Ein ganzes Königreich stürzte am 31. August 1997 in ein Trauma, als das Leben von Diana Frances Spencer, der Princess Of Wales und Frau des britischen Thronfolger Charles, an einem Tunnelpfeiler in Paris tragisch zerschellte. Bis in die Gegenwart ranken sich Verschwörungstheorien um den (Auto-)Unfall-Tod, der die gerade einmal 36 Jahre alte Lady Di in der Blüte ihrer Popularität ereilte. „Der Untergang“-Regisseur Oliver Hirschbiegel schildert in seinem Biografie-Drama „Diana“ nun die letzten zwei Jahre im Leben der „Königin der Herzen“, um über die Liebesbeziehung zu dem britisch-pakistanischen Herzchirurgen Dr. Hasnat Khan ihre gereifte Persönlichkeit zu entschlüsseln. Trotz der Beteiligung hochtalentierter Künstler auf allen Ebenen der Produktion erreicht er sein Ziel jedoch nicht. Durch die zuweilen seifenopernartige Inszenierung, die allzu oft seichten Dialoge und die schlichte Auslassung von wichtigen Aspekten fehlt seinem misslungenen Celebrity-Drama die Substanz. Der Aufschrei des Entsetzens, der nach der Premiere durch Großbritannien hallte (die Kritik war gnadenlos wie selten), hing aber auch stark damit zusammen, dass Hirschbiegel den Mythos Diana geradezu entzaubert. Sein Film ist weniger eine klassische Biografie als eine So-könnte-es-theoretisch-gewesen-sein-Romanze, in der Diana bei ihrer Suche nach dem wahren Leben oft genug als bestenfalls bauernschlaues Dummchen erscheint – und das sorgt bei ihren loyalen Bewunderern auf der Insel für besondere Verstimmung.
London, 1995: Prinzessin Diana (Naomi Watts) lebt seit mittlerweile drei Jahren von Prinz Charles getrennt im Kensington Palace und versucht, ihren eigenen Lebensweg zu finden. Von der Öffentlichkeit auf Schritt und Tritt beobachtet und von den Paparazzi gejagt, flüchtet sich Diana in Wohltätigkeitsarbeit, die ihr ernsthaft am Herzen liegt. So setzt sie sich gegen viele Widerstände für den globalen Kampf gegen die Produktion von Landminen ein, die in Krisenregionen Tausende von Menschen töten oder verstümmeln. Als sie in einem Londoner Krankenhaus den Herzchirurgen Dr. Hasnat Khan (Naveen Andrews) kennenlernt, verliebt sich die Prinzessin auf der Stelle in den smarten Doktor, der ihre Gefühle erwidert. Sie beginnen eine heimliche Liebesaffäre im Schatten der Öffentlichkeit. Doch lange lässt sich ihre Beziehung vor dem Boulevard nicht geheim halten – sehr zum Ärger von Khan, der das Rampenlicht verabscheut und sich in Ruhe auf seine Arbeit konzentrieren will. Diana sucht zunehmend verzweifelt nach einem Weg, die scheinbar unmögliche Partnerschaft doch möglich zu machen.
Ein Blick auf die Mitwirkenden vor und hinter der Kamera lässt bei „Diana“ eine prestigeträchtige Produktion über ein britisches Nationalheiligtum im Stile von renommierten Filmen wie „Die Queen“ oder „Die Eiserne Lady“ erwarten: Mit Oliver Hirschbiegel steht dem Projekt ein exzellenter Regisseur vor, Drehbuchautor Steven Jeffreys („The Libertine“) wird für seine Bühnenarbeiten gefeiert, Kameramann Rainer Klausmann (Hirschbiegels Stammkraft) ist ein Könner seines Fachs und über die Extraklasse der zweifach oscarnominierten Naomi Watts (für „21 Gramm“ und „The Impossible“) besteht ohnehin kein Zweifel. Und dennoch ist „Diana“ ein verunglückter Film. Hirschbiegel räumte ein, dass er zu Beginn keine sonderliche Begeisterung für die Titelfigur aufbrachte („Prinzessin Diana interessierte mich nicht“), ihn jedoch die Liebesgeschichte des Drehbuchs faszinierte, das Jeffreys sehr frei nach der Biografie „Diana: Her Last Love“ von Kate Snell verfasste. Dr. Hasnat Khan gab gegenüber der britischen Justiz zu, zwischen dem Spätsommer 1995 und Juni 1997 ein Verhältnis mit Lady Diana unterhalten zu haben, aber mehr war und ist aus seinem Munde zu diesem Thema nicht bekannt. Der Rest sind Erzählungen und Mutmaßungen aus Dianas Umfeld – eine Melange, aus der Jeffreys ein Drehbuch gezimmert hat, das sich als großer Schwachpunkt des Films herausstellt.
Natürlich kann man sich in einem biografischen Film durchaus mit künstlerischem Gewinn auf einzelne Episoden oder Lebensphasen konzentrieren – so wie hier auf die beiden letzten Jahre Dianas und die Khan-Affäre. Auslassungen sind unvermeidbar und Freiheiten erlaubt, doch was Hirschbiegel und Jeffreys machen, ist zumindest irritierend: Prinz Charles, immerhin Dianas damals amtierender Ehemann und Vater ihrer beiden Kinder, kommt nur einmal als Stimme im Fernsehen vor und sonst höchstens als flüchtige Referenz im Dialog. Ähnliches gilt für die geliebten Söhne William und Harry („die Jungs“), die einmal kurz von weitem einem Flugzeug entsteigend durchs Bild laufen – von der Diana-feindlichen Queen Elizabeth II. ganz zu schweigen. Hirschbiegel und Jeffreys sind offensichtlich nicht an einem umfassenden oder auch nur präzisen Porträt der historischen Persönlichkeit Diana interessiert und unterlaufen die Erwartungen an ein Biopic über diese ganz gezielt. Damit zeigen sie Risikobereitschaft, allerdings wirkt ihr alternativer Ansatz unausgereift. Sie legen „Diana“ als märchenhaft-eskapistische Romanze an, als eine recht lose in Fakten verankerte Fantasie über das Leben einer Prinzessin im Medienzeitalter, kommen dabei erzählerisch jedoch kaum über Gemeinplätze hinaus. Mit Schauplätzen rund um den Globus und mit schicken Aufnahmen von Yachten, Palästen und Luxushotels bieten sie eine attraktive Oberfläche, die emotionale Tiefe fehlt dem Geschehen indes.
Die Romanze zwischen der unglücklichen Prinzessin und dem edlen Arzt und Lebensretter inszeniert Hirschbiegel als weichgespülte Seifenoper im Kinoformat – Dianas zahlreiche weitere Affären finden kaum Erwähnung, dafür scheint die Begegnung mit dem rücksichtslos-idealistischen Khan die Adlige auf Abwegen erst so richtig zur engagierten Kämpferin für die gute humanistische Sache zu verwandeln. Die großen Gefühle wirken aufgesetzt, die Dialoge sind holprig, die Konflikte plump eingefädelt und die Figuren bleiben überaus oberflächlich. „Ich wusste nicht, dass man Hamburger selbstmachen kann“, gibt sich Diana in einer Szene erstaunt, als ihr Liebhaber ihr nach einem missratenen Kochversuch rät, stattdessen einfach Fast Food zuzubereiten. Dass Diana möglicherweise eine eher schlichte Frau war, die unter dem Ruhm und der Öffentlichkeit schwer zu leiden hatte, mag der Realität entsprechen, doch in „Diana“ erscheint sie zuweilen als geradezu dumm. Wie ein kleines, naives Mädchen himmelt sie den stolzen Khan an, der wiederum das Klischee des echten Kerls erfüllt, der auf Bier, Zigaretten, Fußball und Hamburger steht – und der genau weiß, was er will.
Prinzessin Diana ist vor allem im Vereinten Königreich eine Ikone – in diesem Film lässt sich allerdings kaum erahnen, warum sie so verehrt wird, viel von ihrem Charme verpufft einfach. Daran kann auch Naomi Watts, die für die ursprünglich vorgesehene Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“) einsprang, kaum etwas ändern, obwohl sie sich nach Kräften müht und ihrer Figur zumindest einen Hauch von Komplexität und Geheimnis bewahrt. Der britisch-australische Hollywood-Star hat sich zwar die scheuen Gesten und den wenig royalen Akzent Dianas angeeignet und die Maskenbildner trimmen ihn auch äußerlich recht überzeugend auf Lady Di, doch die stärksten Momente hat Watts (und mit ihr der Film), wenn sie vom Korsett konkreter Vorstellungen und Erinnerungen befreit das Porträt einer Getriebenen zeichnen kann: Der Druck eines gläsernen Lebens und die ständige (Selbst-)Verpflichtung auf allerlei absurde Regeln und Erwartungen machen aus der Film-Diana eine widersprüchliche Figur, die unter der Kasernierung in ihrem Goldenen Käfig leidet, zugleich aber mit ihren Privilegien und ihrer Berühmtheit kokettiert. Sie sei eine Prinzessin und bekomme immer, was sie wolle, sagt sie an einer Stelle zu Khan, auch im Medienkrieg spielt sie eine aktive Rolle und geht sogar so weit, Paparazzi-Fotos selbst zu inszenieren und zu verbreiten. Diese Ambivalenz ist spannend, aber über vielversprechende Ansätze kommt Hirschbiegel nie hinaus.
In „Diana“ stecken Fragmente einer Studie über Berühmtheit und Öffentlichkeit, Einsamkeit und den Widerspruch zwischen Schein und Sein, dieser potentiell spannende Film ist jedoch weitgehend unter einer banalen und unglaubwürdig zusammenfabulierten Liebesgeschichte verschüttet, in der „Lost“-Star Naveen Andrews („Der englische Patient“) mit noch weniger Substanz arbeiten muss als seine Partnerin. Er hat keine Chance, seiner eindimensionalen Figur irgendeine interessante Färbung zu geben und muss sich mit holprigen Dialogen wie „Nicht du leitest die Operation, die Operation leitet dich“ herumschlagen. Das rückt „Diana“ gefährlich nah an das zweifelhafte Fahrwasser einer höchstens durchschnittlichen Rosamunde-Pilcher-Verfilmung und wenn Diana zu heiter-absurder Musik Khans vermüllte Bude quietschvergnügt auf Vordermann bürstet, stürzt der Film zwischendurch gar in die Gefilde unfreiwilliger Komik ab. Die Groschenheft-Verbindung zwischen Diana und Khan wird zur „Liebe ihres Lebens“ stilisiert, die Beziehung der Prinzessin zu dem Jet-Set-Millionär Dodi Al-Fayed (Cas Anvar), der mit Diana bei dem tragischen Autounfall im Pariser Tunnel umkam, ist dagegen laut Drehbuch nur eine vorgetäuschte Affäre, mit der Khan eifersüchtig gemacht werden sollte. Der arme Al-Fayed darf nicht einmal einen zusammenhängenden Satz sagen, er ist nur eine fast lächerlich wirkende Marionette in den Händen Dianas – und Hirschbiegel schießt einmal mehr deutlich über sein Ziel hinaus.
Fazit: Oliver Hirschbiegel wählte für sein Biopic „Diana“ einen extravagant-riskanten Ansatz und geht damit unter. Sein sentimental-romantisches Drama „Diana“ bietet hochspannenden Grundstoff, aber letztlich scheitert das kuriose Unternehmen trotz all des versammelten Talents spektakulär.