlig. Vor allem die Vorgehensweise von Detective Woo, der sich – dank Latzhose oder auch Polohemd und Schlapphut auch optisch - perfekt in die Gang aus dem angesprochenen Attack The Gas Station integrieren würde, wird nur selten für eine tiefer gehende Auseinandersetzung genutzt. Sie dient größtenteils nur der Erschaffung von immer neuen Actionszenen. Gelegentliche gelungene ironische und satirische Szenen sowie einige wenige kritische Einschübe mit Gewissensbissen von Polizisten ob ihrer Ermittlungsmethoden, gehen dort fast unter. Auch in punkto Unterhaltung liegt vieles im Argen, da man aufgrund des immer gleichen Spiels – Verdächtige mit Baseballschläger und Fäusten befragen, Namen herausprügeln, zum nächsten gehen und von vorne – recht schnell gelangweilt wird.
Es ist bedauernswert, dass eine wunderschöne Szene, wie die mit unterwarteter Romantik versehene Schneeballschlacht dabei beinahe genauso untergeht, wie die seltene Abwechslung in den vielen Prügelszenen bei der Inszenierung einer Schlägerei als Schattenspiel. In diesen Momenten zeigt sich, was schon der geniale Anfang des Films offenbarte: Regisseur Myung-se Lee versteht sein Handwerk, doch leider will er dies zu oft beweisen. Er arbeitet mit fast allem, was die inszenatorische Zauberkiste bietet. Er wechselt von Zeitlupen, die teilweise so langsam werden, dass die Szene gleich ganz erstarrt, zu rasend schnellen Schnitten, von Schwarz-Weiß hin in diverse Farbpaletten und von ruhigen Popsongs zum Heavy Metal.
Man traut Myung-se Lee durchaus zu, dass es ihm nicht nur in einigen herausragenden Momenten, sondern über die gesamte Spielzeit hätte gelingen können, mit seinen inszenatorischen Fähigkeiten die recht dürftige Story zu überdecken, doch er versucht dies zu zwanghaft. Jedes inszenatorische Stilmittel nutzt sich bei zu häufiger Verwendung ab und hier wird keines nur ein oder zwei Mal verwandt. Stattdessen ist der Film bisweilen nicht nur eine Aneinanderreihung der langweiligen Prügelszenen, sondern von diversen Stilmitteln. Das ist mit der Zeit ganz schön enervierend.
Ein paar Versuche, die Story noch etwas interessanter zu gestalten, wie ein McGuffin in bester Hitchcock-Manier (ein am Anfang dem Mordopfer entwendeter Koffer) sowie ein Killer, der mit seinen dauernden, äußerlichen Veränderungen als klare Reminiszenz an Fred Zinnemanns Verfilmung des Frederick-Forsyth-Romans Der Schakal (bzw. an das freiere und misslungene Remake von Michael Caton-Jones) verstanden werden kann, wissen zu gefallen, vermögen es aber auch nicht mehr, den Film zumindest in obere Durchschnittsregionen zu retten.
„Nowhere To Hide“ gilt neben Attack The Gas Station und vor allem Shiri als der Hauptmotor des großen Aufschwungs (der „Nouvelle Renaissance“), welche das koreanische Kino im Jahre 1999 mit Rekordbesucherzahlen für heimische Produktionen im eigenen Land und sprunghaft gestiegenem Interesse für koreanische Filme im Ausland erlebte. Lee-Myung-ses Film gewann den koreanischen Filmpreis, den „Blue Dragon Award“, für den besten Film des Jahres 1999 und wird vom Vize-Vorsitzenden der koreanischen Filmkommission Yong-kwan Lee in der Einleitung des Korean Cinema Yearbook 2000 noch einmal besonders gelobt. Wenn man diese Vorschusslorbeeren als Messlatte nimmt, ist das Ergebnis eine große Enttäuschung. Unabhängig davon bleibt ein Film, bei dem der Schatten das Licht zwar deutlich überwiegt, aber die lichten Momente so hell strahlen, dass sie einen Blick wert sind.