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    Fast & Furious 8
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Fast & Furious 8
    Von Christoph Petersen

    2009 hat Justin Lin das damals nur noch sehr mäßig erfolgreiche Straßenrennen-Franchise mit dem vierten Teil „Fast & Furious - Neues Modell. Originalteile.“ in eine James-Bond-auf-Speed-Richtung umgelenkt. Seitdem legen die Macher von Film zu Film immer noch eine Schippe drauf – und das, obwohl es sich jedes Mal anfühlt, als hätten sie das Gaspedal aber nun wirklich bis zum Anschlag durchgetreten: mehr Stars, mehr Action, mehr Wahnsinn, mehr Familie – und von Mal zu Mal mehr Erfolg an den Kinokassen („Fast & Furious 7“ hat weltweit mehr als eineinhalb Milliarden Dollar eingespielt). Insofern überrascht der Auftakt des neuesten Auto-Action-Sequels „Fast & Furious 8“ schon ein wenig: Dominic Toretto (Vin Diesel) lässt sich während seiner Flitterwochen mit Letty (Michelle Rodriguez) in Havanna spontan auf ein Zwei-Mann-Straßenrennen ein, bei dem er selbst hinter dem Steuer einer (schnell noch so gut es geht getunten) Schrottschüssel Platz nimmt. Kehrt die „Fast & Furious“-Reihe mit Regie-Neuzugang F. Gary Gray („Straight Outta Compton“) etwa zu ihren bescheideneren Wurzeln zurück? Natürlich nicht!!! Das Rennduell nimmt spätestens auf der Zielgerade solch absurd überhöhte Züge an, dass man nur noch ungläubig mit dem Kopf schüttelt und zugleich staunend applaudiert.

    Gleich im Anschluss geht es dann mit der eigentlichen Story los: Dom wird auf der Straße von einer Frau mit blonden Dreadlocks und Autopanne angesprochen, die sich als die international gesuchte Super-Hackerin Cypher (Charlize Theron) entpuppt und Dom verkündet, dass er schon bald seine Brüder, seine Familie und seine Prinzipien verraten wird. Als DSS-Agent Hobbs (Dwayne Johnson) wenig später um Hilfe bei einer Aktion in Berlin bittet, bei der eine leistungsstarke EMP-Bombe sichergestellt werden soll, lassen sich Dom und seine Crew erwartungsgemäß nicht zweimal bitten. Aber auf der Flucht rammt Dom den völlig überraschten Hobbs ohne Vorwarnung von der Straße und flieht mit der Bombe Richtung Flughafen. Die Familie ist gespalten! Fortan heißt es: Dom gegen den Rest seines Teams – und außer ihm selbst weiß niemand, warum er sich plötzlich gegen seine Freunde gewendet hat…

    Wenn sich früher in ihrer Lieblings-Daily-Soap jemand plötzlich als Bösewicht herausgestellt hat, dann hat mir meine Oma davon so aufgeregt und aufgebracht erzählt, als sei sie gerade von einem engen Familienmitglied hintergangen worden. Nun ist die „Fast & Furious“-Reihe inzwischen nichts Anderes als eine 200 Millionen Dollar pro Folge teure Mega-Blockbuster-Seifenoper – und so gab es nach der Veröffentlichung des ersten Trailers auch bei uns in der Redaktion erst mal kein anderes Thema: WTF? Dom wendet sich gegen seine Family? Das kann er doch nicht bringen! Aber nach dem ersten Schock kamen dann auch schnell die ersten Sorgen – denn in Seifenopern egal welcher Größenordnung geraten solche Twists ja auch gerne mal grotesk-lächerlich. Und so haben auch wir die absurdesten Theorien durchdiskutiert: Gedankenkontrolle? Hypnose? Ein Klon oder Zwilling? Erpressung mit einem Sextape? Bitte bloß nicht! Aber die Furcht können wir euch direkt nehmen! Der Grund für Doms Abkehr von seinem Team passt – zur Figur ebenso wie ganz allgemein zum in den vorherigen vier Teilen etablierten Ton der Reihe: Die Wendung ist zu gleichen Teilen emotional geerdet und vollkommen abgehoben – eben genau wie das gesamte Franchise.

    Zugleich führt die Konzentration auf den zentralen Twist aber auch zu einer gewissen erzählerischen Verengung: Haben in den vorangegangenen Teilen meist alle Crew-Mitglieder ihren eigenen kleinen Handlungsstrang bekommen, machen im achten Teil nun lediglich Dom und Letty eine echte emotionale Entwicklung durch. Alle anderen müssen sich diesmal mit der reduzierten Rolle als schlichte Sidekicks zufriedengeben, machen ihre Sache aber trotzdem extrem gut: Egal ob sich Tyrese Gibson als Roman Pearce immer wieder darüber echauffiert, dass er als einziger aus dem Team nicht auf der Liste der zehn meistgesuchten Verbrecher gelandet ist (er steht auf Platz 11), oder ob sich Dwayne Johnson und Jason Statham den ganzen Film hindurch eine herrlich augenzwinkernde Starke-Männer-Kabbelei liefern - die selbstironischen Pointen treffen sicher ihr Ziel! Und selbst wenn es zwischendurch mal richtig albern wird, etwa wenn Johnson mit etwas zu viel Ehrgeiz eine Mädchenfußballmannschaft trainiert oder Statham während einer Schießerei ein Kleinkind in einer Babyschale mit sich herumschleppt, ist das zumindest immer saumäßig unterhaltsam.

    Im Vergleich dazu erweisen sich die hochkarätigen Neuzugänge eher als Enttäuschung: Oscarpreisträgerin Charlize Theron (ausgezeichnet für „Monster“) schlägt als nahezu gottgleiche Hackerin zwar launig über die Stränge und ihre gemeinsamen Szenen mit Vin Diesel sind auch angemessen intensiv geraten (vor allem ein Moment ist wirklich extrem finster), aber die meiste Zeit über kommentiert sie das Geschehen lediglich mit Bösewicht-Klischee-Onelinern aus ihrer Einsatzzentrale heraus. Das ist dann auf Dauer doch eher ermüdend – zumal in „Fast & Furious 8“ ähnlich wie zuletzt in „James Bond: Spectre“ noch einmal nachträglich die Handlung der vorherigen Filme umgedeutet wird: Das funktioniert schon auf der reinen Handlungsebene nur so gerade eben, aber vor allem ist Cypher als neuer Ober-Widersacher auch einfach nicht eindrucksvoll genug, um solch eine Sonderstellung zu rechtfertigen. Scott Eastwood („Suicide Squad“) macht als Agent Eric Reisner zwar eine ganz gute Figur, bekommt aber abseits des Handlungsvorantreibens nur wenig zu tun. So ist es von den Reihen-Neulingen letztendlich vor allem Oscargewinnerin Helen Mirren („Die Queen“), die als White-Trash-Grande -Dame in ihren leider nur wenigen Szenen allen anderen die Show stiehlt.

    Es sagt schon eine Menge Gutes über die „Fast & Furious“-Reihe aus, dass wir bei einem Blockbuster-Franchise dieser Ausmaße jetzt schon so viel über die Figuren und Schauspieler, aber noch fast nichts über die Action geschrieben haben: Abgesehen von der eröffnenden Havanna-Sequenz, die schon deshalb Geschichte schreibt, weil „Fast & Furious 8“ der erste Film dieser Größenordnung ist, der nach dem Fall des Handelsembargos in Kuba gedreht wurde, werden dabei vor allem zwei Sequenzen in die Actionkino-Annalen eingehen: Das krachende Finale auf einem zugefrorenen russischen Meer, wo die Crew in ihren Autos über das Eis vor einem Atom-U-Boot flieht, beeindruckt mit seiner schieren Gigantomanie und begeistert vor allem mit einer tollen Einstellung, in der das U-Boot wie ein seine Beute verfolgender Killerwal und die Autos auf der Eisfläche wie flüchtende Pinguine anmuten. Noch erinnerungswürdiger, weil deutlich raffinierter, ist allerdings die New-York-Sequenz in der Mitte des Films: Cypher hackt sich in die Bordcomputer Tausender Autos und formt sie (teilweise mit Insassen, teilweise ohne) zu einer Art intelligentem Blech-statt-Bienen-Schwarm, den sie unaufhaltsam auf ihr Ziel hetzt. Spätestens wenn dann die Wagen nicht mehr nur wie eine metallene Zombie-Horde durch die Straßen rollen, sondern es zusätzlich auch noch Autos aus den Parkhäusern „zu regnen“ beginnt, bleibt einem eigentlich gar nichts mehr übrig, als die Macher für ihren puren, mit einem breiten Kleine-Jungen-Grinsen auf die Leinwand geworfenen WAHNSINN zu feiern!

    Fazit: Sie haben es wieder geschafft! „Fast & Furious 8“ ist noch abgehobener und durchgeknallter als alle Teile zuvor und sortiert sich so qualitativ nicht weit hinter dem überragenden „Fast & Furious 5“ in die Reihe ein, für die auch die nächsten beiden Filme „Fast & Furious 9“ (für 2019) und „Fast & Furious 10“ (für 2021) längst bestätigt sind. Wir können es schon jetzt kaum noch erwarten.

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