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    Can A Song Save Your Life?
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Can A Song Save Your Life?
    Von Sascha Westphal

    Schon einmal erzählte Filmemacher und Drehbuchautor John Carney von der versöhnenden, die Welt verzaubernden Kraft der Musik. 2006 in „Once“, diesem bittersüßen Überraschungserfolg, waren es ein Dubliner Straßenmusiker und eine junge osteuropäische Immigrantin, die auf den Schwingen des Gesangs der tristen Wirklichkeit entfliehen konnten. Ganz nebenbei hat Carney seinerzeit auch noch das Musical-Genre aus dem Geist des Folk neuerfunden. An die Stelle aufwendiger Choreographien traten intime Songnummern. Authentizität statt Glamour, Melancholie statt Ekstase, hieß das Programm. Und dem hat Carney sich bei seinem neuesten Projekt, der Musikromanze „Can a Song Save Your Life?“, erneut verschrieben. Nur geht es ihm diesmal um weit mehr als nur um die wechselhafte, von Sehnsucht und Verzicht geprägte Geschichte einer aufstrebenden Musikerin und eines heruntergekommenen Musikproduzenten. Schließlich versteckt sich hinter der titelgebenden Frage noch eine zweite: Kann ein Lied oder vielleicht auch eine Idee die Popkultur retten?

    Es waren schwarze Tage und Wochen für die aus England kommende Songschreiberin und Sängerin Gretta (Keira Knightley). Von den Hoffnungen und Träumen, die sie bei ihrer Ankunft in New York, erfüllten, ist nichts mehr übrig. Während ihr langjähriger Freund Dave (Adam Levine) quer durch die Vereinigten Staaten tourt und sein neues Leben als Rockstar genießt, irrt sie allein und verlassen durch Manhattan. Aber nun soll damit Schluss sein. Es ist ihr letzter Abend in New York. Und vielleicht lässt sie sich gerade deswegen von einem guten Bekannten dazu überreden, in einem kleinen Club einen ihrer Songs zu singen. Auch der Musikproduzent und Label-Gründer Dan (Mark Ruffalo) steckt schon seit langem in einer tiefen Krise. Nun hat er ausgerechnet an diesem Tag auch noch seinen Job verloren und treibt ziellos, von einem Drink zum anderen durch die nächtlichen Straßen New Yorks. Dabei landet er schließlich genau in dem Club, in dem Gretta eher widerwillig auftritt.

    Wie in „Once“ spielt John Carney auch in „Can a Song Save Your Life?“ mit einem durch und durch romantischen Klischee. Gretta und Dan sind füreinander bestimmt, nicht unbedingt als Liebende, obwohl Carney auch diese Möglichkeit zumindest andeutet. Aber auch so können nur sie einander gegenseitig erlösen. Der Song, den Gretta auf eine seltsame passiv-aggressive Art in dem kleinen Club singt, rettet so gesehen dann sogar zwei Leben. Noch in dieser ersten Nacht kommt Dan eine grandiose Idee. Er will zusammen mit Gretta ein Album an öffentlichen Plätzen, unter Brücken und auf Hochhausdächern, in Seitenstraßen und auf dem See im Central Park, aufnehmen. Eine verrückte und gerade deswegen so reizvolle Vorstellung. Das Leben auf den Straßen und Häusern geht während der Aufnahmen einfach weiter. Es wird zum ständig präsenten Hintergrund der Songs, die gar nicht erst versuchen, mit den Geräuschen der Stadt zu konkurrieren.

    Wie Gretta und Dan träumt auch John Carney davon, Kunst und Leben, Wirklichkeit und Märchen, wenigstens für einige Momente miteinander auszusöhnen. In den über ganz Manhattan verstreuten Sessions, die beinahe wie klassische Musical-Sequenzen funktionieren und als New Yorker Momentaufnahmen durchaus auch für sich alleine stehen könnten, gelingt es Carney sogar. Diese Szenen haben eine beinahe magische Wirkung. In ihnen wirken die Orte wie auch die Musik verzaubert. Einmal gibt Dan ein paar Kindern, die in einer Seitestraße spielen, Geld. Damit sie die Aufnahme nicht stören, integriert er sie in den Song. Das ist natürlich purer Kitsch. Aber Carney gelingt es, selbst solchen Momenten eine entwaffnende Poesie zu verleihen.

    Hollywood-Romantik und Indie-Sehnsüchte, das wirkliche Leben und märchenhafte Verwicklungen, ein Star aus Blockbustern und aus Arthouse-Filmen und ein Charakterdarsteller, der sich jeder Form von Glamour entzieht, eigentlich sollte das alles gar nicht zusammenpassen. Dennoch geht die Mischung am Ende irgendwie auf, und das verdankt Carney letztlich nur seinen beiden Hauptdarstellern.

    Keira Knightley („Fluch der Karibik“) und Mark Ruffalo („The Avengers“) gelingt das nahezu Unmögliche. Obwohl ihre Figuren mit all ihren generischen Problemen und den Seifenopern-Verwicklungen, in denen sie sich verstricken, reine Konstrukte sind, wirken Gretta und Dan absolut natürlich. Ruffalo muss dafür nur seinen Charme, mit dem er letztlich jeden Verlierer und auch jeden Grantler in einen bezaubernden Außenseiter verwandeln kann, ausspielen. Aber Keira Knightley überrascht tatsächlich in der Rolle der betrogenen Frau, die eigentlich immer im Schatten ihres Geliebten stand. Verletzlichkeit und Stärke halten sich in ihrem Spiel auf wundersame Weise die Waage.

    Fazit: Im Prinzip übertreibt es John Carney natürlich. Auf der einen Seite spielt er genau nach den Regeln des romantischen Kinos, das sein Publikum in eine Art Märchenwelt entführen will. Auf der anderen Seite rebelliert er gegen das Marktdenken und die absolute Austauschbarkeit in der Welt der Pop- und Filmindustrie. Dieser Gegensatz müsste „Can a Song Save Your Life?“ eigentlich zerreißen. Aber am Ende ist gerade dieser dreiste Versuch, alles zu haben und auch zu behalten, der den Film liebenswert macht. Es ist wie mit einem Popsong, der einem einfach nicht mehr aus dem Ohr geht.

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