„Was hast du, was ich nicht habe?“ Wenn in „Fifty Shades Of Grey 2: Gefährliche Liebe“ die klischeehafteste aller Fragen zum Liebesaus gestellt wird, dann steht die Verlassene mit der Knarre in der Hand im Zimmer ihrer Nachfolgerin: Während Regisseurin Sam Taylor-Johnson aus dem ersten Band von E.L. James' sagenhaft erfolgreicher Trivial-Erotik-Trilogie vor allem anderen ein erstaunlich feinfühliges Romantikdrama machte, bleibt der neue Regisseur James Foley enger am Stil der Vorlage und rückt die zweite Runde im Liebesringen zwischen Anastasia Steele und Christian Grey entsprechend noch mehr in die Nähe einer Seifenoper. Große dramatische Gesten, ebenso plötzliche wie unerklärliche Wendungen und arge Übertreibungen halten eine Erzählung in Schwung, in der die Konflikte des ersten Films noch einmal von vorne durchgekaut werden - einschließlich der schick-geschmackvollen, für eine echte Provokation aber viel zu zahmen Sexszenen mit ihrem zarten Hauch von SM, sowie dem ausgiebigen Schwelgen in Luxus. Allerdings diesmal (leider!) ohne jede Spur von Ironie oder Humor.
Es liegt schon einige Wochen zurück, dass die Fahrstuhltüren sich geschlossen haben und Anastasia Steele (Dakota Johnson) den Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan) verlassen hat. Doch bei der Eröffnung einer Ausstellung ihres Fotografen-Freundes José (Victor Rasuk) steht der Verschmähte plötzlich wieder vor ihr und bittet um einen Neuanfang. Der unfassbar reiche Unternehmer mit den dominanten BDSM-Neigungen und der dunklen Vergangenheit verspricht: „Keine Regeln, keine Bestrafungen, keine Geheimnisse!“ Die beiden einigen sich also auf eine „Blümchensex-Beziehung“, doch die neue Zweisamkeit wird immer wieder auf die Probe gestellt. So führt er sie ausgerechnet in den Schönheitssalon von Elena Lincoln (Kim Basinger), jener reifen Freundin der Familie, die einst den 15-jährigen Christian verführte und in die Welt des Sadomasochismus einführte. Und als ihr mit Leila (Bella Heathcote) auch noch eine psychisch gestörte, devote Ex von Christian auflauert, stößt Ana einmal mehr an ihre Grenzen...
Der Film beginnt mit einem Albtraum, als sollte gleich einmal der Sequel-Originaltitel „Fifty Shades Darker“ illustriert werden, nach dem hier alles eine Spur düsterer zugeht als im ersten Teil. Tatsächlich werden einige sehr ernste Themen angeschnitten – darunter Stalking, Kindesmissbrauch, Belästigung am Arbeitsplatz und emotionale Abhängigkeit. Doch dies ist kein psychologisches Drama und auch kein übersteigerter Thriller wie James Foleys frühere Arbeiten „Fear – Wenn Liebe Angst macht“ mit Mark Wahlberg oder „Verführung einer Fremden“ mit Halle Berry. Die Nachstellungen von Christians Ex-„Sub“ Leila bleiben genauso wie die Feindseligkeit seiner „Mrs. Robinson“ Elena und das lachhafte Machoverhalten von Anas Chef Jack Hyde (Eric Johnson) rein funktionale Störungen der Haupthandlung: Sie machen die komplizierte Beziehung zwischen Anastasia und Christian noch komplizierter – schließlich wird es zum Valentinstag 2018 auch noch einen dritten Teil geben (der Teaser dazu wird übrigens mitten im Abspann von Teil 2 gezeigt).
Wollte der Milliardär mit dem „Spielzimmer“ voller Sexutensilien die Studentin (die inzwischen einen Job als Lektorats-Assistentin in einem Buchverlag innehat) im ersten Teil noch zum devoten Part in einer vertraglich geregelten BDSM-Beziehung machen, ist er nun bereit, seine sadistische Seite zu unterdrücken und sich auf eine „Vanilla“-Partnerschaft einzulassen. Die Annäherung erfolgt dieses Mal gewissermaßen von der anderen Seite, aber zusätzliche Facetten gewinnt das Hin und Her trotz einiger neuer traumatischer Details aus Christians Vergangenheit nicht – unter diesem Aspekt erscheint nichts überflüssiger als eine dritte Runde im Beziehungsgerangel. Der neue schmucke Dreitagebart steht Jamie Dornan („Operation Anthropoid“) gut, aber sein Christian Grey hat nach wie vor keinerlei Tiefe und sein besitzergreifendes Verhalten ist dadurch umso schwieriger hinzunehmen (wer sagt beim Antrag schon: „Ich will, dass du mich heiratest!“). Andererseits steht er im Vergleich zu Anas Boss wie ein strahlender Ritter da: Wenn dieser Mr. Hyde in einer geradezu lächerlichen Szene zudringlich wird und es als das Normalste von der Welt ansieht, seine Position sexuell auszunutzen, dann sind wir im reinsten Soap-Opera-Übertreibungsmodus – irres Augenrollen und schleimiges Grinsen inklusive.
Franchise-Neuzugang Kim Basinger (Oscar für „L.A. Confidential“), die einst in „9 ½ Wochen“ selbst in einen zeitgeistigen Hochglanzstrudel sexuell aufgeladener Machtspiele und psychischer Abhängigkeiten geriet, darf als Elena immerhin nach außen die Form wahren, hat aber in ihren wenigen Szenen auch keine Chance, ihrer Mephisto-Figur echte Abgründigkeit zu verleihen. So ist am Ende wieder einzig Dakota Johnson („How To Be Single“) mit einer etwas komplexeren Rolle ausgestattet. Ihr gelang im ersten Film ein erstaunlich stimmiges und vielschichtiges Porträt einer hin- und hergerissenen jungen Frau, hier muss sich Anastasia allerdings manchmal so schnell umentscheiden, dass sich das kaum noch nachvollziehen lässt: Erst verbittet sie sich jede härtere Gangart, dann sagt sie „Schlag mich!“, in einem Moment fordert sie Selbstbestimmung, nur wenig später lässt sie sich scheinbar willenlos rumkommandieren. Obwohl das von Drehbuchautor Niall Leonard alles todernst angelegt ist, scheint manchmal ein schelmisches Lächeln in Johnsons Mundwinkeln zu lauern, besonders wenn sich Ana auf eines von Christians Sexspielchen einlässt und auf besondere Weise stimuliert einen Maskenball im venezianischen Stil besucht oder sich in einem edlen Restaurant ihres Slips entledigt.
Die Schlüpfer-Akrobatik mündet in eine Variation der Fahrstuhl-Szene aus Teil 1, auch die anderen Sexeinlagen mit dem schmeichelhaften Licht, der millimetergenau (nicht) präsentierten nackten Haut und der hitverdächtigen Kuschelpopuntermalung wiederholen sich zunehmend und sind von Lust und Liebe gleich weit entfernt. Die Chemie zwischen Dakota Johnson und Jamie Dornan ist aber immerhin so gut, dass in einigen dramatischen Momenten der zweiten Filmhälfte tatsächlich einige echte Emotionen hervorschimmern - und auch Marcia Gay Harden (Oscar für „Pollock“) spielt als Christians Mutter gekonnt auf der Gefühlsklaviatur. Aber am ehesten bereitet „Gefährliche Liebe“ Vergnügen, wenn man sich von seiner luxuriösen Oberfläche verführen lässt: Bei einem Ausflug mit der Yacht, beim verschwenderischen Maskenball oder bei der Auswahl eines Party-Kleids – in solchen Momenten ist „Fifty Shades Of Grey 2“ dann nämlich nichts anderes als ein etwas anderes „Cinderella“-Märchen. Immerhin.
Fazit: „Fifty Shades Of Grey 2: Gefährliche Liebe“ ist der Vorlage vom Stil her sehr viel näher als der erste Film der Reihe. Das ist in diesem Fall allerdings eher keine gute Nachricht.