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    Gerhard Richter - Painting
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Gerhard Richter - Painting
    Von Michael Smosarski

    Gerhard Richter, so erklärt einer der Assistenten des großen Malers in „Gerhard Richter Painting", benutze für seine Bilder „Zitronengelb, nicht solche Exoten wie Neapelgelb". Dieses Zitat darf gleichermaßen als Einstimmung und Vorwarnung gelten, denn es verdeutlicht, wie detailbesessen Corinna Belz‘ Dokumentation den künstlerischen Schaffensprozess nachzeichnet. Glanzvolle Medienauftritte oder das vermeintliche Jet-Set-Leben des Malerfürsten bleiben hier außen vor – Belz liefert ihr Publikum über weite Strecken der Leere und Stille des gewaltigen Richter-Ateliers aus. Dem Publikum wird so die gleiche, nahezu meditative Versenkung abverlangt, die auch für das Schaffen des Künstlers selbst bestimmend zu sein scheint. Wer dazu bereit ist, erhält durch „Gerhard Richter Painting" einzigartige Einblicke in die Untiefen des Künstlertums im Allgemeinen und Richters ebenso intuitiven wie kauzigen Zugang im Besonderen.

    Über den Zeitraum von fast einem Jahr haben Regisseurin Corinna Belz und ihr Filmteam Gerhard Richter, seit fünf Jahrzehnten einer der international bedeutendsten Künstler, begleitet. Im Vordergrund stand die tägliche, konzentrierte Arbeit im Atelier, die nur selten von Interviews und Vorbereitungen für Ausstellungen rund um den Globus unterbrochen wird. Dabei kam Belz dem Künstler Gerhard Richter außergewöhnlich nahe. Ganz anders als dessen großformatige Arbeiten ist Belz‘ filmischer Stil nicht auf Überwältigung ausgelegt. Fast schon wie Koketterie wirkt es, dass sie das Schaffen des gefeierten Künstlers in Miniaturform Revue passieren lässt: Die mit den Bildmotiven des Künsters bedruckten Papierschnipsel, die Richter und seine Assistenten zur Ausstellungsplanung am Modell nutzen, genügen ihr als Werkschau.

    Die Understatement-Agenda bleibt auch im weiteren Verlauf der Dokumentation bestehen. So filmt Belz selten Bilder als fertige, einnehmende Kunstwerke, sondern vielmehr kleine Bildausschnitte im künstlerischen Schaffensprozess – und das mit einer mikroskopischen Präzision, die sie auch an anderer Stelle beibehält. Wenn sie Richter selbst fokussiert, dann so nah, dass es scheint, als wolle sie ihm unter die Haut kriechen. Dabei geht es sehr still zu, das einzige Geräusch ist über weite Strecken das Kratzen der gewaltigen Rakeln, mit denen der wortkarge Maler die Farbe auf seine Leinwände aufträgt. Ab und an unterlegen atonale Klaviertupfer die Filmbilder, und selbst dieser aufs Nötigste reduzierte Score wirkt hier befremdlich. Wenn Richter dann doch mal etwas sagt, sind es meist rätselhafte Aphorismen.

    Sehr wohl aber ist der Film zwischen totaler Entschleunigung und den verschrobenen Gedankengängen des Künstlers auch auf seine ganz eigene Art unterhaltsam. Manchmal wirken Richters abwegige Kommentare wie lange vorbereitete Pointen eines absurden Witzes. Wenn der Maler dagegen versucht, sich verständlich und erklärend zu seiner Kunst zu äußern, überrascht seine Sprachlosigkeit, sein Ringen um Worte. Richter kann und will sich und seine Kunst nicht interpretieren, sondern zieht sich auf einen Standpunkt zurück, der Intuition als Produktionsbedingung betont – auch die bewusst naiven Fragen der Regisseurin können den Maler kaum aus der Reserve locken.

    „Ich kann Ihnen da auch nichts sagen", bricht Richter an einer Stelle hilflos mitten im Satz ab und sagt gerade damit eine ganze Menge über sein Selbst- und Kunstverständnis. Was bleibt, sind viele atmosphärische Momente, die teils frösteln lassen. Den arrivierten Künstler in seinem leeren, überdimensioniert wirkenden Atelier zu sehen, hat etwas Außerweltliches. Der psychedelische Trip, zu dem „Gerhard Richter Painting" für den Zuschauer werden kann, nötigt eine Menge Sitzfleisch ab und verlangt die Bereitschaft, sich treiben zu lassen. Für Kunst-Aficionados ist der Film in jedem Fall uneingeschränkt zu empfehlen – gerade weil Belz eher eine Kunst- als eine Künstlerdokumentation geschaffen hat.

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