Die großen Helden der amerikanischen Popularmusik geben immer wieder passenden Stoff für ein groß angelegtes Filmdrama mit Musik ab. Manchmal kommt da etwas so einmaliges heraus wie James Mangolds Walk the Line, manchmal etwas eher solides wie Clint Eastwoods Jersey Boys. Es geht aber auch durchwachsener.
Der (Anti)Held dieses Films ist Brian Wilson (Paul Dano), seines Zeichens Songwriter und Bandmitglied der legendären Beach Boys. Was wenige wissen: Bereits zu seiner aktiven Zeit litt er unter Angstzuständen und hörte Stimmen in seinem Kopf. Das erschwerte nicht nur die Zusammenarbeit mit seinen Bandkollegen, sondern auch die Beziehung zu seiner Frau und diversen Freunden. Seine mitunter kongenialen Klangexperimente stoßen nicht überall auf Gegenliebe, man will ihn sogar aus der Band ausschließen. Sein tyrannischer Vater verkauft sogar sämtliche Rechte an Brians Songs ohne dessen Wissen oder Zustimmung. Viele Jahre später findet sich der gealterte Wilson (John Cusack) in den Fängen des Psychiaters Dr. Eugene Landy (Paul Giamatti) wieder, der ihn streng überwacht und mit fragwürdigen Medikamenten therapieren will. Eine zart aufkeimende Liebesbeziehung zu der ebenfalls einsamen Autohändlerin Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks) gibt ihm Hoffnung, doch Landy hält diesen Kontakt für schädlich.
Eine spannende Konstellation, gute Musik dazu und hervorragende Schauspieler. Der Trailer macht viel Lust auf den Film und verspricht ein geradliniges Musikerdrama mit Tiefgang. Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Ja, die Darsteller sind samt und sonders gut aufgelegt, spielen ihre Rollen überzeugend und vermitteln ein Gefühl für die Zeit. Besonders Paul Dano und John Cusack beeindrucken mit einer Intensität, die sie immer wieder mit ihren Charakteren verschmelzen lässt. Positiv ist auch, dass es trotz der ja meist eher heiteren Beach-Boys-Songs einen ausführlichen Blick hinter die Kulissen der Band gibt. Dort lief eben nicht immer alles harmonisch, der Film ist damit zum Glück definitiv nicht noch ein seichtes Feelgood-Movie. Soviel zu den guten Seiten.
Trotzdem ist das Endprodukt eher anstregend zu genießen. Das liegt nicht unbedingt an den grundsätzlich ziemlich unangenehmen Konflikten und dem von Paul Giamatti mit ein wenig zu deutlichem Overacting gespielten Ekelpaket Eugene Landy. Normalerweise zeugt es seitens der Regie von Mut und Eigenständigkeit, sich für das Entfalten der Handlung Zeit zu nehmen. In diesem Fall macht es den Film aber langatmiger und komplizierter, als er hätte sein müssen. Es gibt immer wieder wunderbare und berührende Szenen, gerade wenn es um Brians musikalische Experimente geht und er so richtig in seinem Element ist. Da fühlt man mit ihm und spürt ein wenig von der inneren Zerrissenheit, die ihn umtreibt. Dann wiederum passiert längere Zeit scheinbar nichts, seine Psyche wird offenbar visualisiert, aber so richtig versteht man es einfach nicht. Die Erzählung auf zwei ineinandergeschnittenen Zeitebenen spielen zu lassen ist eine interessante Herangehensweise, verleiht dem Film aber leider nicht den Schwung, den er dringend nötig hat.
Arthouse-Fans werden sicher am ehesten die guten zwei Stunden durchhalten und viele faszinierende Dinge entdecken. Für alle anderen Zuschauer bleibt es vermutlich ein wenigstens in den Ansätzen guter Film, dessen Endfassung aber irgendwie nicht funktionieren will.
Mir hat er immerhin geholfen, die Musik der Beach Boys wiederzuentdecken und ein wenig Hintergrundwissen über die Band beschert. Das hätte aber auch ein Dokumentarfilm geschafft. Handwerklich stimmt hier zwar vieles und auch künstlerisch ist der Film nicht unbedingt ein Fehlgriff. Dennoch bleibt ein ebenso ambitioniertes wie sperriges Drama, dessen Ecken und Kanten nicht nur zur Sympathie beitragen.
Immerhin trägt das umfangreiche Bonusmaterial der BluRay-Ausgabe dazu bei, viele Aspekte der Produktion und Hintergrundgeschichte besser zu verstehen. Das beinahe halbstündige MakingOf stellt neben den üblichen Inhalten auch den Menschen Brian Wilson vor. Dabei ist besonders beeindruckend, wie genau der Film hinsichtlich des Looks und der Eigenheiten seines Hauptcharakters inszeniert wurde. In weiteren Featurettes wird nochmals auf die Ästhetik der Beach-Boys-Ära eingegangen und eine Handvoll geschnittener Szenen gezeigt.