Alles nahm seinen Anfang mit dem Polizeiprotokoll einer irrwitzigen Schießerei in Miami. Was er da gelesen hat, so Regisseur Ben Wheatley („High-Rise“) sei ihm „monatelang nicht mehr aus dem Kopf gegangen“ und führte schließlich zu dem Konzept für seine eineinhalbstündige Leinwandballerei „Free Fire“. Realistische Details wie der Umstand, dass Angeschossene eben nicht wie in vielen Hollywoodfilmen üblich sofort sterben und dass noch lange nicht jeder Schütze sicher mit seiner Waffe umgehen kann, sollten in dem Film auf unterhaltsame Weise zu ihrem Recht kommen. Das begeisterte schließlich sogar Altmeister Martin Scorsese („The Wolf Of Wall Street“), der seinen Namen hergab, um dem Projekt als Executive Producer zusätzliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. In Wheatleys vollmundigen Worten ist sein Film „etwas, was man noch nie gesehen hat“. Und das stimmt durchaus – zumindest in Teilen. Zugleich orientiert sich Wheatley aber auch sichtlich an Vorbildern wie Quentin Tarantino („Reservoir Dogs“) oder Robert Rodriguez („Desperado“) sowie an Klassikern wie Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“. So wird „Free Fire“ zu einem – mit Verlaub – absolut abgefuckten Gangsterthriller, einer bissigen und bitterbösen Tour de Force voller schwarzen Humors, bei der die Grenzen des politisch Korrekten (und die des Mainstream-Unterhaltungskinos sowieso) immer wieder genüsslich überschritten werden.
Massachusetts, 1978: In einer verlassenen Lagerhalle trifft sich der berüchtigte Waffendealer Vernon (Sharlto Copley) mit den beiden Zwischenhändlern Ord (Armie Hammer) und Justine (Brie Larson). Auch die windigen Ganoven Bernie (Enzo Cilenti), Stevo (Sam Riley), Frank (Michael Smiley) und Chris (Cillian Murphy) sind mit von der Partie. In angespannter Atmosphäre soll eine große Ladung ausgewählter Waffen den Besitzer wechseln. Zuerst läuft alles nach professionellem Plan, aber als der Coup schon fast über die Bühne gegangen ist, kommt es zu einem Missverständnis zwischen den Parteien. Das bringt das Fass zum Überlaufen. Es dauert nicht lange, bis einer der Beteiligten die Nerven verliert und einen blutigen Shootout eröffnet…
„Free Fire“ ist nicht mehr und nicht weniger als eine (fast) 90 Minuten andauernde Schießerei. Wer sich darunter nun allerdings schlicht eine der längsten Actionszenen der Filmgeschichte vorstellt, liegt falsch. Zwar geht es dramaturgisch tatsächlich nach einem kurzen Dialog-Vorgeplänkel im Grunde nur noch darum, wer auf welche Weise von wem als nächstes über den Haufen geschossen wird, doch selbst inmitten des Kugelhagels findet eine ganze Menge verbale Kommunikation statt. Die von Amy Jump (schrieb schon das Skript zu „High-Rise“) und Ben Wheatley verfassten Dialoge sind zwar nicht gerade komplex, dafür erhalten sämtliche Figuren die Gelegenheit, mehrere zitierfähige One-Liner rauszuhauen. Die Wortkaskaden können dabei zuweilen ähnlich anstrengend sein wie das Dauerfeuer aus den Waffen, aber anders als in anderen mit Gewalt auf Kult gebürsteten Filmen wie „Criminal Activities“ (um nur ein noch ziemlich frisches Beispiel zu nennen) sind sämtliche Figuren in „Free Fire“ derart abgedreht und spleenig, dass auch ihre Interaktion zwangsläufig davon geprägt sein muss. Dass diese Gratwanderung zwischen echter Coolness und schalem Kalkül so gut funktioniert, ist auch dem sehr homogenen Schauspielensemble zu verdanken, das den grob gezeichneten Figuren Leben und Charakter einhaucht.
Eine richtige Hintergrundgeschichte bekommt allerdings keiner der vielen Akteure, weshalb der ansonsten sehr flott inszenierte und energiegeladene Film bei längeren Dialogsequenzen schon mal ins Stocken gerät. Außerdem ist es nicht immer ganz einfach, den Überblick zu behalten, wer hier nun eigentlich noch mit wem im Clinch liegt. Das ist aber generell eher Nebensache – irgendwann schießt ohnehin jeder auf jeden und nimmt dabei noch nicht einmal auf die so stilsicher-geschmacklose Seventies-Garderobe der Gegner Rücksicht - denn „Free Fire“ ist eine brutale und vor allem dreckige Angelegenheit. Mit der Lagerhalle als einziger Kulisse und dem nahezu vollkommenen Verzicht auf digitale Effekte wird der Film zu einem elektrisierenden Kammerspiel, das Ben Wheatleys Stammkameramann Laurie Rose in fiebrige Bilder verpackt: Er ist immer ganz nah dran an den Figuren und sorgt zugleich dafür, dass wir auch in den hitzigen Momenten die räumliche Übersicht behalten. So meint man als Betrachter, jeden einzelnen von sage und schreibe 6000 Schuss Munition mitzuerleben, die in „Free Fire“ abgefeuert werden.
Fazit: „Free Fire“ ist ein ebenso brutaler wie gewitzter Actionthriller im dreckigen 70er Jahre-Look mit großem Kultpotenzial.