Eine Gruppe Verdächtiger, darunter mindestens ein Mörder, die abgeschlossen von der Außenwelt an einem abgelegenen Ort festsitzt – das ist nicht erst seit Agatha Christies Welterfolgen „Die Mausefalle“, „Mord im Orient-Express“ oder „Zehn kleine Negerlein“ eines der Lieblingsmotive der Spannungsliteratur. Einfach das Weite suchen und sich in Sicherheit bringen ist da plötzlich keine Option mehr. Stattdessen heißt es, sich dem Mörder zu stellen und der Sache so aggressiv wie möglich auf den Grund zu gehen. Gesteigert wird die Ausweglosigkeit der Situation dann noch, wenn es sich beim Ort der Handlung nicht um eine eingeschneite Hütte oder eine Insel ohne Boot handelt, sondern um ein Flugzeug hoch über den Wolken. Nach Wes Craven in „Red Eye“ und Robert Schwentke in „Flightplan“ macht sich nun auch der spanische Hollywood-Import Jaume Collet-Serra („Orphan – Das Waisenkind“) die klaustrophobische Atmosphäre einer Passagiermaschine und die Flugangst des Publikums zunutze, wenn er in „Non-Stop“ den spätberufenen Action-Star Liam Neeson („The Grey – Unter Wölfen“) mitten über dem Atlantik in ein wendungsreiches Katz-und-Maus-Spiel mit einem gesichtslosen Killer verwickelt. Das Ergebnis sind 90 spannende Minuten, in denen sich die Macher allerdings oft mehr für den nächsten Handlungstwist als für ihre Figuren interessieren.
Als Air Marshal fliegt Bill Marks (Liam Neeson), unerkannt von anderen Passagieren, auf Linienflügen mit, um so im terroristischen Notfall sofort eingreifen zu können. Allerdings ist der seit dem Krebstod seiner Tochter desillusionierte Sicherheitsmann alles andere als ein vorbildlicher Beamte: Er trinkt im Dienst und bringt stets eine Rolle Panzertape mit an Bord, um so den Rauchdetektor auf der Toilette abkleben und ungestört seine Zigaretten paffen zu können. Doch dafür bleibt ihm auf diesem Flug von New York nach London kaum Zeit, denn Marks erhält über ein eigentlich streng abgesichertes Funknetz plötzlich merkwürdige Textnachrichten, in denen der Autor androht, fortan alle 20 Minuten jemanden an Bord der Maschine zu töten, bis ihm 150 Millionen Dollar auf ein angegebenes Konto überwiesen werden. Mit Hilfe seiner Sitznachbarin Jen (Julianne Moore) und der Flugbegleiterin Nancy (Michelle Dockery) beginnt Marks sofort mit den Ermittlungen. Dummerweise deuten die ersten Indizien jedoch allesamt auf denselben unwahrscheinlichen Täter: den Air Marshal selbst…
Regisseur Collet-Serra verschwendet keine Zeit! Bevor der Air Marshal am Flughafen eintrifft, gibt es nur eine einzige kurze Szene, um den Protagonisten zu charakterisieren – und damit ist dann auch alles Wichtige auf den Punkt gebracht: In Zeitlupe rührt Liam Neeson im störrischen „96 Hours“-Modus vor dem Badezimmerspiegel seinen Whiskey um – und zwar mit seiner Zahnbürste. Eine ähnlich „ausgefeilte“ Figurenzeichnung bekommt ansonsten nur Julianne Moore („Carrie“) als Bills Sitznachbarin zugestanden, die nach einer eine riesige Narbe zurücklassenden Operation jeden Moment damit rechnen muss, dass ihr Herz erneut aussetzt. Ansonsten gibt es noch die üblichen Verdächtigen (darunter ein zweiter Air Marshal mit wilder Frisur, ein New Yorker Glatzkopf-Cop und ein arabischer Arzt mit verdächtiger Tasche), deren einzige Funktion es ist, für immer neue (falsche) Fährten zu sorgen. Diese leicht übertriebene Konzentration auf das absolute erzählerische Minimum zieht Collet-Serra konsequent durch: „Non-Stop“ ist ein radikal reduziertes Wer-ist-der-Mörder-Ratespiel, bei dem die Passagiere nicht mehr sind als Schachfiguren, die der Regisseur und sein Autoren-Trio Ryan Engle, Christopher Roach und John W. Richardson ständig hin und herschieben (oder sogar opfern), um den Zuschauer möglichst lange an der Nase herumzuführen.
Abgesehen von wenigen kurzen, aber kraftvollen körperlichen Auseinandersetzungen, die Liam Neeson mit einer störrischen Effizienz absolviert, wie sie ansonsten nur Jason Statham an den Tag legt, dreht sich alles um die Entlarvung des Killers. Aber je mehr verblüffende Wendungen in einem Film dieser Art präsentiert werden, desto größer ist dann auch die Gefahr, dass die Auflösung das mit all den Twists immer weiter angefixte Publikum nicht nur enttäuscht, sondern sogar verärgert. In dieser Hinsicht können wir jedoch Entwarnung geben. Zwar leisten sich die Autoren eine Reihe von Ungenauigkeiten (im Bord-TV gibt es in der Realität keine Live-Nachrichten etc.), aber der Ablauf der Tat ist zumindest soweit in sich schlüssig, dass man ihn ohne große Zahnschmerzen und guten Gewissens durchwinken kann. Von der Motivation des Täters lässt sich dasselbe allerdings nicht behaupten: Der obligatorische erklärende Monolog des Bösewichts entpuppt sich diesmal als ein einsamer großer „Autsch!“-Moment in einem ansonsten grundsolide konstruierten Spannungsfilm.
Fazit: Jaume Collet-Serra ordnet in seinem reduzierten Über-den-Wolken-Thriller alles dem Ziel unter, möglichst viel Spannung zu erzeugen. Diese Mission gelingt durchaus, aber dabei bleiben die Figuren auf der Strecke.