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    Das Zeiträtsel
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Das Zeiträtsel
    Von Markus Fiedler

    Dass Madeleine L’Engles 1962 erschienener Roman „Das Zeiträtsel“, der in den USA als Klassiker der Kinderliteratur gilt, nach einer zweiteiligen kanadischen TV-Adaption von 2003 gerade jetzt das erste Mal mit einem Blockbuster-Budget für die große Leinwand umgesetzt wird, ist sicherlich kein Zufall. Schließlich steht im Zentrum der von Max Planck und Albert Einstein inspirierten abenteuerlichen Geschichte das Streben eines 13-jährigen Mädchens nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis, was sie schließlich einmal quer durch das Universum führt. Ein dringliches Plädoyer für nachprüfbare Wahrheiten wie dieses ist in einer Zeit, in der jeder nur noch das zu glauben scheint, worauf er gerade Bock hat, während wissenschaftliche Fakten zunehmend als „elitär“ zur Seite gewischt werden, nicht nur hochwillkommen, sondern auch notwendig – der perfekte Moment für eine Verfilmung. Nur hat Regisseurin Ava DuVernay („Selma“) ihre 100-Millionen-Dollar-Adaption leider voll gegen die Wand gefahren und mehr als ein paar hübsche Bilder bleiben bei dem Familienabenteuer „Das Zeiträtsel“ am Ende nicht über.

    Seitdem ihr Vater Dr. Alexander Murry (Chris Pine) vor vier Jahren bei einem physikalischen Experiment irgendwo im Universum verschollen ist (andere sagen, er sei mit einer fremden Frau durchgebrannt), hat sich die 13-jährige Meg (Storm Reid) zu einer verbitterten Einzelgängerin entwickelt, die in der Schule immer wieder zum Ziel von Spott und Anfeindungen wird. Daran kann auch ihr superintelligenter kleiner Bruder Charles Wallace (Derric McCabe) nichts ändern, zu dem Meg eine besonders enge Bindung hat. Selbst das Freundschaftsangebot des allseits beliebten und freundlichen Calvin (Levi Miller, „Pan“) weist sie aus Misstrauen zurück. Doch dann tauchen eines Tages drei äußerst seltsam kostümierte und geschminkte Frauen auf, die sich als Mrs. Soundso (Resse Witherspoon), Mrs. Welche (Oprah Winfrey) und Mrs. Wer (Mindy Kaling) vorstellen. Das mysteriöse Trio nimmt Meg, Charles Wallace und Calvin mit auf eine Reise ans andere Ende des Universums, um dort nach Megs verlorengegangenem Vater zu suchen…

    Geschichte, Themen, Emotionen – all das zündet in „Das Zeiträtsel“ einfach nicht. So hat Drehbuchautorin Jennifer Lee („Die Eiskönigin“) etwa etliche Szenen aus der Vorlage herausgekürzt, was zwar verständlich ist, weil der Film auch so noch zwei Stunden lang ist, aber zugleich wirkt die Erzählung nun die ganze Zeit über unangenehm gehetzt. Die fremden Welten sehen zwar hübsch aus, bleiben aber seelenlos und flach – zudem fehlt es an einem einheitlichen Tonfall und es kommt immer wieder zu Dissonanzen, etwa wenn Meg gerade noch auf einer superkitschigen grünen Wiese mit fliegenden Blumen spielt und wenig später zwei betrunkene Teenager einen hilflosen Obdachlosen drangsalieren.

    Auf dem Trip durch die Galaxis fährt DuVernay das ganze visuelle Arsenal des modernen Fantasy-Kinos auf. Wenn sich Mrs. Soundso beispielsweise plötzlich in eine Art riesiges fliegendes Salatblatt verwandelt, auf dem die Kinder die Oberfläche eines fremden Planeten erforschen, dann ist das ein durchaus gelungener Effekt. Aber glaubhafte Emotionen kommen bei dem ganzen Brimborium nicht rüber, stattdessen wird das Abenteuer immer zuckriger. So gibt es in der Salatblatt-Szene auch einen der ganz wenigen Wissenschaftsverweise (Meg erklärt den Auftrieb), die aus der Vorlage noch übriggeblieben sind, ansonsten wird die Komplexität des Romans auf eine kalenderspruchhafte „Liebe überwindet alle Hindernisse“-Moral verdichtet. Richtiggehend ärgerlich wird es dann, wenn der Zuschauer in vermeintlich besonders herzergreifenden Momente mit schwülstigen Pop-Balladen und einer musikvideohaften Hochglanzoptik darauf hingewiesen wird, was er jetzt bitte fühlen soll. Hier zeigt DuVernay bedauernswert wenig Vertrauen in die Auffassungsgabe ihres Publikums.

    Die meisten Schauspieler gehen mit einer ähnlichen Holzhammermethode ans Werk. Gerade Oprah Winfrey („Die Farbe Lila“) wirkt so steif, als verkörpere sie nicht eine Frau in lustigen Kostümen mit silbernem Lippenstift, sondern Gott höchstpersönlich. Lediglich Reese Witherspoon („Walk The Line“) und Mindy Kaling („The Mindy Project“) wirken, als hätten sie tatsächlich Spaß an der Arbeit gehabt und verleihen ihren Figuren zumindest einen Hauch bitter benötigter Leichtigkeit. Der Rest der Schauspieler agiert hingegen mit einem derart heiligen Ernst, dass man nur selten das Gefühl hat, hier gerade in einem Unterhaltungsfilm für die ganze Familie zu sitzen.

    Dass „Das Zeiträtsel“ in den USA an den Kinokassen hinter den hohen Erwartungen zurückblieb, nahmen einige konservative Kritiker direkt zum Anlass, um Hollywoods neuen Diversitätskurs generell in Frage zu stellen. Immerhin ist Ava DuVernay die erste schwarze Regisseurin, die ein 100-Millionen-Dollar-Budget für einen Film zur Verfügung hatte – zudem ist auch Protagonistin Meg im Film schwarz und als sie zum Direktor muss, hängt sicherlich nicht zufällig ein Foto von James Baldwin genau über ihr an der Wand.

    Aber um zu erkennen, dass das als Erklärungsansatz für das schwache Abschneiden nicht taugt, muss man sich nur die Einspielergebnisse von „Black Panther“ ansehen, der gerade zum erfolgreichsten Superheldenfilm überhaupt in den USA avanciert ist. „Das Zeiträtsel“ ist dagegen einfach kein guter Film, ihm mangelt es schlicht an der nötigen Magie. Immer wieder sieht man auf der Leinwand die Gesichter staunender Menschen, aber wenn dann der Schnitt hin zu dem kommt, worüber da gerade gestaunt wird, ist es für den Zuschauer in den meisten Fällen einfach nur eine ziemliche Enttäuschung. Hollywood lässt sich von dem eingeschlagenen Kurs übrigens durch diesen einmaligen Rückschlag nicht abhalten: Ava DuVernay wurde von Warner Bros. gerade als Regisseurin für den DC-Comic-Blockbuster „The New Gods“ engagiert – und da dürfte das Budget kaum geringer, sondern wohl eher sogar noch höher ausfallen.

    Fazit: Mehr als hübsche Optik hat „Das Zeiträtsel“ seinen Zuschauern leider nicht zu bieten. Die angestrebten großen Gefühle gehen hier in einer viel zu hektisch erzählten und völlig überzuckerten Story unter.

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