Mit „Berberian Sound Studio“ inszenierte der Brite Peter Strickland zuletzt eine Hommage an das italienische Giallo-Genre mit seinen schwarz behandschuhten Frauenmördern. Mit seinem dritten Kinofilm orientiert sich der Regisseur erneut an diesen und anderen Vorbildern aus den 70er-Jahren und knüpft vor allem an die abgründigen Sex-Horrorfilme des Spaniers Jess Franco („Marquis de Sade: Justine“) an. Die visuell bestechende Umsetzung kann allerdings nicht gänzlich übertünchen, dass die Geschichte seines Sadomaso-Dramas „The Duke Of Burgundy“ nicht sonderlich tiefgründig ausfällt. Nun könnte man das Werk, das auf dem Filmfest Hamburg 2015 und auf dem 10. Berliner Pornfilmfest zu sehen war, kurzerhand als oberflächlichen style over substance-Beitrag abtun. Mit den nötigen Antennen für das cineastische Erzählen erkennt man allerdings, dass das Herz des Kinos ganz nah bei der puren Ästhetik des Autorenfilmers Peter Strickland schlägt.
Ein viktorianisches Landhaus inmitten einer Herbstlandschaft: Die junge Evelyn (Chiara D'Anna) schrubbt auf allen Vieren den Boden, wäscht getragene Höschen und führt alle sonstigen Befehle der Schlossherrin Cynthia (Sidse Babett Knudsen) aus, die mit Bestrafungen und Züchtigungen Hand in Hand gehen. Doch während sich Evelyn beim sexuellen Rollenspiel als Sklavin unterwirft, dominiert sie das alltägliche Miteinander mit Cynthia. In kleinen Briefen instruiert sie ihre Herrin für das erotische Rollenspiel und erbittet sich bisweilen auch während des Spiels eine härtere Gangart, bevor es nach dem Sex Feedback zum Ablauf der Session gibt.
„The Duke Of Burgundy“, benannt nach der seltenen Schmetterlingsart Herzog von Burgund, lief zwar als Abschlussfilm des Berliner Pornfilmfestivals, taugt mit seinen nur punktuell eingestreuten Erotikszenen aber keineswegs als pornografischer Animierfilm. Stattdessen handelt das kunstvoll arrangierte Beziehungsdrama von der Schieflage zwischen zwei Liebenden. Der Clou daran ist, dass sich das Spiel aus Dominanz und Unterwerfung – anders als etwa im kleinen Klassiker „Secretary“ – im Alltag unter umgekehrten Vorzeichen fortsetzt: Während die Herrin Cynthia das Rollenspiel dominiert, übernimmt die Sklavin Evelyn im Alltag die Kontrolle. Letztlich sind es vor allem Evelyns sexuelle Fantasien, die die Frauen mit verschiedenen Outfits und Perücken in die Tat umsetzen. Cynthia hingegen, die als Insektenforscherin Vorträge hält und Schmetterlinge unter dem Mikroskop untersucht, scheint nur Evelyn zuliebe mitzuspielen.
Schon die Titeleinblendungen im Stil des 70er-Jahre-Underground-Kinos stellen klar, dass sich Regisseur Peter Strickland hier erneut an den Subgenres des europäischen Kinos orientiert. Seine ausgesprochen langsam erzählte Hommage an die Filme von Jess Franco oder Dario Argento („Suspiria“, „Profondo Rosso“) ist bis ins Detail durchgestaltet und durchdacht. Er greift den klassischen Stil und die genretypischen Themen auf und gibt ihnen zugleich eine individuelle Prägung. Die liebevolle Ausstattung erinnert an die Sexploitation-Vorbilder, während einige surreale Sequenzen und inszenatorische Extravaganzen unverkennbar Stricklands ganz eigene Handschrift tragen. Mit seiner hochartifiziellen Gestaltung koppelt er das in sich geschlossene Psychogramm völlig von der Außenwelt und von konkreten Zeitbezügen ab – wenn man vom Auftritt Monica Swinns („Female Vampire“) in einer Nebenrolle einmal absieht. Sie tritt als eine der Stammschauspielerinnen Jess Francos hier gleichsam als wandelndes Zitat auf. Apropos Schauspielerinnen: „The Duke Of Burgundy“ ist ein reiner Frauenfilm, Männer spielen keine Rolle. Die Dänin Sidse Babett Knudsen (bekannt als Premierministerin aus der Politserie „Borgen“) und die Nachwuchsschauspielerin Chiara D'Anna stemmen das mit Opernmusik unterlegte Kammerspiel darstellerisch im Alleingang.
Fazit: Stimmungsvolle Hommage an das Sexploitation-Kino der 70er-Jahre, vom Regisseur von „Berberian Sound Studio“ mit viel Stilbewusstsein in Szene gesetzt.