Ein Film als eine Parabel auf den Film. Hier einige prägnante Erkenntnisse:
Der Schöpfer, der Darsteller und das Puppenspiel mit Menschen
Schon die Eingangssequenz in diesem mehr als absurd erscheinenden Film stellt klar: dieses Werk ist selbstreferenziell! John Cusack spielt den Puppenspieler Craig, einen Schöpfer, der eines Tages die Möglichkeit erhält, eine menschliche Puppe zu steuern. Diese ist nicht ohne Grund der berühmte Schauspieler John Malkovich. Somit wird gleich zu Beginn (und in einer späteren Wiederholung deutlich): Schauspieler sind nichts weiter als die Puppen von Autoren in Filmen, für sie dienen Schauspieler als leere Hüllen für ihre eigenen Vorstellungen & Figuren. Genauso wie für die Zuschauer.
Being John Malkovich… ein Film?
Das titelgebende „John-Malkovich-werden“ symbolisiert dabei das „Filme schauen“, also sich soweit mit einer Figur im Film zu identifizieren, dass man zu ihr wird. John Malkovichs außergewöhnliches Leben zu leben ist die Entsprechung zur Realitätsflucht mit der gewöhnliche Zuschauer aus Frust über die eigene Realität Filme schauen. Selbst wenn es nur 15 Minuten sind (genau wie die frühen Kurzfilme der Filmgeschichte), so ist es doch ein befreiendes und neuartiges Erlebnis für kurze Zeit jemand anders zu sein.
Die Dualität des Films
Dieses befreiende (Film)Erlebnis kann für Zuschauer hilfreich sein. Im Fall von Lotte, die sich plötzlich im Körper des anderen Geschlechts wohlfühlt und von anderen Frauen begehrt werden will, zeigt sich, wie die Darstellung von Sexualität in Filmen positiv zur sexuellen Orientierung beitragen kann. Allerdings kann das Filmerlebnis auch das schlimmste mentale Gefängnis werden, indem man sich stetig einer filmischen Realität ausgesetzt, die aber unerreichbar ist. Dies kann zu (sexuellen) Obsessionen, wie Craig sie gegenüber Maxine entwickelt, zur Folge haben und unrealistische (sexuelle) Erwartungen schüren, die Beziehungen zerstören können. Auch Voyeurismus ist ein riesiges Thema in diesem Film, man bedenke nur das Unwohlsein während der Sexszenen aus dem POV oder die verzweifelten letzten Worte Craigs: Look away
Von Studios, Charlie Kaufman und John Malkovich
Die alten Menschen rund um Dr. Lester mit ihren veralteten (sexuellen) Vorstellungen und ihrer Gelassenheit bilden einen Gegenpol zum jungen, ambitionierten Craig. Sie symbolisieren die alteingesessenen, traditionellen Hollywoodstudios, die mit dem Autor um das ewige Leben in Malkovich oder um das ewige Leben in Form von Einflüssen in einer filmischen Figur kämpfen. Denn Aspekte des Schöpfers finden sich immer in seinen Werken wider. Nicht umsonst spiegelt sich Charlie Kaufman in Craig wider, einem talentierten, aber unbeholfenen, unbekannten und deswegen erfolglosen Künstlers. Und auch Craigs Einfluss auf Malkovich wird im Laufe des Films immer deutlicher, sowie später der Einfluss von Dr. Lester auf Malkovich. Malkovich selbst versucht zwar in der Puppe Malkovich etwas von der Person Malkovich zu erhalten (er wehrt sich gegen Craig), bleibt aber erfolglos im Angesicht der Macht des Autors auf seine Figur.
In all seiner Befremdlichkeit vergisst der Film dabei nicht darzustellen, wie unmoralisch und absurd diese Idee überhaupt in ihren Grundzügen ist: Einen echten Menschen, ein komplexes Wesen zu kontrollieren und als Medium für die Vorstellungen des Autors, der Studios und der Zuschauer zu verwenden. Kaufman offenbart uns diese ungesehene philosophische Grauzone, die enger mit der darstellenden Kunst verbunden ist, als man dachte.
Das ist der Kern von Being John Malkovich, einem Film, der das Filmerlebnis zelebriert und kritisiert. Einem Film über Sehnsüchte und Identität. Ein Meisterwerk über die Kuriosität des Films, den Einfluss des Autors, die Natur des Zuschauers und den Wert von Schauspielern. Über John Malkovich.