Wie kommt dieser Mann nur auf seine Ideen? Man stellt sich vor, dass Kultregisseur Takashi Miike („Ichi – Der Killer“, „Audition“) mit seinen Freunden zusammensitzt, der Sake in Strömen fließt und ernsthaft herumgealbert wird. Plötzlich hat jemand einen Geistesblitz: Warum nicht mal Yakuza-Gangster mit Vampiren kreuzen? Diese verrückte, im Kontext des japanischen Kinos und besonders der Werke Miikes aber auch ziemlich naheliegende Idee ist der Ausgangspunkt für einen Film, der an Absurdität kaum zu überbieten ist und bei der Quinzaine des réalisateurs in Cannes 2015 für ein auffälliges Kontrastprogramm zur vorherrschenden seriösen Festivalauswahl sorgte. Das Action-Horror-Komödien-Mischmasch zeigt den Meister der Extreme in so lustvoll verspielter Form wie mindestens seit dem ähnlich irren Genremix „For Love’s Sake“ nicht. „Yakuza Apocalypse“ erfüllt alle Erwartungen, die man an den Titel haben kann – und übertrifft sie noch.
Kamiura (Lily Franky) ist der gefürchtete und scheinbar unverwundbare Anführer einer Yakuza-Gang, doch als es einem irgendwo zwischen Cowboy und Priester angesiedelten Puritaner gelingt, ihn zu köpfen, ist seine Macht gebrochen. Der abgetrennte Kopf beißt in seinen letzten Zuckungen allerdings noch den jungen Yakuza Kageyama (Hayato Ichihara) in den Hals und übertragt ihm die Kräfte Kamiuras -. als untoter Vampir-Gangster herrscht der Gebissene fortan über die Unterwelt. Für die Yakuza ergibt sich nun jedoch ein Problem: Immer mehr Zivilisten werden zu Vampiren und ohne die Normalbevölkerung haben die Gangster niemanden mehr, von dem sie Schutzgeld erpressen können. Das ist aber letztlich auch nicht so schlimm, denn das Ende der Welt droht ohnehin in Gestalt eines quietschgelben, fluffigen Monsters, das aus der Sesamstraße zu stammen scheint, aber Kung Fu kann.
Die Inhaltsangabe lässt die Ereignis- und Einfallsfülle des sprunghaften Geschehens höchstens ahnen: Takashi Miike scheint einfach alles aufzubieten, was ihm und seinen Mitstreitern beim fröhlichen Brainstorming in den Sinn gekommen ist. Zu einer Apokalypse gehören dann natürlich nicht nur merkwürdige Monster, sondern auch Erdbeben, Vulkanausbrüche und Frösche, und in einem Actionfilm muss es selbstverständlich ein paar elaborierte Martial-Arts-Kämpfe geben. Dabei mischt immerhin der aus den beiden „The Raid“-Filmen bekannte Schauspieler und Action-Choreograph Yayan Ruhian mit, der sich voll auf das Chaos mit System einlässt. Zwar können die Kämpfe nicht annähernd mit Gareth Evans‘ stilprägenden Reißern mithalten, aber für ein brutal-spaßiges Blutbad ist hier allemal gesorgt. Wer sich auf diesen Trip mit seinem frenetischen Tempo und seinem vollkommen überdrehten Tonfall einlässt, der entdeckt inmitten der bruchstückhaften Story sogar Züge von Sozialkritik und einigen analytischen Scharfsinn. Wenn etwa die Yakuza in wirtschaftliche Not geraten, die sonst nur die Zivilgesellschaft plagt, bringt dies das gesamte Gemeinwesen in Schieflage, womit einiges über die paradoxe Rolle der Mafia in Japan gesagt ist.
Fazit: Der japanische Regieberserker Takashi Miike ist immer für Überraschungen gut und mit der ausgelassenen Vampir-Gangster-Action-Komödie „Yakuza Apocalypse“ bietet er einen bizarr-wilden Genremix, wie man ihn lange nicht gesehen hat.