Dieses grandiose Filmjuwel ist für mich vor allen Dingen ein soziologisches Werk. Denn "Die Jagd" zeigt, für manchen vielleicht überraschend, sehr ruhig und detailreich, sehr lebensnah und realistisch, wie es sein kann, wenn eine soziale Ordnung mit ihren bekannten Strukturen von einem gestört wird, der zuvor fest dazu gehörte. Die Akteure wissen nicht recht wie sie sich verhalten sollen, und die Kinder, die dies nachahmen, sind damit nur ein Spiegelbild dieser Gesellschaft. Interessant fand ich, dass in der Geschichte die Kinder allesamt als Wahrsager dargestelt wurden. Eine dänische Eigenart? Im Deutschen kennt man: Kindermund tut Wahrheit kund. Bin mir allerdings nicht sicher wie das in einer solch belastenden Situation gesehen werden würde. Spannend ist es aber allemal. Dieser Film ist für jede Art von Studentenkino der sozial- oder erziehungswissenschaftlichen Fächer interessant!
Die Darsteller sind gut, die Bilder sind toll, die Regie inszeniert alles ruhig, und das Drehbuch setzt nicht auf Effekthaschereien. Der Soundtrack hält sich unterstützend im Hintergrund. Mit seiner lebensnahen Herangehensweise, sowie dem Spiel damit eventuell jederzeit in eine handfeste Gewaltspirale abzudriften (immerhin hat der Großteil der Dorfbewohner ja Waffen, da Jäger), dies aber nicht zu tun, balanciert der Film sehr wohlfeil. Und immer mehr reißt der Film mit, weil man mit Protagonist Lukas fühlt. Der Film sollte mal all jenen Oberflächlichen gezeigt werden, die sich so ein Quatsch wie "Tod dem Kinderschänder" ans Auto kleben! - Was aber bei mir knapp die Höchtwertung verbietet, ist die anfangs etwas zu langsame Exposition. Da ja 90% der am Film Interessierten wissen wohin die Reise geht (und man das auch aus dem Titel schnell erkennen kann), wäre die ein oder andere Straffung wünschenswert gewesen, um dann am Ende mehr ranzuhängen. Dann nämlich löst sich "Die Jagd" mit einem auf den ersten Blick gar nicht so bedrückenden Epilog auf. Doch der Film tut das m. E. nach eine Spur zu schnell - wo's am Anfang eben zu langsam war! Schließlich könnte man auch noch sagen: Der Titel trifft das Ganze nicht so ganz. Denn weniger wird Lukas gejagt, sondern muss eher sehen wie man ihn anfeindet und sich abschottet. Aber wirklich gejagt, einer Hetzjagd gleich - das passt nicht ganz. Womöglich ist das Original besser, denn "Jagten" könnte auch einfach für jagen, also den infinitiv, stehen. Das passt wiederum mehr zum Teil der Hauptfigur, der seiner Unschuld hinterherjagt.
Fazit: Ein ruhiger, realistischer Film, der die Ambivalenz von Menschen zeigt und gekonnt mit den Erwartungen es Zuschauers spielt ohne auch nur je reißerisch zu sein. Nahe an der Perfektion, nur leider anfangs ein Hauch zu langsam, was am Ende, wo es richtig interessant wird, mit ein paar Filmminütchen wiederum fehlt.