Bryan Singer ist also zurück in seinem Genre. Nicht dass er die Jahre ohne die X-Men eierkraulend auf der faulen Haut saß, aber an seine Ausflüge zu „Superman Returns“ oder „Jack and the Giant Slayer“ erinnert man sich nicht so gerne wie an seine „X-Men 1&2“. Und da Rattner & Co. in der Zwischenzeit auch einiges böses Blut vergossen hatten, war eine Rückbesinnung Singers die qualitativ einzig richtige Entscheidung. Also alles wieder gut? Mitnichten.
Keine Ahnung, in welchem genauen Zeitraum Singer seinen Bezug verloren hat, aber das immerhin schon siebte Abenteuer wirkt inhaltlich seltsam redundant, man könnte fast behaupten, dass es trotz seines Zeitreiseplots merkwürdig unharmonisch auf der Stelle trete. Und wer hier noch schelmischer herangeht, könnte meinen, dieser Film war lediglich eine Aufbauhilfe zur Reinkarnation, denn nun sind alle X-Men wieder da.
Aber das spricht nun wirklich nicht für Singer's Film, auch wenn sein Plan am Anfang doch sichtlich interessant zu sein schien. Die Zukunftswelt a la „Terminator“, an der sich Singer noch recht geschickt entlanghangelt und mit den bleichen Schädeln eher eine Reminiszenz entwirft als zu verärgern, kann man akzeptieren und dass man nach Jahren der Abstinenz die alten X-Men inklusive Patrick Stewart und Ian McKellen zu Gesicht bekommt, ist ein wirklich wirkungsvolles Gimmick. Letztlich basiert „Zukunft ist Vergangenheit“ eben auf einem beliebten Comic, aber James Mangold hatte schon mit seinem „Weg des Kriegers“ aufgezeigt, dass das alles andere als ein Freispiel sein kann, mit Fan – favorisierenden Comics zu arbeiten. Denn schon ab diesen Szenen entgeht es Singer, seinen Plot zu erden, vordergründige Informationen werden komplett verschwiegen, geschweige denn Infos aus den Vorgängern. Es gilt der allgemeine Grundsatz, wer einen Film verpasst hat, kommt da nicht mehr so schnell mit. Somit wirkt diese künftige Welt seltsam diffus und diesbezüglich tut sich auch bis zum Ende nicht viel.
Mit dem Zeitreiseplot zentriert Singer mal wieder seinen Wolverine, anstatt hier enger am Comic zu bleiben. Sicherlich ein Zugeständnis an Studios und breite Vermarktungsstrategie, aber auch ein Stück Tradition: Ob man will oder nicht, Wolverine bleibt X-Men Numero Uno.
Nur wird Hugh Jackman's Monster, welches die Filme immer noch bestreiten und auch diesmal wieder in einer Softie – Nummer enden lassen, völlig vor die Wand gefahren. Wir sehen hier eher den sympathischen und Scotch trinkenden Verständnis – Logan im Stile eines Erklärbär, der bei sämtlichen physischen Konftrontationen den Kürzeren zieht, ein kleiner Schlag in die Magengrube.
Trotzdem gelingt die Zeitreise in weiten Teilen. James McAvoy spielt hier seinen übrigen Cast recht locker an die Wand, auch wenn er im Laufe des Überhand genommenen Redeanteils das ein oder andere Mal „Schmerz“ etwas überakzentuiert und überraschenderweise bekommt auch Nicholas Hoult's Beast einen enormen Anteil am Geschehen. Michael Fassbender scheint sich nach seinen Oscarfilmen eine kleine schauspielerische Auszeit zu nehmen und wirkt merkwürdig blass, es reicht trotzdem für einige Badass – Auftritte und einem fetten Coolness – Bonus, bei der ihm Singer's Inszenierung der Actionsequenzen dankbar entgegenkommen. Vermarktungsstrategie Nummer Zwei wäre dann Everybody's Darling Jennifer Lawrence, die ähnlich dem Filmposter, ins Zentrum gerückt wird. Das macht in den Actionsequenzen durchaus Spaß, denn Mystique's Bewegungen sind schön choreographiert und doch wirkt sie inhaltlich gestreckt.
Apropros Actionszenen: Komischerweise geht Singer hier den „Godzilla“ - Weg von Gareth Edwards. Die finale Konfrontation zieht Singer lange hinaus, auch wenn es ab und zu ein wenig Vorgeplänkel gibt, doch im Gegensatz zum Monsterfilm aus der Vorwoche gelingt es dem Regisseur hier nicht angespannte Vorfreude und düstere Atmosphäre zu schaffen. Was noch arger liegt, ist, dass sein Showdown dann irgendwie auch keiner ist. Sicherlich Magneto's Stadionszene ist ein Augenöffner, abzüglich davon, dass sie wenig Sinn ergibt und lediglich ein visuelles Schmankerl sein soll, doch der Showdown in der Vergangenheit löst sich in einem etwas pathetischen Nichts auf. Auf der Gegenseite, in der Zukunft, inszeniert Singer dann wie in einer Dopplung den Angriff einer Armee von Sentinels, dort macht wenigstens das Attackieren Sinn. Die Angriffe der X-Men sind also solche klar zu erkennen und die Killmoves von Freeze, Magneto oder auch dem Neuzugang Blink mit ihren sehenswerten Portalen überaus unterhaltend. Mit dieser Experimentierfreude kann sich in der Vergangenheit lediglich ein gut aufgelegter Quicksilver messen, der einige geniale Auftritte absolviert und mit Bezug auf seinen Vater Magneto sogar einen augenzwinkernden Kommentar loslässt. Schade, dass Singer auf ihn im größten Teil der Handlung verzichtet.
Game of Thrones – Star Peter Dinklage obliegt es dann noch den menschlichen Gegenpart einzunehmen, aber gerade hier scheint es, als wäre Regisseur Bryan Singer etwas eingerostet. Im Mensch – Mutant – Konflikt weiß er schließlich keine neuen Akzente zu setzen und „Zukunft ist Vergangenheit“ verkommt an dieser Stelle deutlich. Hier würde man gerne mal eine neue Richtung zu sehen bekommen als aufgewärmte Lasagne vom Vor(film)tag.
Ebenso drastisch liegt, dass der Film doch trotz einiger zeitreisetypischer unlogischer Paradoxen, die man verschmerzen muss, auch mit einfachster „Zurück in die Zukunft“ Zeitschleife (vor und zurück) immer noch grobe Logiklöcher aufbietet wie beispielsweise Patrick Stewart nicht erklärbare Erkenntnis zum Ende des Films hin.
Zumindest aber sind die X-Men schlussendlich wieder vollzählig und treten als filmische Neuerung gegen einen eigenen, diesmal auch menschlich unbeeinflussten Mutanten an, nämlich After Credit – Scene Erscheinung En Sabah Nur (später Apocalypse). Aber hat das nicht noch mehr den Geschmack, dass der neuste X-Men – Film simple Aufbauhilfe war?
Fazit: Singer ist zurück und doch ist alles anders. Die Studios vertrauen offensichtlich nicht mehr ein- oder zwei Topstars und schicken gleich eine ganze Hollywood – Siedlung. Das sieht dann bei den Verkaufszahlen nett aus, aber abzüglich des ganzen PR – Brimboriums schafft es Singer eben nicht einen nachhaltigen Film zu drehen. „Zukunft ist Vergangenheit“ tritt merklich auf der Stelle, wirkt in seinen beiden Zeitebenen unharmonisch und ist vor allem inhaltlich alles andere als kreativ.
Vielleicht wäre also tatsächlich, Achtung! Bescheuerte Binsenweisheit, weniger mehr gewesen.