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    Für immer Adaline
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Für immer Adaline
    Von Andreas Staben

    Wenn das Protagonisten-Pärchen in Lee Toland Kriegers „Für immer Adaline“  einen nächtlichen Ausflug in ein verlassenes Indoor-Autokino (!) macht und den selbstgebastelten Sternenhimmel an der Decke bewundert, dann wird die Illusionsmaschine Kino selber zum Thema. Es ist als ob der Film auf seine eigene Schönheit und Grenzenlosigkeit hinweisen würde, mit der die schnöde Wirklichkeit nicht mithalten kann. Und tatsächlich basiert das Fantasy-Romantikdrama nicht nur auf einer extravaganten Prämisse, sondern ist auch ein ausgesprochen hübsch anzusehender Film mit schönen Menschen in schönen Kleidern, mit schicken Dekors und melancholisch schimmernden Bildern. Zugleich allerdings wirkt seine Geschichte von der nichtalternden Frau, die zum Alleinsein verdammt ist und sich dennoch verliebt, steif, leblos und selbstgenügsam – zumindest zu Beginn. Doch gerade als man anfängt, sie als ebenso überkonstruierte wie oberflächlich ausgearbeitete Kopfgeburt zu verbuchen, bekommt der Film einen unverhofften emotionalen Schub. Nun werden die Figuren lebendig, die Schauspieler (allen voran Harrison Ford in seiner besten Darbietung seit vielen Jahren) zeigen ihre Klasse und aus einem harmlosen Bilderbogen wird ein komplexes und gefühlvolles Drama über Liebe, Vergänglichkeit und unerfüllbare Sehnsucht.

    Adaline Bowman (Blake Lively) arbeitet im Stadtarchiv von San Francisco. Keiner ahnt, dass die scheue junge Frau deutlich über 100 Jahre alt ist: Sie kommt am Neujahrstag 1908 zur Welt und wird normal älter, bis sie 1937 mit dem Auto verunglückt. Ihr Herz bleibt stehen, doch ein Blitzschlag holt sie zurück ins Leben. Von diesem Augenblick an altert Adaline nicht mehr - sie bleibt äußerlich für immer 29. Für eine ganze Weile fällt das niemandem auf und als ihre Tochter Flemming (Cate Richardson) immer öfter für ihre Schwester gehalten wird, kann sich Adaline noch herausreden. Doch irgendwann ist „gesunde Ernährung“ keine ausreichende Erklärung mehr und selbst das FBI wird auf sie aufmerksam. Um ihr Geheimnis zu wahren, das sie nur mit Flemming teilt, sieht Adaline keinen anderen Ausweg mehr, als eine neue Identität anzunehmen. Alle zehn Jahre lässt sie von nun an alles hinter sich und beginnt an einem anderen Ort ein neues Leben. Erst nach 60 Jahren wagt sie sich nach San Francisco zurück, Flemming (jetzt: Ellen Burstyn) ist längst im Seniorenalter. Als Adaline, die diesmal den Namen Jenny angenommen hat, auf einer Silvesterparty den charmanten Ellis Jones (Michiel Huisman) trifft, will sie ihn zurückweisen wie bisher (fast) alle Verehrer. Schließlich lässt sie sich doch auf den jungen Mann ein - und wird von der Vergangenheit eingeholt…

    Für immer 29 sein: Das haben sich schon viele Endzwanziger an der Schwelle zur unendlich älter, ernster, verantwortungsbeladener und erwachsener wirkenden 30 insgeheim gewünscht. Nun lässt Hollywood diese letztlich kaum verlockende Phantasie für knappe zwei Leinwandstunden Wirklichkeit werden und wer sich nicht den Spaß verderben will, der legt an die Wahrscheinlichkeit und Logik des ganzen Szenarios keine allzu strengen Maßstäbe an. Zwar liefert ein Off-Erzähler (im Original: Hugh Ross) eine detaillierte Erklärung für den Stopp des Alterungsprozesses und schmeißt dabei mit Begriffen wie Hypothermie, Defibrilator-Blitz oder Telomer um sich, aber der Sprecher wirkt eher wie ein Märchenonkel als wie eine wissenschaftliche Autorität (schließlich beruft er sich auf ein Prinzip, das erst im Jahre 2035 entdeckt werden wird). Im Grunde erklärt er nur die Regeln eines Gedankenspiels, das hier ähnlich wie schon in so unterschiedlichen Filmen wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ oder „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ auf eine mal mehr, mal weniger leichtgewichtige Reflexion über Zeit, Tod und die Flüchtigkeit der Dinge hinausläuft. Ehe „Adaline“ dort allerdings hinkommt mühen sich die Beteiligten mit einer „Liebe gegen alle Widerstände“-Erzählung im Nicholas-Sparks-Stil ab, in der nach ein paar netten Mond- und Kometengeschichten und einem liebevoll bereiteten Omelette auch die unüberwindliche Kluft zwischen den beiden Liebenden kein wirkliches Hindernis mehr zu sein scheint.

    Zu Beginn des Films springt Regisseur Lee Toland Krieger („Celeste & Jessie“) so eilig durch die Jahrzehnte, dass die Last der für sie stehengebliebenen Zeit nur an Adalines altmodisch eingerichteter Wohnung und an ihrer Liebe zu den Hunden abzulesen ist, deren Tod ihr immer wieder das Herz bricht. Einzig in den Szenen zwischen der ewig Jungen und ihrer inzwischen ergrauten Tochter wird zunächst das physikalische und psychologische Paradox der Prämisse spürbar. Sie sind gerade deshalb so berührend, weil dahinter die emotionale Wahrheit einer „ganz normalen“ Mutter-Kind-Beziehung zum Vorschein kommt. Aber erst als Ellis Adaline seinen Eltern vorstellt, wird der Film endgültig ein anderer. Vater William wird von der Begegnung im tiefsten Innern erschüttert und Harrison Ford zeigt dabei eine Bandbreite von Emotionen, die dem Drama eine neue Dimension gibt: Die Macht der Erinnerungen, das unendliche Bedauern, das Staunen über das Unglaubliche –  auch die anderen Figuren werden schließlich von diesem Gefühlsstrudel mitgerissen, wobei auch „Gossip Girl“ Blake Lively zu großer Form aufläuft. Und wenn William seiner Frau Kathy zum 40. Hochzeitstag vor den Festgästen eine Liebeserklärung macht, dann liegt in seinen emotionalen Worten das Echo einer langen Vertrautheit sowie einer tiefen und ehrlichen Zuneigung, aber zugleich auch ein Hauch von Reue und die Melancholie von unerfüllten Wünschen. Ein großer Kinomoment, der auch durch das später folgende augenzwinkernde poetisch-plumpe Ende nicht geschmälert wird.

    Fazit: Romantisches Liebesdrama mit eigenwilliger Prämisse, das nach schwächerem Beginn eine erstaunliche Intensität erreicht.

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