Dass Entwicklungshilfe nichts per se Gutes sein muss, ist eine Einsicht, die seit wenigen Jahren auch in den westlichen Medien zunehmend thematisiert wird. Der Dokumentarfilmer Peter Heller hat sich des umstrittenen Themas angenommen und geht in seinem Film „Süßes Gift" dem Sinn und Unsinn westlicher Entwicklungshilfe nach. Dazu führt er ausgewählte Beispiele fragwürdiger Großprojekte in drei afrikanischen Ländern vor und interviewt nicht nur Experten aus Afrika und Europa, sondern lässt auch viele jener Menschen zu Wort kommen, denen geholfen werden soll. So entsteht ein facettenreiches Bild westlicher "Gut-Gemeint-Hilfe".
Die im Film gezeigten Widersprüche lassen sich nicht leicht auflösen. Unbestritten ist, dass Entwicklungshilfe immer die Gefahr der dauerhaften Abhängigkeit mit sich bringt. Das Gefühl der Hilflosigkeit und die passive Ergebenheit, mit der hungernde Kleinbauern in schlechten Jahren auf internationale Nahrungsmittellieferungen bauen, kommt ein ums andere Mal zur Sprache. Dabei bemüht sich Heller darum, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen: Die interviewten Frauen, Männer und Kinder wirken keineswegs wie scheue Dorfbewohner, sondern agieren selbstbewusst und artikulieren mit Nachdruck ihre Forderung nach einer dauerhaften Unterstützung durch internationale Organisationen. Mit gutem Grund, wie zum Beispiel der Bau eines Stausees belegt, an dem deutsche Ingenieure maßgeblich beteiligt waren. Ein Deutscher erzählt, dass die Arbeit an diesem Projekt die schönste Zeit seines Lebens gewesen sei. Und auch für die Afrikaner brachte der Bau viele Vorteile: Tausende waren beim Bau der Staumauer beschäftigt, viele junge Leute nahmen an Berufsbildungsmaßnahmen teil. Doch während die gut ausgebildeten Jungen nach Ablauf des Projekts die Region verließen, blieben jene zurück, die keine Stelle gefunden hatten. Dass sie zudem oft ihre Dörfer in den Fluten des Stausees verloren haben, lässt ihren Ruf nach Hilfe nur noch verständlicher erscheinen.
Doch viele Experten, auch und gerade in Afrika selbst, sehen diese Haltung als großes Problem. „Hilfe-zur-Selbsthilfe" heißt das Gegenmittel, wie etwa ein Projekt, in dem Vieh züchtenden Nomaden das Fischen beigebracht wird, um sie weniger abhängig von Dürreperioden zu machen. Doch das Geld, das die Menschen mit dem Fischen verdienen, investieren sie umgehend in neues Vieh, das während der nächsten Dürre wieder stirbt. Noch spektakulärer sind die gezeigten Fehlplanungen im Großen: Die gigantische Fischfabrik, die von der norwegischen Entwicklungshilfe an einem See gebaut worden ist, ist viel zu groß, um nachhaltig betrieben werden zu können, da allein die Stromkosten jeden Gewinn aufzehren würden. So werden die Hallen lediglich zur Lagerung von Trockenfisch genutzt. Das schwerwiegendste Argument gegen das Verteilen von westlichen Geldern an alle Staaten mit grundlegenden Infrastrukturproblemen fällt gegen Ende des Films: Das größte Problem der Entwicklungshilfe sei, dass es die Regierungen strukturschwacher Länder von der Notwendigkeit entbinde, Strukturprobleme selbst zu lösen, und damit auch korrupte Regime politisch stütze. Dass das fremde Geld oft in den falschen Kanälen landet und mehr dazu dient, in den westlichen Industrieländern tausende von Arbeitsplätzen zu finanzieren, ist da nur noch ein Nebeneffekt.
Fazit: Peter Hellers klug komponierter Film zeigt ein differenziertes Bild der Problematik westlicher Entwicklungshilfe in afrikanischen Ländern. Dafür überlässt er nicht nur Experten das Wort, die für die Abschaffung jeder Entwicklungshilfe plädieren, sondern lässt auch jene Menschen zu Wort kommen, die ohne Nahrungsmittelhilfe nicht überleben können. Sicher ist am Ende nur: So wie bisher sollte es nicht weitergehen.