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    Is The Man Who Is Tall Happy?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Is The Man Who Is Tall Happy?
    Von Gregor Torinus

    Der Franzose Michel Gondry hat wie sein amerikanischer Kollege Spike Jonze („Being John Malkovich“) den Schritt vom Musikvideo- zum Spielfilm-Regisseur gemacht und sich dabei seine ihn bezeichnende Verrücktheit bewahrt. Auf herausragende, kreative Videos für Musiker wie Björk oder Daft Punk folgten surreale Spielfilme wie „Vergiss mein nicht!“ und „Science Of Sleep“. Gondrys Musikvideos zeichnet der perfekte Einklang von Musik und der diese begleitenden Bilder aus. In seinen Spielfilmen erschafft der Regisseur hingegen ganz eigene Welten, in denen sich Traum und Alltagsrealität vermischen. Und auch bei Dokumentationen kann man sicher sein, dass Gondry nicht auf den klassischen Pfaden wandelt. Für „Is The Man Who Is Tall Happy?“ hat er mit dem amerikanischen Sprachforscher Noam Chomsky über eine Zeit von vier Jahren Gespräche geführt, die er nun einfach zusammenschneidet. Stattdessen illustriert er seine Fragen und Chomskys Gedanken mit phantasievollen, animierten Zeichnungen – mit faszinierendem Ergebnis.

    Der berühmte Linguist Noam Chomsky erzählt Interviewer Gondry, er habe in den Fünfziger Jahren eigene Theorien zur Sprachbildung entwickelt, die jedoch erst 30 Jahre später Anwendung fanden. Seine Gedanken bewegen sich im Bereich der Erkenntnis- und der Wissenschaftstheorie und sind oft mehr Philosophie, als pragmatische Wissenschaft. Gondry kommt in diesem Dialog die Rolle des interessierten Laien zu, der bereits die eine oder andere Überlegung zum Thema angestellt hat, insgesamt aber mehr den ganz naiven Fragesteller spielt. Dadurch nimmt der Regisseur in dieser illustrierten Dokumentation eigentlich die Rolle des Publikums ein, während Chomsky derjenige ist, der etwas Interessantes zu vermitteln hat. Die Bilder, die Gondry zu dem Gesagten findet, sind deshalb keine reinen Illustrationen des Besprochenen, sondern seine Art sichtbar zu machen, wie diese Inhalte bei ihm ankommen.

    „Is The Man Who Is Tall Happy?“ ist ein hochinteressantes Experiment, bei dem ein Wissenschaftler und ein Künstler in ihrer jeweiligen ganz eigenen Sprache miteinander kommunizieren. Der sympathisch, bescheiden aber auch gleichzeitig sehr selbstbewusst auftretende Chomsky ist ein Denker, der über die Gabe verfügt, auch schwierige philosophische Themen anhand konkreter und oft sogar lustiger Beispiele verständlich zu machen. Sein Gesprächspartner Gondry spricht dagegen weder besonders gut Englisch noch verfügt er über Chomskys enormen Wissensschatz. Aber der Künstler besitzt die besondere Gabe, seine oft wilden Assoziationen mit phantasievollen Zeichnungen sichtbar und damit erlebbar zu machen. Diese Bilder sind Gondrys Weg der Kommunikation, der auch Kommentare und Missverständnisse beinhalten kann. Es gibt Stellen, an denen Gondry dem Gesagten nicht ganz folgen kann. Aber anstatt das Zeichnen für diesen Zeitraum einzustellen, visualisiert Gondry dann dieses Unverständnis. Das Ergebnis sind wilde psychedelische Bilder, die witzig und schön anzusehen sind – auch auf die Gefahr hin, dass sie sich zeitweise zu sehr in den Vordergrund drängen und so vom  Inhalt des Gesagten ablenken und das Zuhören erschweren.

    Andererseits visualisiert Gondry gerade auf diese Art einige Kernaussagen Chomskys. Der Linguist weist immer wieder darauf hin, dass wahre Wissenschaft genau da beginnt, wo man bestimmte Sachverhalte nicht mehr als gegeben hinnimmt und deshalb zuvor ganz klar erscheinende Dinge neu hinterfragt. Auf die Linguistik bezogen fragt Chomsky z.B. immer wieder nach, weshalb wir bestimmte Konzepte eigentlich verstehen können. Als ein Beispiel nennt er einen bestimmten Baum, von dem ein Setzling abgeschnitten wird. Dieser Setzling ist genetisch mit dem Baum vollkommen identisch. Doch wenn man jetzt den Baum fällt und den Setzling an der gleichen Stelle neu einpflanzt, handelt es sich bei dem daraus erwachsenen Baum dann um denselben Baum wie zuvor? Sogar Kinder verstehen, wieso es nicht so ist. Doch wie kommt es, dass bereits Kinder solche komplexen philosophischen Themen verstehen können? Und noch einmal weitergedacht: Wieso sollte dieses allgemein akzeptierte Konzept eigentlich richtiger sein, als zu sagen, dass der aus dem alten Baum erwachsene genetisch identische Baum nicht wieder derselbe Baum ist? Chomsky meint, dass Außerirdische vielleicht genau diese Anschauung vertreten könnten. Der Clou ist: Weder der Mensch noch der Außerirdische hätte mehr recht als der andere. Was ihre Meinungen jedoch enthüllen, sind letzten Endes bestimmte Denkstrukturen, welche unser Bild von der Realität beeinflussen und auch begrenzen.

    Fazit: „Is The Man Who Is Tall Happy?“ ist kein typischer, verspielter Gondry-Film mit dem man den Alltag ausblenden und in eine ganz eigene Phantasiewelt eintauchen kann. Der Dialog zwischen dem amerikanischen Sprachwissenschaftler Noam Chomsky und dem französischen Regisseur ist inhaltlich eine harte Nuss. Aber Gondrys überaus kreative und humorvolle Art sein Verständnis und manchmal auch sein Unverständnis in spontane Zeichnungen zu übersetzen schaffen eine ganz neue Art der visualisierten Kommunikation zwischen einem Künstler und einem Wissenschaftler.

    Dieser Film läuft im Programm der Berlinale 2014. Eine Übersicht über alle FILMSTARTS-Kritiken von den 64. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gibt es HIER.

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