Eine, der zahlreichen Weisheiten, die unser Erdenrund umkreisen, lautet: Ein Veriss ist immer einfacher als eine positive Kritik. Klare Sache, man hat da recht schnell die Fresse voll vom zahlreichen Absuchen der einschlägigen Internetseiten nach lobenden Synonymen oder zumindest gut gemeinten Euphemismen.
Da ist es dann nicht immer einfach nach einem Film von Fincher wieder "toll" in die Google – Suchmaschine zu tippen und mal zu sehen, was dabei witziges herauskommt. Wobei Frage: Bleibt bei ihm denn auch alles beim Alten? Diesmal zumindest schon, die großartige Vorlage von Autorin Gillian Flynn ist in der Hand des Regievirtuosen dankbare Kost und so wird sein "Gone Girl" in seinen besten Momenten erneut zu einem psychologisch spannend geführtem Plot, der an die ausgezeicheneten Figuren und Detailversessenheiten seines "Zodiac" erinnert. Eines seiner nachhaltigsten Werke wird der Film trotzdem nicht, dafür ist Autorin/Drehbuchautorin Flynn zu verliebt in ihren eigenen Stoff und kann es dabei nur schwerlich über's Herz bringen, Kürzungen vorzunehmen. Obwohl das gerade für Romankenner, die hier trotz Fincher logischerweise spannungstechnisch unterfordert sind, nicht das Schlechteste bedeuten muss.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
"Wenn ich an meine Frau denke..." So formuliert "Gone Girl", der Film, ganz getreu "Gone Girl", dem Buch. Es ist immer wahnsinnig kompliziert für Buchkenner die Qualität einer Buchverfilmung zu bemessen. Nicht zwingend, weil ohnehin nur Scheiße dabei herumkommt, das, sei mal gesagt, ist doch ziemlich engstirnig und additiv für die Motivation eines Kinobesuchs abträglich. Eher weil man um den Vergleich nicht herumkommt.
Flynn ist selbstverständlich direkt im Geschehen, das reflektiert ihr Drehbuch ganz gut und Fincher in den ersten fünfundvierzig Minuten eher darum bemüht, hinterherzukommen. Also reiht sich schonmal ein schneller Dialog oder Ortswechsel an den anderen, sowie eine im Vorhinein eigentlich reduziert, angekündigte Welle an Rückblenden durchbricht immer wieder die Geradlinigkeit. Sind wir ehrlich, unumgänglich, oder?
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Trotz der enormen Schwierigkeit lässt das Drehbuch dann doch Zweifel. Sind die in einer unnahbar wirkenden Utopie fast schmonzettenartigen Dialogfetzen des Paares Nick und Amy auch im Buch so dick gewesen. Und selbst wenn. Waren sie dann im Film auch nochmal notwendig. Hier geht gewollte Provokanz schon fast für .... Albernheit verloren. In der zerbrechlich anmutenden Romanze der beiden finden weder Flynn noch Fincher ihre Trümpfe, da ist es umso befriedigender ihnen bei der Zerstörung der opportunistischen Vorstandidylle zuzusehen und dem Zuschauer ein um's andere Mal den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Fortan betritt Fincher voll und ganz die Bühne, in der das routiniert abgespulte, aber eben immer noch psychologisch interessante Drehbuch die Auf und Ab's oder gut gesetzten "WTF" – Momente portionsweise assestiert.
Etwas dezenter tritt der bekannte Regisseur dann aber doch auf, sein zum Markenzeichen gewordenenes CGI – Intro (fantastisch in "Fight Club" oder auch "Verblendung") lässt er aus und die Handlung nährt die Spannung hier, wie bereits erwähnt, über Detailiertheit und psychologische Kriminalprofile.
Da ist die Versessenheit Flynns für ihren Stoff eben einfach willkommen. Die Figuren erhalten nämlich innerhalb der Hauptdramturgie einen enormen Spielraum und bekommen dazu auch die erforderliche Spielzeit. Ob das absolut gegensätzliche Kommissargespann Boney und Gilpin, die leicht aufdringliche Führsorge von Amy's Eltern oder auch die zerfleischenden Handlungsträger der Massenmedien. Beleuchtet wird "Gone Girl" der Film mittels seiner romanischen Vorlage äußerst genau und man müsste schon mit der Lupe schauen, um zu erkennen, was unter den Tisch gefallen ist.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Von Minute zu Minute begeistert "Gone Girl" dabei mehr und selbst dem Ungeduldigen eröffnen sich nach der sehr ausgedehnten Spielzeit interessante Kniffe und ransante Wendungen. Trotzdem, wie auch im Buch, polarisiert das dramaturgisch offene Ende den Zuschauer. Man erwischt sich dann eben doch dabei, im Schlussakt eine finale Einstellung zu suchen. Wird irgendwann weggeschwenkt, oder weggezoomt? Wenn dann Ende ist, kommt vielleicht noch etwas?
"Gone Girl" bricht hier brutal mit den Erwartungen des Zuschauers und auch wenn es Fincher's Idee der Inszenierung vielleicht ein Lächeln auf's Gesicht zaubert, rundum befriedigen wird der Film die breite Masse damit nicht.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Dass Ben Affleck nicht zu Hollywoods A-Schauspielensemble gehört, kommt ihm hier ironischerweise entgegen. Denn Affleck's Charakter Nick Dunne ist schlichtweg der vielzitierte Schauspiellaie, dem man sofort ansehen kann, wann er lügt und wann er versucht(!), die Wahrheit zu sagen. Die ambivalentere Rolle hat eh Rosamunde Pike mit der undurchsichtigen Amy inne, die sie überraschend gelungen darstellt und sich damit aus ihrer bisherigen Vita an "blassen-Blondchen-Beiwerk" – Rollen herausspielt. Fincher's unorthodoxe Besetzung der Nebenrollen glückt dabei ebenso: Der wahre Gewinner unter den Darstellern ist dabei wohl die auch im Vorfeld kritiserte, oder zumindest wagemutig erscheinende Besetzung Tyler Perry's als Charmebolzen Tanner Bolt, der seinen Kritikern mit dieser Performance satt den Mittelfinger zeigt, schließlich trifft er mit seiner Darstellung den Nagel der Vorlage auf den Kopf. Ebenfalls bemerkenswert ist wohl Carrie Coon als vulgäre Margo, wohingegen Neil Patrick Harris' Desi Collings eher blass bleibt, allerdings ohne seinen Charakter jetzt wirklich zu verfehlen.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Fazit: David Fincher's "Gone Girl" ist abermals packendes Thriller – Kino mit beschleichend psychologischer Wirkung und vollführt dabei einen ebenso dramatischen Impact wie die literarische Vorlage. Etwas zu viel Detailversessenheit und leichte dramaturgische Schnitzer verhindern hier trotz allem deutlich den Status eines Meisterwerks. Da wäre noch etwas gegangen.