Der Einfluss, den Quentin Tarantino auf die Filmlandschaft hatte, lässt sich weniger an Preisen oder Einspielergebnissen messen, als an der nur schwer überschaubaren Anzahl an Epigonen, die sein Schaffen hervorgebracht hat. Kaum einer der geschwätzigen Gangsterfilme mit skurril-blutigen Gewaltexzessen der vergangen zwei Jahrzehnte wäre ohne „Pulp Fiction" denkbar. Wann immer der gesprächige Maestro mit neuen Werken auftrumpfte, waren die Nachahmer nicht weit. Auf „Kill Bill" folgte eine Martial-Arts-Welle, auf die „Grindhouse"-Filme eine ganze Reihe Retro-Trash und „Inglourious Basterds" machte die Nazis als Pop-Schurken wieder salonfähig. Man darf sich also bereits auf eine Welle an brutalen Western „freuen", die nach „Django Unchained" auftauchen werden. Eines jener Werke, die offensichtlich im Tarantino-Kielwasser segeln, ist Kern Saxtons Dialogstück „Sushi Girl". Der Langfilmdebütant versammelt ein betont „kultiges" Ensemble und beweist ein Gespür für schöne Bilder. Allerdings fehlt es „Sushi Girl" deutlich an Eigenständigkeit und Seele.
Nicht immer ist die Freiheit ein großer Segen. Dies muss auch Fish (Noah Hathaway) feststellen. Vor Jahren hat er zusammen mit der Bande des skrupellosen Duke (Tony Todd) einen dicken Diamantenraub über die Bühne gebracht. Leider ging die Beute flöten und Fish wanderte hinter Gitter. Seine ebenfalls leer ausgegangenen Komplizen wie der psychotische Widerling Crow (Mark Hamill), der gewaltbereite Biker Max (Andy Mackenzie) und der süchtige Mitläufer Francis (James Duval) glauben allerdings, dass Fish das Diebesgut verstecken konnte, bevor er in den Bau wanderte. So holen sie den vermeintlichen Verräter noch an der Knast-Tür ab und fühlen ihm bei leckerem Essen im Restaurant eines japanischen Sushi-Chefkochs (Sonny Chiba) auf den Zahn. Doch die Gangster sind nicht allein: Als Sushi-Platte fungiert eine junge Frau (Cortney Palm), die nach alter Yakuza-Sitte den Fisch auf ihrem nackten Körper trägt und Zeuge wird, wie die Befragung von Fish immer mehr zum brutalen Exzess ausartet.
Regisseur Kern Saxton versucht gar nicht erst sein Vorbild zu verleugnen. Wenn in den Credits ein schmissiger Oldie erklingt und der größtenteils aus Retro-Stars vergangener Zeiten bestehende Cast von schwarz-gelben Lettern (die überdeutlich an „Kill Bill" erinnern) vorgestellt wird, weiß man gleich, woher der Wind weht. Ja, hier will sich jemand auf Teufel komm raus mit Tarantino messen. 90 Minuten lang liefern sich dann auch urige Unterwelt-Gestalten in schattigen Locations Wortgefechte, lassen die Waffen sprechen und dazu erklingt stets ein „origineller" Soundtrack. Das ist zwar weder wirklich neu noch richtig cool, aber Kern Saxton beherrscht sein Handwerk. Obwohl ihm nur ein kleines Budget zur Verfügung stand, sieht „Sushi Girl" ausgesprochen gut aus. Besonders Kameramann Aaron Meister („Virgin Alexander") sollte man im Auge behalten. Dieser taucht die statischen Szenenbilder in ein stimmungsvolles Zwielicht und gibt dem Film so eine originellere Tonalität.
Die Darsteller sind mit Herz und Verstand bei der Sache, scheitern aber zu oft an ihren flach geschriebenen Rollen. Die Idee, den einstigen „Star Wars"-Schönling Mark Hamill als untersetzten kleinen Fiesling zu besetzen und ihn mittels einer verschwitzten blonden Perücke wie den schmierigen Halbbruder von Philip Seymour Hoffman wirken zu lassen, mag anfangs wahnsinnig cool gewirkt haben. Leider gingen die Ideen nach dem großen „Casting-Coup" jedoch wieder aus und so stolziert Hamill zwar skurril durch die Szenen, bekommt jedoch kaum Szenen, um seiner Figur Tiefe zu geben. Mit offensichtlich an „Reservoir Dogs" erinnernden Rückblenden versucht Saxton seinen Figuren zwar mehr Substanz zu verleihen, was aber nur phasenweise klappt.
„Answers, not attitude is the name of the game tonight" sagt der Duke an einer Stelle zum geschundenen Fish und man wünscht sich bisweilen, dass sich Regisseur Saxton diesen Spruch selbst stärker zu Herzen genommen hätte. Allzu viele Antworten bleibt er bis zum Ende schuldig. Warum machen es sich die Protagonisten so unnötig schwer, ein verhältnismäßig einfaches Dilemma aufzuklären? Warum muss um Himmels willen ein asiatisch-exotisches Setting den Hintergrund abliefern? Warum macht sich Saxton die Mühe, eine einfache und gar nicht so interessante Räuberpistole zum dialoglastigen Theaterstück zu machen, während gerade Dialoge doch so gar nicht seine Stärke sind? Die Antwort ist einfach: Ihm geht es um die „Attitude". Doch bei aller Liebe zu Vorbild Tarantino und zum Kino überschreitet Saxton dabei immer wieder die Grenze von der ehrfürchtigen Hommage zum einfallslosen Plagiat.
Fazit: Mit „Sushi Girl" liefert Kern Saxton einen handwerklich überzeugenden Tarantino-Klon, der vor allem dank der fähigen Darsteller punkten kann. Zum großen Wurf fehlt seinem bisweilen geschwätzigem Stück aber mehr Eigenständigkeit.