Etliche Diktatoren sind in den vergangenen Jahren gestürzt worden, doch den jeweiligen Ländern geht es nicht notwendigerweise besser. Allzu oft folgt auf einen Autokraten ein anderer, wird ein Unglück durch ein anderes ersetzt. Von diesem Kreislauf der Gewalt, der oft ins Leere laufenden Selbstjustiz der Sieger erzählt der iranische Regisseur Mohsen Makhmalbaf in seinem Film „The President“, der 2014 die Venedig-Nebenreihe Orizzonti eröffnete. Doch so interessant der allegorische Film im Ansatz auch ist, mit einer allzu naiven, um nicht zu sagen problematisch vereinfachten Darstellung der Hauptfigur des Präsidenten, der eigentlich ein Diktator, ist verzettelt sich Makhmalbaf in einem banalen Blick auf zeitgenössische Revolutionen.
Ein Land, irgendwo im Kaukasus. Während der Präsident (Misha Gomiashvili) - von allen nur „Eure Majestät“ genannt - noch mit seinem Enkel (Dachi Orvelashvili) herumalbert, steht sein autokratisches Regime kurz vor dem Zusammenbruch. Seine Frau und die Töchter haben schon das Land verlassen, doch der Präsident und sein Enkel bleiben zurück und erleben den Beginn der Revolution und müssen flüchten. Plötzlich auf sich allein gestellt, flieht das Duo durch das zerrüttete Land, nimmt einem Friseur und dessen Enkel die Kleidung ab und gibt sich als wandernde Gaukler aus. Auch auf ehemalige Gefangene trifft das Duo, auf Folteropfer und andere erbitterte Regimegegner, die nichts lieber tun würden, als den Präsidenten zu lynchen.
Unverkennbar bewegt sich der iranische Regisseur Mohsen Makhmalbaf („Die Reise nach Kandahar“) im Bereich der Allegorie. Seit langem im Exil in Paris lebend, drehte Makhmalbaf seinen ersten Spielfilm seit fünf Jahren in Georgien, eine etwas merkwürdige Wahl, zumal sich Makhmalbaf dezidiert auf die Revolten des arabischen Frühlings bezieht. Doch auch der Kaukasus ist nicht frei von Diktatoren, von autokratischen Regimen, die ihre Bevölkerungen drangsalieren und unbegrenzte Macht ausüben.
Worum es Makhmalbaf nun geht, ist nicht ganz klar. Laut Presseheft, das zur Weltpremiere des Films in Venedig erschien, geht es ihm um die Folgen eines Regimesturzes, der oft nicht die erhofft positiven Folgen hat. Egal ob Hussein, Mubarak oder Gaddafi: Sie alle waren mehr oder weniger üble Diktatoren, denen man keine Träne nachweinen muss. Doch was nach ihrem Sturz folgte, war auch nicht viel besser - im Gegenteil. Oft wurden die Diktatoren einfach durch andere autokratische Herrscher ersetzt und alles ging weiter wie gehabt oder - noch viel schlimmer - ein zwar unfreies, aber zumindest stabiles Land zerfiel in regionale Konflikte, wurde zum Hort von Terrorgruppen und ethnischer Konflikte, wie momentan im Irak zu beobachten. Einfach den Diktator zu stürzen, ihn gar brutal zu lynchen, wie im Fall des geradezu vom wütenden Mob zerfleischten Gaddafi ist keine Lösung.
Aber macht diese Erkenntnis die Diktatoren zu weniger üblen Gestalten? Eigentlich nicht, aber genau das ist die unterschwellige Schwingung von „The President“. Denn dieser vom georgischen Schauspieler Misha Gomiashvili verkörperte Diktator ist eigentlich ein ganz sympathischer Mann. Gut, anfangs nutzt er seine Pistole, um Menschen zu bedrohen und seinen Willen durchzusetzen, aber im Kern wirkt er wie ein greiser Großvater, der seinen Enkel beschützen will und dagegen kann ja niemand etwas haben. Welcher Verbrechen sich dieser Diktator schuldig gemacht hat, bleibt dagegen völlig unklar. Hier stößt das allegorische Drehbuch von Makhmalbaf und seiner Frau Marziyeh Meshkiny an deutliche Grenzen, bleibt beliebig, ja geradezu gefährlich naiv. In seinem Bemühen, einen Diktator zu humanisieren, zu zeigen, dass Rache letztlich zu nichts führt, hat Makhmalbaf eine Figur erfunden, die am Ende vor allem Mitleid erweckt. Und auch wenn Selbstjustiz und Lynchmorde in keinem Fall zu begrüßen sind, als relevante Allegorie über die Strukturen einer Revolutionen und der Schwierigkeit, ein autokratisches durch ein demokratisches System zu ersetzen, greift Mohsen Makhmalbafs „The President“ viel zu kurz.
Fazit: Mit seinem allegorischen Film „The President“ verheddert sich der iranische Regisseur Mohsen Makhmalbaf beim Versuch einen differenzierten Blick auf einen Diktator zu werfen, der vor drohender Lynchjustiz flieht. Im Ansatz zwar ambitioniert, letztlich aber allzu naiv und dadurch fehlgeleitet.