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    Shaun das Schaf - Der Film
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Shaun das Schaf - Der Film
    Von Thomas Vorwerk

    In den vergangenen 35 Jahren war das britische Studio „Aardman Animation“ nicht nur im Telefonbuch von Bristol die erste Adresse, wenn es um anspruchsvolle „Claymotion“, also dreidimensionale Knetgummi-Animation nach dem Stopptrick-Verfahren geht. Man begann einst mit Werbefilmen und Videoclips (unter anderem für Peter Gabriel, die Housemartins oder Nina Simone), genoss schnell Anerkennung in der Trickfilmszene und als 1995 in „Wallace & Gromit unter Schafen“ erstmals eine kleine wollige Nebenfigur namens Shaun auftauchte, die später zum Star des Kinderfernsehens (in Deutschland in der „Sendung mit der Maus“) werden sollte, gewann Aardman den dritten Oscar in der Kategorie „Bester animierter Kurzfilm“ im Zeitraum von nur sechs Jahren. Nun bekommt der kleine Star in „Shaun das Schaf – Der Film“ seine erste Kinohauptrolle: Der fünfte  Aardman-Langfilm (wenn man die computeranimierte Coproduktion „Flutsch und weg“ mitzählt) wird unter der Regie von „Shaun“-Serien-Erfinder Richard Starzak und Komödienspezialist Mark Burton zum bisher besten: ein bezaubernder Animationsspaß für die ganze Familie.

    Gelangweilt durch den ewigen Trott auf der Farm und genervt durch eine lieblos unvorteilhafte „Frisur“, die ihm der Bauer beim Scheren verpasste, treibt Shaun für einen wohlverdienten freien Tag („Day Off“) mal wieder teenagermäßigen Schabernack. Seine Rache am Farmer führt indes dazu, dass dieser in einem bergab rollenden Wohnwagen in der „großen Stadt“ landet (auf Wegweisern steht tatsächlich „The Big City“) und dort nach einem Gedächtnisschwund mit kräftigem Medienhype zum Starfriseur „Mr. X“ wird - ironischerweise mit dem selben Schnitt, den Shaun so verabscheute. Während Shaun und einige andere Schafe „incognito“ (also als Menschen verkleidet) auf Bauernsuche gehen, landet Hund Bitzer im Chirurgen-Outfit in einem Operationssaal (!). Unterdessen will ein brutal wirkender Tierfänger die vierbeinigen Störenfriede, die eigentlich nur ihren „Erziehungsberechtigten“ wiederhaben wollen, mit rabiaten Mitteln dingfest machen…

    Wer als Filmemacher ohne Dialoge auskommen will (wie es bei „Shaun, das Schaf“ Tradition ist), wird gleichsam gezwungen, seine Geschichte mit visuellen Mitteln zu erzählen. Und dies kommt dem Film durchaus zugute, denn Richard Starzak (auch als Richard Goleszowski bekannt) und Mike Burton zeigen beachtlichen Einfallsreichtum. Mit Ausnahme eines längeren Showdowns sind die visuellen Gags hier zwar nicht so ausufernd wie bei Wallace und seinen komplizierten Erfindungen, von denen die „Techno-Hose“ wahrscheinlich die berühmteste ist, sondern ähnlich wie in den Fernsehepisoden mit Shaun zumeist knapp angelegt - aber mit treffsicherem Timing hervorragend aufeinander abgestimmt. Dem erwachsenen Publikum wird dabei neben einigen schwungvollen actionreichen Passagen vor allem etwas leichte Satire geboten, die wiederum mit ihren Rundumschlägen gegen golfverrückte Ärzte, soziale Medien und wahnwitzige Modetrends auch die kindlichen Zuschauer nicht überfordert.

    Die größte Veränderung gegenüber der Fernsehserie besteht neben der räumlich und inhaltlich ausgeweiteten Handlung (ohne dass die Geschichte über Gebühr aufgeblasen würde) im cleveren Musikeinsatz. Während das bekannte Shaun-Thema in diversen Variationen immer mal wieder angestimmt wird, erzählen einige bekannte (und ein paar neukomponierte) Songs die Geschichte mit und sorgen gleichzeitig für Stimmung, darunter Primal Screams „Rocks“ oder „Bad to the Bone“. Ein besonders gelungenes Beispiel des sanft-augenzwinkernden britischen Humors ist dann die A cappella-Nummer eines wollenen „Baa Baa Shop Quintetts“.

    Wie schon die Kollegen beim Aardman-Spielfilmdebüt „Hennen rennen“ greifen die Macher hier auf Muster des „Gefängnisausbruch“-Genres zurück, doch „Shaun das Schaf“ ist da weitaus besser gelungen, gerade der Verzicht auf Dialoge scheint die Gagdichte und das kaum einmal nachlassende Tempo des Films zu erhöhen – ohne dass es jemals hektisch würde. Und aufgrund des längst etablierten Personals von der Farm braucht man auch keine zusätzlichen Figuren wie bei „Wallace & Gromit“. Einzig der Tierfänger als Gegenspieler und eine seltsame (aber liebenswerte) Kreatur, bei der man sich nicht ganz ist, ob es sich um eine erstaunlich große Ratte oder doch nur einen ziemlich hässlichen Hund handelt, spielen als Neuzugänge im „Shaun“-Universum eine größere Rolle.

    Fazit: Zu seinem 20. Geburtstag hat sich Schaf Shaun diesen wunderbaren Kinofilm wirklich verdient und beweist auch auf der großen Leinwand und im Langfilmformat echte Starqualitäten.

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