Gigantische Monster-Klopperei
Von Christoph PetersenNach den bisherigen beiden US-Blockbustern könnte leicht der Eindruck entstehen, dass Hollywood der legendären Riesenechse aus Fernost trotz bereitgestellter Mega-Budgets offenbar nicht so recht über den Weg traut: Denn während sich Roland Emmerichs „Godzilla“ 1998 quasi als „Jurassic Park“-Abklatsch mit einem mutierten T-Rex entpuppte, mutet Gareth Edwards‘ „Godzilla“ von 2014 an wie ein auf ernst getrimmter Militär-Katastrophen-Actioner, bei dem einfach nur ab und an auch ein überdimensioniertes Monster durchs Bild stapft. Aber nachdem die sich seit Jahren abzeichnende Verschiebung des weltweiten Kino-Absatzmarktes in Richtung China bisher vor allem negative Auswirkungen hatte (von „Transformers 4“ bis „Pacific Rim 2“), erweist sich „Godzilla 2: King Of The Monsters“ nun als erster großer Gewinner dieser neuen Weltordnung im Filmgeschäft.
Denn jetzt, wo man das mit einem Budget von 200 Millionen Dollar sündhaft teure Sequel sowieso vornehmlich für den asiatischen Markt produziert, muss man sich mit der Monster-Action nicht länger zurückhalten, um ein mit dem Sub-Genre nicht so sehr vertrautes westliches Publikum nicht vor den Kopf zu stoßen. Stattdessen kann man Godzilla, Mothra, Rodan und Ghidorah ohne jede falsche Zurückhaltung aufeinander loslassen - volle Kanne Giganten-Kloppe eben! So kommen klassische Godzilla-Fans endlich bei einer Hollywood-Adaption auf ihre Kosten. Wobei zwischendrin durchaus eine ganze Reihe von Längen durchgestanden werden müssen: Regisseur und Co-Autor Michael Dougherty hat seinen „Godzilla 2“ nämlich nicht nur mit Monstern vollgestopft, sondern auch mit (viel zu vielen) menschlichen Darstellern, die vornehmlich nichtssagende bis nervige Dinge tun und die hochhaushohen Stars aus dem Computer so immer wieder unnötig ausbremsen.
Die Monster sind die Stars!
Fünf Jahre nach den Geschehnissen aus „Godzilla“ stellt der US-Senat die bisher autark agierende und sich um die Titanen kümmernde Wissenschaftsorganisation Monarch vor die Wahl: Entweder begibt sich Monarch unter staatliche Aufsicht oder Godzilla & Co. werden vorsorglich getötet, um eine weitere potenzielle Zerstörungsorgie von vorneherein auszuschließen. Dr. Emma Russell (Vera Farmiga) hat allerdings ganz andere Pläne: Die Monarch-Wissenschaftlerin hat nämlich ein Gerät namens Orca entwickelt, mit dessen Hilfe sie mit den Titanen nicht nur kommunizieren, sondern ihnen sogar Anweisungen erteilen kann. Aber dann fällt die Vorrichtung in die Hände des britischen Öko-Terroristen Jonah Alan (Charles Dance), der Orca nutzt, um die 17 (!) weltweit schlummernden Titanen aufzuwecken. So soll die den Planeten zerstörende Menschheit in ihre Schranken gewiesen werden...
Schon im Vorspann hört man das Stapfen von Godzilla, der mit seiner gewaltigen Masse selbst die Logos von Warner Bros. und Legendary Pictures erzittern lässt. Damit geben die Macher selbstbewusst ein Versprechen ab, das sie im weiteren Verlauf tatsächlich einhalten. Eine erste Arktis-Konfrontation zwischen der Riesenechse und dem zweiten Alpha-Predator Monster Zero (ein dreiköpfiger, Blitze speiender Drache, den wahre Fans natürlich sofort als Godzilla-Erzfeind König Ghidorah identifizieren) erweist sich zwar noch als nicht mehr als ein erster Appetithappen. Aber spätestens, wenn sich Rodan aus einem Vulkan in Mexiko erhebt, nimmt die Monster-Action gewaltig an Fahrt auf: Während der Aschevogel mit seinen brennenden Flügeln in allen bisherigen Verfilmungen noch ziemlich lächerlich anmutete, sieht es in „King Of The Monsters“ einfach nur verdammt cool aus, wenn er die Kampfjets aus der Luft pflückt wie ein Adler hilflose Spatzen.
Flugmonster Rodan in Action.
Mit der Zerstörung einzelner Gebäude wird sich dabei gar nicht groß aufgehalten, hier werden meist ganze Städte in einem Rutsch platt gemacht – und immer mal wieder streut Michael Dougherty („Krampus“) gigantische Totalen ein, die aus der Ferne eines der Monster als Silhouette inmitten einer völlig zerstörten Skyline zeigen. Das ist ebenso episch wie ikonisch – und zu diesem Zeitpunkt hat der Film mit dem noch immer unter einem Wasserfall verpuppten Mothra sogar noch einen extra Trumpf in der Hand, den er sich bis zum ausufernden Endkampf aufspart. Apropos Finale: Wie in „Godzilla 2“ mit dem alten Klischee des totgeglaubten Bösewichts, der sich plötzlich doch noch einmal erhebt, gespielt wird, ist schlichtweg genial – schon jetzt eine der kultigsten Einstellungen der „Godzilla“-Historie!
Dazu kommen jede Menge Anspielungen direkt für Fans, die angenehm subtil eingebaut sind. So können sich Kenner freuen, dass sie die Zitate mitbekommen haben, obwohl sie ihnen nicht allzu dick aufs Brot geschmiert wurden, während sich durchschnittliche Kinogänger gar nicht groß ärgern werden, weil sie gar nicht erst mitbekommen, dass es da überhaupt was zu verstehen gab. So kriegt man etwa die Anspielung auf die vor allem aus den japanischen „Mothra“-Filmen bekannten Cosmos-Zwillinge nur mit, wenn einem in einer bestimmten Szene auffällt, dass Ziyi Zhang („The Cloverfield Paradox“) plötzlich etwas längere Haare trägt.
Das klingt jetzt alles erst mal super. Aber über weite Strecken ist „Godzilla 2“ dennoch auch eine frustrierende Erfahrung. Denn wenn Öko-Bösewicht Jonah Alan die Titanen loslässt, um der „Infektion Mensch“ Herr zu werden, hätte man locker die Hälfte der menschlichen Figuren aus dem Drehbuch streichen dürfen. Das zentrale Mutter-Vater-Tochter-Gespann ist zwar okay, aber das liegt vor allem an den starken Schauspielern Vera Farmiga („Conjuring“), Kyle Chandler („Manchester By The Sea“) und Millie Bobby Brown („Stranger Things“). Für ihre Familienkonflikte interessiert man sich trotzdem nie wirklich: Selbst wenn sich relativ zu Beginn in einer Szene überraschend die Allianzen verschieben, zaubert eine der Figuren plötzlich eine an Spendenaufrufvideos erinnernde PowerPoint-Präsentation aus dem Hut, womit der eigentlich spannende Moment sofort wieder kaputtgemacht wird.
Darüber hinaus gibt es eine regelrechte Armada an Nebenfiguren, die zwar oft von bekannten Darstellern verkörpert werden, aber trotzdem keinen bleibenden Eindruck hinterlassen (und zwar selbst dann nicht, wenn sie sich zum pathetisch anschwellenden Score von Bear McCreary zum Wohle der Menschheit opfern). Die einzige Aufgabe des Plots ist es dabei, mehrere Monster an einem Ort zusammenzubringen. Das klingt simpel, aber geschieht hier – auch wegen der vielen Figuren – meist auf derart umständliche Weise, dass am Ende einer Sequenz oft ein Charakter aus der dritten Reihe das gerade Gesagte für die ganz Doofen kurz zusammenfasst. Das ist unnötig kompliziert – und dabei nicht etwa komplex, sondern einfach nur langatmig.
Ein weiteres Problem ist der oft unpassende (und dann noch nicht mal sonderlich lustige) Humor. Vor allem die von „Get Out“-Star Bradley Whitford verkörperte Figur des Wissenschaftlers Dr. Stanton fällt dabei immer wieder negativ auf: Mit seinen trocken-zynischen Bemerkungen macht er ständig die gerade aufgebaute Spannung oder Atmosphäre zunichte. Etwa als Godzilla auf die riesige Scheibe einer Unterwasserstation zuschwimmt, während er mit seinen atomar aufgeladenen Rückenstacheln immer wieder kurz den ansonsten pechschwarzen Ozean erhellt. Eine echt coole Szene, bis Stanton den Mund aufmacht und ´ne gelangweilte Pointe rauspresst. Es gibt Momente, da sollte man auch einfach mal die Klappe halten können.
Fazit: Die Monster sind top, die Menschen ein Flop.
P.S.: Beim Abspann sitzenbleiben! Da kommt noch was.