The Squad
Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
The Squad
Von Robert Cherkowski

Die Geschlechterrollen im Horrorfilm sind klar verteilt: Meist sind es Frauen, die gejagt und gehetzt werden und sich (wenn überhaupt) erst auf den letzten Metern gegen ihre fast immer männlichen Schinder zur Wehr setzen. Jaime Osorio Marquez wählt bei seinem Horror-Kleinod „The Squad" den entgegengesetzten Weg: Ähnlich wie in Neil Marshalls „Dog Soldiers" sieht sich ein eigentlich gewalterprobtes militärisches Männerbündnis tödlicher Gefahr ausgesetzt. Anstatt jedoch Werwölfe, Zombies oder Kannibalen als Kanonenfutter vor ihre Flinte zu scheuchen, bedient sich Marquez einer unsichtbaren Bedrohung, der die Recken mit keiner antrainierten Disziplin, keiner rationalen Herangehensweise und schon gar nicht mit roher Gewalt beikommen können. Mit „The Squad" untergräbt Regisseur Jaime Osorio Marquez ein ums andere Mal die üblichen Regeln und Sehgewohnheiten des Horrorkinos, wobei eine hypnotische Atmosphäre schleichender Bedrohung und unwirklicher Schönheit entsteht.

Nachdem die Funkverbindung mit einem abgelegenen Armee-Stützpunkt im hügeligen kolumbianischen Hinterland seit Wochen unterbrochen ist, wird eine bewaffnete Einheit in die Einöde geschickt. Ihr Auftrag: Die Lage sondieren und festzustellen, ob die Funkstille technische Gründe hat oder die Soldaten tot sind. Da die Armee Untergrundkämpfer und Guerilleros für die Verantwortlichen hält, wird ein Hinterhalt befürchtet, der die angespannte Stimmung der Truppe noch mehr belastet. Nicht zu unrecht, wie die Entdeckung eines verlassenen Stützpunkt zeigt. Bald findet man Blutspuren und schließlich auch die Überreste der getöteten Kameraden. Richtig unheimlich wird es jedoch, als sie eine Frau (Daniela Catz) entdecken, die in die Wände des Stützpunktes eingemauert ist und sich zudem herausstellt, dass einer der toten Soldaten in seinem Tagebuch von okkulter Magie und Hexen berichtete.

Mit langem Vorgeplänkel hält sich Jaime Osorio Marquez nicht auf. Schnörkellos geht es sofort in die Reihen des Erkundungszuges, wo verhärmte, konzentriert und verbissen dreinblickende Soldaten mit Sympathie, Interesse oder Skepsis betrachtet werden können. Erste Dialoge dienen ihm dann auch nicht einer Charakterisierung von Einzelpersonen sondern bestehen eher aus gepressten oder gebrüllten Befehlen, die die Hackordnung und Gruppendynamik der Einheit andeutet. Nur langsam schälen sich Namen, Gesichter und Beziehungen unter den Männern heraus und selbst der junge Rekrut Ramos (Juan David Restrepo), der noch am ehesten zum klassischen Protagonisten taugt, bleibt letztlich nur ein Gesicht unter vielen.

Sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch hält Marquez vieles in der Schwebe und fordert dadurch die ganze Aufmerksamkeit und Konzentration des Zuschauers. Keiner der üblichen Horror-Klänge untermalt die Bilder, sondern eine bedrohlich minimalistisch gehaltene Soundcollage, die von einer unheimlichen Gefahr kündet. Und auch nachdem der Trupp sich durch die nebelverhangene Landschaft angepirscht hat, verdichtet sich das Geschehen nicht zum Horror- oder Actiongewitter, sondern wird mehr und mehr zum Geisterfilm. Bald schon ist nicht mehr klar, ob die Gefahren in den Katakomben, den Wänden, draußen im Nebel, oder in den Soldaten selbst lauern.

Einfach und offensichtlich ist „The Squad" nicht, macht man den Fehler ein unterhaltsames Stück Horror der schnellen und harten Sorte zu erwarten, wird man schnell frustriert sein. Weder mit blutigen Schockmomenten noch plakativen Actionszenen hält sich Marquez auf und verwendet stattdessen viel Zeit darauf, die bedrückende Stimmung der Ungewissheit, verbunden mit einem Gefühl völliger Desorientierung herauf zu beschwören. Wenn die entschlossenen, doch gänzlich überforderten Soldaten ins undurchsichtige Weiß der Nebelwände starren und die Nerven Stück für Stück blank gelegt werden, kommen Erinnerungen an das kriegsaffine Frühwerk Andrzej Zulawskis („Der dritte Teil der Nacht", „Der Teufel"), Peter Weirs „Picknick am Valentinstag" oder Nicolas Winding Refns „Walhalla Rising" auf. Nicht die schlechtesten Vorbilder, auch wenn Marquez deren Klasse nicht ganz erreicht. Noch nicht, sollte man wohl eher sagen, den „The Squad" lässt einiges an Potential erkennen, so dass man gespannt darauf sein darf, was der kolumbianische Regiedebütant als nächstes abliefert.

Fazit: Mit „The Squad" ist Jaime Osorio Marquez ein faszinierendes, sperriges Horror-Kleinod gelungen, mit dem er sich selbstbewusst zwischen die Stühle grimmiger Genre-Unterhaltung und exzentrischem Arthouse-Kino setzt.

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